Die türkische Regierung sieht keine Notwendigkeit mehr, die Folter, insbesondere von kurdischen Frauen im Südosten des Landes, zu vertuschen.
Pinar Tremblay, Al-Monitor
Der Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums für das Jahr 2019 betont, dass kurdische Bürger der Türkei, unverhältnismäßig stark von Menschrechtsverletzungen betroffen sind. Kurdische Frauen oder Frauen, in den Augen des türkischen Staates keine Musterbürgerinnen sind, werden zunehmend zur Zielscheibe von willkürlichen Verhaftungen, Leibesvisitationen, sexueller Gewalt in der Haft, Beleidigungen und Vergewaltigungsdrohungen. (…)
Die HDP-Abgeordnete Remziye Tosun sagte gegenüber Al-Monitor, dass die staatlichen Streitkräfte seit 2015 die Intensität von Folter und Misshandlung von Frauen schrittweise erhöht haben. „Wir sind in der Zeit zurückgereist – zurück in die Tage von Esat Oktay Yildiran. Das ist die Mentalität von Erdogans AKP [Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung] im Augenblick: die Folter ist mit aller Gewalt zurückgekehrt.“ (Yildiran war ein Militäroffizier in den 1980er Jahren, der für seine grausamen Foltermethoden im Diyarbakir-Gefängnis berüchtigt war). (…)
Tosun sagte: „Vorurteile gegen Kurden, die Sprüche, dass die Kurden Schwänze hätten und nicht zivilisiert seien – all das gibt es immer noch aufgrund des offiziellen Bildungssystems. Und diese Denkweise trägt dazu bei, grausame Behandlung und Diskriminierung zu rechtfertigen.“ Die Kurden in der Türkei werden als Pseudo-Bürger und daher als potenzielle Terroristen wahrgenommen. Die Kurden werden bis zu einem gewissen Grad akzeptiert, und solange sie sich fleißig assimilieren, werden sie als angehende Türken angesehen. (…)
Eren Keskin, Vizepräsidentin der türkischen Menschenrechtsvereinigung und prominente Anwältin, sagte gegenüber Al-Monitor, dass die Folter von Frauen sowohl „bei der Verhaftung als auch während der Inhaftierung zur Routine wird. Dabei ist die Folter sowohl in der türkischen Verfassung als auch in mehreren internationalen Verträgen, die die Türkei unterzeichnet hat, eindeutig als illegal definiert.“
In den 1980er Jahren wurde die Folter vertuscht und häufig von Regierungsbeamten geleugnet. Heute wird sie von hohen Beamten begrüßt und sogar gefördert. So sagte zum Beispiel Innenminister Süleyman Soylu im April: „Ich habe [den Sicherheitskräften] gesagt: Wenn Ihr sie [die Terroristen] erwischt, reißt sie in Stücke.“ Der Innenminister erklärte auch, dass Fotos der Leichen öffentlich gemacht würden.
In den sozialen Medien wurden diese Aussagen Soylus mit Aufforderungen kommentiert, den mutmaßlichen Terroristen noch grausamere Behandlungen anzutun. Durch die Normalisierung von Folter und Gewalt scheint die Zurschaustellung der verletzten Körper kurdischer Frauen zu einem Ereignis geworden zu sein, das es zu feiern gilt.