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Hamas-Terror gegen Israel: Der antisemitische Spin

Antisemitische Demonstration in Spanien gegen Israels Kampf gegen den Hamas-Terror
Antisemitische Demonstration in Spanien gegen Israels Kampf gegen den Hamas-Terror (Imago Images / ZUMA Wire)

Der Konflikt mit der Hamas facht den Hass auf Israel und die Jüdinnen und Juden auch im Westen an. Die zynische Strategie der Terrororganisation geht auf. Mit der Feststellung humanistischer Selbstverständlichkeiten ist es nicht mehr getan.

Maximilian Gottschlich

Mitgefühl und Solidarität mit Israel haben eine kurze Halbwertszeit. Mit jedem Tag, an dem das israelische Bombardement der militärischen Infrastruktur der Hamas in Gaza andauert, Bilder verzweifelter Menschen und zerbombter Stadtviertel die sozialen Medien und Nachrichtenkanäle fluten, wird Israel in der öffentlichen Wahrnehmung der westlichen Welt immer weniger als Opfer des islamistischen Gewaltexzesses der Hamas gesehen, sondern mehr und mehr als Täter. 

Dieser Eindruck wird sich mit dem Start der Bodenoffensive noch verstärken. Die Hamas wird ihre Strategie intensivieren, den jüdischen Staat in der öffentlichen Wahrnehmung des Westens als Unrechtsstaat zu brandmarken und damit den Hass auf Israel und die Jüdinnen und Juden insgesamt anzuheizen.

Druck auf Israel

Ihr Ziel ist es, einen antisemitischen, israelfeindlichen Spin in der öffentlichen Meinung herzustellen. Israel soll um jeden Preis in die Täterrolle gedrängt werden, um auf diese Weise den jüdischen Staat zu delegitimieren, zu dämonisieren und so auf internationaler Ebene öffentlichen Druck gegen Israel aufzubauen. 

Die zynische und menschenverachtende Strategie der Hamas, ihre terroristische und militärische Infrastruktur bewusst in die zivile Infrastruktur im Gazastreifen zu integrieren, dient dem teuflischen Zweck, das Leid der eigenen Bevölkerung in Gaza auf perverse Weise zu instrumentalisieren. Hohe Opferbilanzen und Bilder des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung sollen medienwirksam emotionalisieren und weltweit gegen Israel mobilisieren.

Mit der lautstark bei Pro-Palästina-Demonstrationen geforderten Befreiung der palästinensischen Bevölkerung hat das nichts zu tun. Der Kampf geht ausschließlich darum, den jüdischen Staat zu delegitimieren. Palästina soll von den Juden »befreit« werden, wie es die Charta der Hamas und das hinter ihr stehende Mullah-Regime in Teheran seit jeher proklamieren. Dieses Kalkül, mit antijüdischer und israelfeindlicher Stimmungsmache im Westen zu punkten, geht leider viel zu oft auf. Denn der antisemitische Bodensatz ist immer noch fruchtbar. Sämtliche empirische Daten signalisieren: Europaweit nehmen Antisemitismus und Judenhass von Jahr zu Jahr zu.

Es gibt eine gemeinsame Schnittmenge von tradiertem rechten wie auch linkem Antisemitismus in Europa mit der importierten islamischen Judenfeindlichkeit der Migrantinnen und Migranten aus arabischen Ländern: die Feindschaft gegen Israel. Diese explosive Mischung entlädt sich gerade auf unseren Straßen und in europäischen Städten.

Vernunft und Aufklärung

Schon im Sommer 2014 skandierten die Massen bei Anti-Israel-Demos auf deutschen Straßen: »Hamas, Hamas – Juden ins Gas«. Der Antisemitismus war nie weg, er tarnt sich nur im neuen Gewand der Israelfeindlichkeit. Denn Antisemitismus gleicht einer Schlange, die sich häutet – aber es bleibt immer dieselbe Schlange. Weil Europa selbst unter antisemitischer Immunschwäche leidet, vermag es dem Antijudaismus auch keine entschiedene Abwehr entgegenzusetzen. Der importierte islamische Judenhass findet im alten, christlich geprägten Antisemitismus Europas sein unheilvolles Echo.

Staatliche Repression kann versuchen, den manifesten Judenhass einzudämmen. Gegen den latenten, in kollektiven Tiefenschichten der Gesellschaft sitzenden Antisemitismus sind wir, so müssen wir drei Generationen nach Auschwitz zugeben, nahezu machtlos. Gegen das destruktive Vorurteil über Juden und gegen den irrationalen Hass auf alles Jüdische vermag die Vernunft, vermögen Argumente, Information und Bildung leider wenig auszurichten. Aber wir haben nichts anderes als auf diese Vernunft zu setzen, also unermüdlich Aufklärung zu betreiben, um die antisemitischen Obsessionen zu bekämpfen.

Halbherzige Distanzierung

Das gilt für die Gesellschaften in Deutschland wie auch in Österreich, in denen sich Jüdinnen und Juden immer unsicherer und unwohler fühlen. Das gilt in besonderem Maße aber auch für die Musliminnen und Muslime und muslimischen ihre Verbände. Der 7. Oktober ist auch für sie der Lackmustest, wie sie es mit der Judenfeindschaft und der Feindschaft gegen den jüdischen Staat halten.

Mehr als halbherzige Distanzierung aus muslimischen Reihen ist nach dem Massaker der radikalislamischen Hamas nicht zu hören. Kein öffentlicher, und medienwirksamer Aufschrei muslimischer Empörung gegen die Bestialität in Namen Allahs; keine Demonstrationen, kein Lichtermeer, mit dem Muslime in Europa und der Welt ihre Solidarität mit den jüdischen Opfern zum Ausdruck hätten bringen können; keine unmissverständliche Distanzierung führender Imame von den Verbrechen des islamistischen Terrors gegen unschuldige Zivilisten. Anstelle dessen oberflächliche Lippenbekenntnisse gegen Gewalt, von welcher Seite auch immer.

Aber mit der Feststellung humanitärer Selbstverständlichkeiten ist es jetzt nicht mehr getan. Jetzt müsste mehr und Grundsätzliches geschehen. Das würde etwa bedeuten, die seit Jahren von maßgeblichen muslimischen Vorreitern eines aufgeklärten europäischen Islam vorgetragene Kritik an einer »Theologie der Gewalt im Koran« (Hamel Abdel Samad) ernst zu nehmen.

Maximilian Gottschlich ist emeritierter Professor für Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und Buchautor. Zum Thema Antisemitismus erschienen von M. Gottschlich die Bücher: Die große Abneigung. Wie antisemitisch ist Österreich? Kritische Befunde zu einer sozialen Krankheit (Czernin 2012) und Unerlöste Schatten. Die Christen und der neue Antisemitismus (F. Schöningh 2015) (Artikel zuerst erschienen in DER STANDARD vom 24.Oktober 2023. Wir danken Maximilian Gottschlich für die Erlaubnis zum Wiederabdruck.)

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