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Stromknappheit: Bewohner von Gaza demonstrieren gegen Hamas

Stromknappheit und Misswirtschaft: Proteste gegen die Hamas in Gaza
Stromknappheit und Misswirtschaft: Proteste gegen die Hamas in Gaza (© Imago Images / Sipa USA)

Am Sonntag gingen Tausende Menschen auf die Straße, um ihrem Unmut über die ständigen Stromausfälle und die Untätigkeit der Hamas-Regierung öffentlich Ausdruck zu verleihen.

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung über ihre schwierigen Lebensbedingungen wird zunehmend größer. Am Wochenende nahmen unzählige Menschen an den Demonstrationen in Gaza-Stadt, der im Süden Gazas gelegenen Stadt Khan Younis und anderen Orten teil, bei denen Slogans wie »Was für eine Schande« gerufen und sogar Hamas-Fahnen verbrannt wurden, bevor die Sicherheitskräfte der Hamas einschritt und die Proteste auflöste. Dabei zerstörten sie auch Mobiltelefone von Personen, die in Khan Younis die Proteste gefilmt hatten, und nahmen laut Zeugenberichten mehrere Menschen fest. Dazwischen gerieten jugendliche Anhänger und Gegner der Hamas kurzzeitig aneinander und bewarfen sich gegenseitig mit Steinen.

Die Demonstrationen wurden von einer Online-Basisbewegung namens Alvirus Alsakher (»Satirischer Virus«) organisiert, wobei nicht bekannt ist, wer hinter dieser steht. In einem Beitrag auf ihrer Instagram-Seite, die mehr als 152.000 Follower hat, warnte die Gruppe die Hamas Mitte Juli, sie werde eine »Massenrevolution im gesamten Gazastreifen« organisieren, sollte das Problem der ständigen Stromausfälle nicht gelöst und die Stromversorgung nicht auf zwölf Stunden pro Tag erhöht werde. Weiters wird von der Hamas gefordert, den Einsatz sogenannter intelligenter Stromzähler zu beenden.

Seit Juli 2022 zwingt die von der Hamas geführte Gaza Electricity Distribution Corporation die Einwohner Gazas, in ihren Häusern im Voraus zu bezahlende intelligente Stromzähler zu installieren, um die Stromkrise zu entschärfen und sicherzustellen, dass alle Kunden ihre Stromrechnungen begleichen. Dabei zahlen die Gazaner einen festen Betrag, um eine bestimmte Menge an Kilowatt über ihre intelligenten Zähler beziehen zu können. Sobald der im Voraus bezahlte Strom verbraucht ist, muss der Kunde weitere Kilowattstunden bezahlen, andernfalls wird er vom Netz getrennt.  

»Prepaid-Stromzähler berücksichtigen nicht die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen der Bewohner des Gazastreifens, von denen achtzig Prozent unterhalb der Armutsgrenze leben«, erklärte Khamis Bahtiti, ein Bewohner des Viertels al-Daraj im Osten von Gaza-Stadt, gegenüber Al-Monitor. »Das Projekt zielt darauf ab, Einnahmen für die Staatskasse zu erzielen, ohne die Stromversorgung zu verbessern.«

Ein anonym bleibender Administrator der Internetseite Al-Virus al-Sakher erklärte, die Gruppe werde »bald damit beginnen, ihre Anhänger zu mobilisieren und alle Bewohner des Gazastreifens zu friedlichen Demonstrationen aufzurufen, um zu fordern, dass die Hamas die legitimen Bürgerrechte respektiert, vor allem die Versorgung der Bürger mit Strom. Es ist an der Zeit zu handeln, damit unsere Kinder und zukünftigen Generationen nicht dasselbe Leid erfahren wie wir«, sagte der Aktivist, die die Hamas für die Stromkrise verantwortlich macht.

Wo ist der Strom?

Der Hamas-Terror hatte Israel und Ägypten dazu veranlasst, eine Teilblockade über den Gaza-Streifen zu verhängen, wobei Israel erklärt, die Abriegelung sei notwendig, um die Hamas am Aufbau ihrer militärischen Kapazitäten zu hindern. Die Abriegelung hat die Wirtschaft des Gazastreifens ruiniert, die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen lassen und wegen des Energiemangels zu häufigen Stromausfällen geführt. Während der derzeitigen Hitzewelle werden die Menschen aufgrund der großen Nachfrage nur vier bis sechs Stunden pro Tag mit Strom versorgt.

»Wo ist der Strom, wo ist das Gas?«, »Was für eine Schande!«, riefen die Demonstranten am Sonntag in Khan Younis, die auch kritisierten, dass die Hamas eine Gebühr von etwa fünfzehn Dollar von der monatlichen 100-Dollar-Hilfe abzieht, die der reiche Golfstaat Katar den ärmsten Familien des Gazastreifens gewährt. Zuvor hatten Aktivisten eine Kampagne gestartet, mit der sie das Versagen der Hamas bei der Lösung der jahrzehntelangen Krise angreifen und die Terrorgruppe auffordern, offenzulegen, wohin das Geld fließt, das sie durch die Stromrechnungen einnimmt.

Der Vorsitzende der Behörde für Energie und natürliche Ressourcen der Palästinensischen Autonomiebehörde, Zafer Melhem, erklärte gegenüber Al-Monitor, die von der Hamas geführte Verteilungsgesellschaft erwirtschafte monatlich 8,6 bis 9,9 Millionen Euro: »Gott allein weiß, wohin diese Gelder fließen«, sagte Melhem, der erklärte, diese Summen würden ausreichen, um Treibstoff für den Betrieb des gesamten Kraftwerks in Gaza zu kaufen. Darüber hinaus wäre es auch möglich, Solarkraftwerkprojekte zu errichten, welche die Versorgungszeiten erheblich verlängern würden.

Abdel Hamid Abdel Atti, Journalist des lokalen Radiosenders Al-Watan, startete ebenfalls Mitte Juli einen Aufruf in den sozialen Medien, um Druck auf die lokalen Behörden auszuüben, die Stromkrise zu lösen, unter der die Menschen seit fast zwei Jahrzehnten leiden. Seitdem haben sich viele Palästinenser an der Kampagne beteiligt und damit ihre wachsende Wut und Frustration über die Hamas, die den Gazastreifen regiert, zum Ausdruck gebracht.

»Katar unterstützt den Gazastreifen seit 2018 mit neun Millionen Euro pro Monat, und die Palästinensische Autonomiebehörde zahlt gemäß den Osloer Vereinbarungen die Rechnung für den Strom, der von israelischer Seite nach Gaza transportiert wird. Die Frage bleibt: Wohin fließt das Geld, das die Hamas aus dem Energiesektor einnimmt?« so Abdel Atti.

Der Journalist erläuterte, dass die Stromausfälle zu verdorbenen Lebensmitteln in den Kühlschränken führen und der Betrieb der Kläranlagen eingestellt wurde, die nun das ungeklärte Wasser ins Meer leiten, was zu einer erheblichen Verschmutzung der Strände führt – einer der wenigen Möglichkeiten für die Bevölkerung, sich in der Sommerhitze zu erholen. Erschwerend komme hinzu, dass die Bewohner wegen der Stromausfälle keinen Zugang zu Klimaanlagen oder Ventilatoren haben. Die offiziellen Stellen, sagt Atti, hätten noch nicht auf seine Kampagne reagiert, aber er werde weiterhin die öffentliche Meinung gegen die triste Realität mobilisieren, bis eine Lösung gefunden sei.

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