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Guerillakrieg gegen Hamas: Israelisches Militär wendet neue Taktik an

Noch hat die große Bodenoffensive Israels nicht begonnen
Noch hat die große Bodenoffensive Israels nicht begonnen (Imago Images / Latin America News Agency)

Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte passen sich den Taktiken der Terrororganisation an und startet im Moment nur begrenzte Angriffe, die eine spätere größere Invasion aber nicht ausschließen.

Die Vorstöße der vergangenen Tage der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in den Gazastreifen waren gezielt, begrenzt, kurz und betrafen nur eine kleine Anzahl von Kämpfern in der Peripherie des Gazastreifens. Bis jetzt wurden alle Erwartungen einer massiven Bodenoffensive, die mit den 360.000 einberufenen Reservisten die größte je im Gazastreifen geführte gewesen wäre, nicht erfüllt. Das Ausmaß der bisherigen Operationen hat noch nicht einmal jenes der begrenzten Invasion der Operation Protective Edge im Jahr 2014 erreicht.

Die im Raum stehende Frage ist, ob eine weitere Verzögerung der Bodenoffensive den Punkt erreichen könnte, an dem der internationale Druck auf Israel, den Krieg zu beenden, zu groß wird, sodass sie gar nicht mehr stattfindet. Sollte diese Invasion allerdings (bald) starten, ist das bislang praktizierte Konzept, sie in Etappen, beginnend mit einer Reihe von Blitzeinsätzen, durchzuführen, klug.

Einige Analysten waren bereits vor zwei Wochen der Meinung, die Offensive hätte begonnen, nur um später zu erfahren, dass die gemeldeten Invasionen in den Gazastreifen nur knapp über die Grenze gingen, um dort Leichen einzusammeln, und die Hamas dabei nicht einmal wirklich angriffen wurde.

Guerillakrieg

Die einzige Möglichkeit für die Hamas, diesen Krieg zu überleben, besteht derzeit darin, Israel mit Hinterhalten, Sprengfallen und Angriffen mit Fahrerflucht tief in den Städten des Gazastreifens in die Enge zu treiben, um so Israels Luft- und Technologievorteil zu neutralisieren. Allerdings gehen die IDF nicht in diese Falle und schlucken den Köder nicht, sondern wendet den Guerillakrieg der Hamas gegen die Terrororganisation, wie deren Berichterstatter Yonah Jeremy Bob in einer Analyse für die Jerusalem Post festhält.

Der Guerillakrieg ist fast so alt wie Krieg an sich und wurde traditionell von der schwächeren, agileren Seite eingesetzt, um die größere, weniger agile Seite in Schach zu halten. Seitdem Terroristen, ob sie nun gegen Israel oder die USA operieren, systematisch Guerillamethoden anwenden und menschliche Schutzschilde in städtischen Gebieten einsetzen, mussten Washington und Jerusalem erst lernen, dass die Tatsache, die größere und stärkere Kraft zu sein, nicht zwangsläufig eine Einbuße an Beweglichkeit und Überraschungsmoment bedeuten muss.

Und so halten die IDF die Hamas nun durch gezielte schnelle Angriffe und den permanenten Wechsel der Angriffsorte in Atem. Die Terroristen wissen aufgrund dieser Taktik nicht, von wo aus die IDF als nächstes angreifen werden, was die Hamas so nervös machen soll, dass

  • die Moral ihrer Kämpfer leidet,
  • sie ihre Verteidigungshaltung überdenkt und vielleicht selbst versucht, zum Angriff überzugehen,
  • IDF-Drohnen und andere Überwachungsinstrumente die Bewegungen der Hamas bei der Anpassung ihrer Taktik beobachten können, was zur Aufdeckung von Verstecken beiträgt,
  •  die Hamas Sprengfallen und Hinterhalte vorzeitig aktiviert, ohne ihre Wirkung auf größere Gruppen von IDF-Truppen maximieren zu können.

Umkehrung des Drehbuchs

Diese Taktiken der Guerilla-Kriegsführung können auch jene der Hamas auf den Kopf stellen, mit der sie vor dem Massaker am 7. Oktober versuchte, Israel in Sicherheit zu wiegen und zu einer gewissen Selbstsicherheit zu verleiten. Zwar ist die Hamas diszipliniert und in der Lage, eine Reihe kleinerer Angriffe zu überstehen und zugleich die Bereitschaft für die spätere Hauptinvasion aufrechtzuerhalten, doch wäre es nur natürlich, dass diese Bereitschaft abnimmt, wenn sich die Hamas-Kämpfer an kleinere Angriffe und »Fehlalarme« gewöhnen.

Wenden die IDF die Taktik richtig an, werden sie gleichzeitig mehrere gezielte Angriffe durchführen, um die Hamas zu verwirren, sodass sie nicht einschätzen kann, was als nächstes passieren wird – und dann in dem Moment zuschlagen, in dem die Hamas ihre Wachsamkeit schleifen lässt. Auf diese Weise könnte eine größere IDF-Truppe im Gazastreifen Fuß fassen, bevor die Hamas sich vollständig darauf einstellen und eine Gegenoffensive starten kann.

All dies bedeutet nicht, dass die IDF erhebliche Verluste vermeiden werden können. Irgendwann werden die Truppen ihre gepanzerten Mannschaftswagen verlassen und von Haus zu Haus, von Straßenecke zu Straßenecke gehen müssen, um Terroristen aufzuspüren, die sich in Tunneln, auf Dachböden und überall dort verstecken, wo Drohnen und technologische Plattformen sie nicht aufspüren können. Dann wird Hamas die Möglichkeit haben, IDF-Soldaten mittels Sprengfallen anzugreifen und in die Luft zu jagen sowie Panzerabwehrraketen auf Fahrzeuge abzufeuern, die in einem Gebiet feststecken, das für einen Hinterhalt mit Kreuzfeuer vorbereitet ist.

Die aktuelle Taktik, Guerilla-Kriegsführung mit Guerilla-Kriegsführung zu bekämpfen, zeigt Respekt vor dem Gegner, zwingt die IDF-Truppen zu größerer Beweglichkeit und operativem Bewusstsein, verbessert das Verständnis für die Verteidigungshaltung der Hamas und dürfte die Moral der IDF in der Anfangsphase der Invasion verbessern.

Kurz gesagt, beschließt Yonah Jeremy Bob seine Analyse, erste begrenzte Angriffe müssen eine größere Invasion nicht wesentlich verzögern oder ersetzen. Werden sie richtig eingesetzt, können sie im Gegenteil die Chance auf eine erfolgreiche Invasion in vollem Umfang deutlich erhöhen.

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