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Hamas unterdrückt Protestbewegung in Gaza 

Anti-Hamas-Proteste am 30. Juli in Gaza
Anti-Hamas-Proteste am 30. Juli in Gaza (Quelle: JNS)

Zwar konnte die Hamas am vergangenen Wochenende eine erneute Protestwelle der Bevölkerung verhindern, aber die Zeitbombe Gaza tickt und droht jeden Moment vor den Augen der Terrororganisation zu explodieren.

Yoni Ben Menachem

Hamas-Sicherheitsbeamte verhafteten am Wochenende den Journalisten Bashar Taleb im Gazastreifen. Sie beschlagnahmten seine Fotoausrüstung, nachdem er am 30. Juli in Gaza über die Protestwelle gegen die Hamas-Regierung berichtet hatte. Die Fatah-Bewegung von Mahmoud Abbas verurteilte seine Verhaftung und forderte seine Freilassung. Quellen im Gazastreifen behaupten, dass die Bidna Na’ish-Bewegung (»Wir wollen leben«), die im Jahr 2019 im Gazastreifen aktiv war und vom Hamas-Regime brutal unterdrückt wurde, wieder erwacht und für die Protestwelle verantwortlich ist.

Tausende Menschen demonstrierten in verschiedenen Zentren des Gazastreifens und forderten den Sturz der Hamas-Regierung, woraufhin die Terrororganisation im gesamten Küstenstreifen Sicherheitskräfte einsetzte, ein generelles Verbot der Presseberichterstattung über die Demonstrationen verhängte und Verdächtige verhaftete, welche die Proteste organisiert hatten.

Hintergrund der Aufmärsche sind die wirtschaftliche Lage des Gazastreifens, die Ankündigung neuer Steuern, die während der derzeitigen Hitzewelle anhaltende Stromknappheit, die steigende Arbeitslosigkeit sowie die generelle Korruption der Hamas-Regierung. Die Bewohner des Gazastreifens beschweren sich darüber, dass die Regierung in erster Linie die Häuser der Hamas-Führer, ihre Regierungseinrichtungen und Moscheen mit Strom versorgen würde, während sie die Bewohner des Gazastreifens bei der Verteilung von Strom benachteilige.

Wut auf die Hamas

Ausgebrochen waren die Proteste in Khan Yunis im Süden des Gazastreifens, von wo sie sich rasch auf das Zentrum und den Norden ausbreiteten. Bei den Demonstranten handelt es sich hauptsächlich um Angehörige der jüngeren Generation, welche die harten Lebensbedingungen und die Teilblockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten, die wegen der ständigen Attacken durch die Hamas verhängt wurde, satthaben.

Die Proteste brachen aus, während sich die Spitze der Hamas in Kairo mit dem Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zu Versöhnungsgesprächen traf, die jedoch erneut scheiterten. Die Demonstranten in Khan Yunis schwenkten palästinensische Flaggen und forderten Abbas auf, im Gazastreifen zu intervenieren und die Streitigkeiten in der palästinensischen Gesellschaft zu beenden. 

Viele Einwohner sind wütend auf die Hamas, insbesondere nachdem der in Katar lebende ehemalige Hamas-Führer Khaled Mashal zugab, dass die Spaltung der palästinensischen Gesellschaft das Ergebnis eines Machtkampfes ist. »Die einzige Erklärung für die Spaltung der palästinensischen Gesellschaft ist der Wettbewerb um die Führung. Es gibt keine wirklichen Gründe; wir streiten uns darum, wer die Regierung stellt und damit die Sahnestücke abbekommt, obwohl es eigentlich kein richtiger Sahnekuchen ist«, sagte Mashal.

Die Bidna Na’ish-Bewegung hatte Ende letzter Woche angekündigt, ihre Aktivitäten trotz der Repressionen durch die Hamas solange fortzusetzen, bis den Bewohnern des Gazastreifens ein »besseres und menschlicheres Leben« möglich sei.

Tickende Zeitbombe

Vergangenen Freitag waren die Sicherheitskräfte der Hamas im gesamten Gazastreifen in großer Zahl im Einsatz, weil sie nach dem Freitagsgebet ein Aufflammen der Welle von Demonstrationen gegen die Hamas-Herrschaft befürchteten. Zeitgleich startete die Terrororganisation eine öffentliche Diffamierungskampagne gegen die Protestbewegung in den sozialen Medien und beschuldigte sie, mit dem israelischen Shin Bet und dem Geheimdienst der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammenzuarbeiten, um die Stabilität der Hamas-Herrschaft in Gaza zu erschüttern. In den Moscheen des Gazastreifens hetzten Prediger auf Geheiß der Hamas gegen die Protestbewegung und behaupteten, ihre Forderungen nach einer dringend gebotenen Verbesserung des Lebensstandards seien zwar gerechtfertigt, die Demonstrationswelle sei jedoch völlig unnötig und jeder, der demonstriere, sei ein Verräter und Abtrünniger.

Die Hamas, die jede Verantwortung für die schwierige wirtschaftliche Lage im Gazastreifen von sich weist, unterdrückt die Protestbewegung gewaltsam und schiebt die Verantwortung auf die im Jahr 2007 gegen den Gazastreifen verhängte Wirtschaftsblockade Israels.

Die Terrororganisation ist fest entschlossen, ihre Herrschaft im Gazastreifen sowie die Korruption in der Regierung und die Unterdrückung der Bewohner aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang befürchten die israelischen Sicherheitsbehörden, die Hamas könnte versuchen, die weit verbreitete Wut gegen sich auf Israel umzulenken, was in weiterer Folge zu großen Demonstrationen am Grenzzaun von Gaza und sogar zu Raketenbeschuss führen könnte.

Israel erwägt deshalb, die Zahl der Arbeitnehmer aus dem Gazastreifen zu erhöhen, denen es gestattet ist, in Israel zu arbeiten. Derzeit sind es etwa 17.000, und die Zulassung einiger tausend weiterer Arbeitsgenehmigungen könnte dazu beitragen, die wirtschaftliche Lage in der Küstenenklave zu entspannen.

Der Hamas hingegen gelang es am letzten Wochenende, eine erneute Protestwelle zu unterdrücken. Dennoch tickt die Zeitbombe Gaza und droht jeden Moment vor den Augen der Terrororganisation und auch vor denen Israels zu explodieren.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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