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Hisbollah heizt Diskussion über Grenzstreitfälle an

UNIFIL-Truppen an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel
UNIFIL-Truppen an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel (© Imago Images / Xinhua)

Berichten zufolge fordert die Terrorgruppe die Beilegung von Streitigkeiten an sechzehn Punkten entlang der Grenze sowie die Einstellung der Arbeiten an einer Sicherheitsbarriere.  

Baruch Yedid

Unzufrieden mit der libanesischen Forderung nach einem israelischen Rückzug aus dem nördlichen Dorf Ghajar im Gegenzug für die Räumung eines Hisbollah-Außenpostens auf israelischem Territorium fordert die Terrorgruppe nun, dass alle Streitfragen an der libanesischen Grenze erneut zur Diskussion gestellt werden.

Die Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah nehmen zu, da sich die libanesische Terrorgruppe weigert, ein auf der israelischen Seite der Blauen Linie errichtetes Lager zu räumen. Israelische Beamte erklärten, sie seien bereit, das Lager zu zerstören, zögen aber eine friedliche Räumung durch die Hisbollah vor. Das Lager wurde im April in einem Gebiet südlich der eigentlichen Grenze, aber nördlich einer israelischen Sicherheitsbarriere in der Nähe des Bergs Dov errichtet, wo die Grenze zu Syrien verläuft. 

Zusätzlich befindet es sich außerdem nur wenige hundert Meter von einem Hisbollah-Außenposten auf der libanesischen Seite der Grenze entfernt. Es liegt zwar an einem isolierten Ort und nicht in der Nähe israelischer Ansiedelungen, liegt aber in einem Gebiet, in dem die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ständig im Einsatz sind, um Übergriffe zu vereiteln.

Nach Angaben der libanesischen Tageszeitung Al-Akhbar, die der Hisbollah nahesteht, fordert die Terrorgruppe nun die unmittelbare Beilegung von Konflikten an sechzehn Punkten entlang der Grenze. Deswegen möchte die Hisbollah auch, dass Israel die Arbeiten an einer Sicherheitsbarriere entlang der gesamten Grenze – und insbesondere im Dorf Ghajar – einstellt. Einem israelischen Medienbericht zufolge hat auch Washington, das in der Krise vermittelt, die Einstellung der israelischen Arbeiten an der Sperre in Ghajar vorgeschlagen.

Nasrallahs Auge-um-Auge-Politik

Ein hochrangiger israelischer Beamter erklärte jedoch gegenüber dem Pressedienst Tazpit (TPS), dass Israel kein derartiger Vorschlag über offizielle Kanäle unterbreitet worden sei. »Dies ist ein weiterer Ausdruck von Nasrallahs Auge-um-Auge-Politik«, so der Beamte gegenüber TPS. »Nasrallah hat ein taktisches Ereignis in ein strategisches verwandelt, indem er im Gegenzug für den Abbau des Hisbollah-Zelts versucht, die Arbeit der IDF zum Schutz der Siedlungen an verschiedenen Punkten entlang der Blauen Linie zu verhindern. Israel wird dem nicht zustimmen.«

Die Quelle merkte an, dass israelische Beamte nur wenig Hoffnung auf eine diplomatische Lösung setzen: »Wir werden nicht zulassen, dass das von der Hisbollah errichtete Zelt zu einem ständigen Außenposten auf israelischem Gebiet wird.«

In der Zwischenzeit hat der Libanon bei den Vereinten Nationen Beschwerde über die von ihm als solche bezeichnete »Annexion des nördlichen Teils des Dorfes Ghajar« eingelegt. Bereits Anfang Juli erklärten israelische Quellen gegenüber TPS, die Hisbollah sei offenbar entschlossen, den jetzigen Status quo zu verlängern und zu ihrem eigenen Vorteil und für die Medienaufmerksamkeit auszunutzen. Zugleich berichtet Asharq al-Awsat, die libanesische Regierung wolle die Krise lösen, um mit den Bohrungen nach Offshore-Erdgas beginnen zu können, ohne einen Krieg befürchten zu müssen.

Blaue Linie 

Die sogenannte Blaue Linie, welche die einhundertzwanzig Kilometer lange Grenze markiert, wurde im Jahr 2000 von UN-Kartografen erstellt, um den Rückzug Israels aus dem Libanon zu überprüfen, den der UN-Sicherheitsrat später als vollständig bestätigte. Die Grenze verläuft von Rosh HaNikra an der Mittelmeerküste bis zum Berg Dov, wo die israelisch-libanesische Grenze mit Syrien zusammenläuft. Wie die Hisbollah erklärte, erkenne sie die Blaue Linie nicht an und bestreite zahlreiche Punkte entlang dieser Linie.

Zu diesen Punkten gehört auch ein Landstreifen auf dem Berg Dov selbst, den Israel von Syrien erobert hat. Die Hisbollah behauptet, das Gebiet, die sogenannten Shebaa-Farmen, gehöre zum Libanon, während Syrien sich zu dieser Angelegenheit nicht geäußert hat. Seit 1978 sind Internationale Friedenstruppen der UN-Übergangstruppe im Libanon (UNIFIL) im Südlibanon stationiert, um die Grenze zu überwachen.

Israel und Libanon haben jedoch im Oktober 2022 ein von den USA vermitteltes Abkommen über den Verlauf ihrer Seegrenzen geschlossen, das dem Libanon erlaubt, in seinen Hoheitsgewässern Erdgas zu fördern. Gemäß dem Abkommen verbleibt das Karish-Gasfeld unter israelischer Souveränität, während ein französisches Unternehmen, welches das Qana-Gasfeld für den Libanon erkundet, im Gegenzug Lizenzgebühren für den in israelischen Gewässern liegenden Teil des Felds an Jerusalem begleichen wird.

Die Hisbollah hat im vergangenen Jahr nicht weniger als siebenundzwanzig Militärposten entlang der Grenze errichtet, die unter dem Deckmantel von Green Without Borders gebaut wurden, einer Hisbollah-nahen Organisation, die sich als Umwelt-NGO ausgibt. Die Hisbollah startete das Projekt parallel zum Bau eines befestigten Grenzzauns entlang der gesamten Grenze durch Israel. Israels Bemühungen um die Verstärkung der Grenze wurden durch die Entdeckung von grenzüberschreitenden Angriffstunneln der Hisbollah im Jahr 2018 ausgelöst.

Gemäß Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die den Zweiten Libanonkrieg 2006 beendete, ist es der Terrorgruppe untersagt, in der Nähe der Grenze zu operieren. Israelische Beamte haben jedoch immer wieder die Unfähigkeit der UNIFIL kritisiert, die Hisbollah zu stoppen. 

Es wird auch angenommen, dass die Hisbollah für einen grenzüberschreitenden Bombenanschlag an der Kreuzung von Megiddo in Galiläa im März verantwortlich ist. Ihr Anführer, Scheich Hassan Nasrallah, soll außerdem palästinensischen Terrorgruppen im Libanon grünes Licht gegeben haben, zu Beginn des Pessach-Festes im April eine Raketensalve auf Israel abzuschießen. Die Hisbollah sieht in der Spaltung der israelischen Gesellschaft wegen der umstrittenen Initiative zur Überarbeitung des Rechtssystems ein Zeichen von Schwäche, das sie ausnützen können.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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