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Erste Reaktionen aus Israel zur saudisch-iranischen Annäherung

Wie schätzt Israel die von China ermittelte Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien ein?
Wie schätzt Israel die von China ermittelte Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien ein? (© Imago Images / Xinhua)

Die Meldung zur Annäherung von Riad und Teheran löste in Israel Sorge aus, brachte zunächst aber vor allem gegenseitige Schuldzuweisungen. Obwohl nicht alle meinen, der Deal sei zwangsläufig eine Katastrophe, so sieht es am Persischen Golf dennoch nicht rosig aus für Israel.

In Israel begann am Freitagmittag Shabbat-Ruhe einzukehren. In den 24 Stunden zuvor hatten selbst die News-Junkies des Landes die Flut der Nachrichten kaum bewältigt. Im Zuge des am Donnerstag stattfindenden »Tags des Widerstands« der Protestbewegung gab es Aktionen in über 120 Städten. Im Fokus stand die Blockade des Ben-Gurion-Flughafens in Tel Aviv. Premier Netanjahu musste per Hubschrauber dorthin gebracht werden, um nach Italien reisen zu können, und der eintreffende US-Verteidigungsminister Lloyd Austin konnte seinen israelischen Amtskollegen Yoav Galant (Likud) nur in Flughafennähe treffen.

Die Abendnachrichten brachten dann eine Ansprache von Staatspräsident Isaac Herzog, der unmissverständlich verkündete: »Die Reform muss aus dieser Welt verschwinden – ganz schnell.« Die negativen Schlagzeilen rissen nicht ab: Der Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir (Otzmah Yehudit/Jüdische Stärke) entließ den Tel Aviver Polizeibefehlshaber, obwohl eine solche Maßnahme nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, während der Kommandeur der Israelischen Luftstreitkräfte erstmals in Israels Geschichte einen Piloten suspendierte, der wegen moralischer Dilemmata infolge der Justizreform seinen Reservedienst ausgesetzt hatte. 

Und mitten in die Abendnachrichten platzte dann auch noch die Horrormeldung: Schüsse im Zentrum von Tel Aviv; ein Terroranschlag, durch den drei Israelis verletzt wurden. Am nächsten Mittag, als alle bereits auf etwas Shabbat-Ruhe hofften, erschütterte Israel dann die »Made in China«-Bombe zur Wiederaufnahme der Beziehungenzwischen Saudi-Arabien und dem Iran.

Wer hat den Schwarzen Peter?

Nur wenige Stunden später, noch vor Beginn des Shabbats hagelte es in Israel gegenseitige Schuldzuweisungen. Keiner der führenden Oppositionspolitiker ließ sich die Gelegenheit der Kritik an Netanjahu entgehen, der erst wenige Wochen zuvor eine weitere Verbesserung der Beziehungen mit den Saudis angekündigt hatte. 

Oppositionsführer Yair Lapid (Zukunftspartei) donnerte: »Der Saudi-Iran-Deal zerstört Israels Verteidigungsmauer gegen den Iran.« Naftali Bennett, der zusammen mit Lapid für die Partei Jamina an der Spitze der ehemaligen Regierung Israels (Juni 2021 bis Oktober 2022) stand, bezeichnete die Entwicklung als »fatalen Rückschlag der Bemühungen, eine regionale Koalition gegen den Iran aufzubauen«. Beide beklagten, diese Entwicklung sei »ein Zeichen des durchschlagenden Versagens der Netanjahu-Regierung und rührt aus einer Kombination aus politischer Vernachlässigung und dem internen Konflikt des Landes her«. Ihr Partner Ex-Generalstabschef und Ex-Verteidigungsminister Benny Gantz (Nationale Einheit) warf Premier Netanjahu vor, »die Sicherheit Israels und seiner Bürger aufgegeben zu haben«.

Natürlich fingen sich aber auch die Oppositionspolitiker Schuldzuweisungen ein. Premier Netanjahu hüllte sich zwar in Schweigen, doch die Journalisten, die mit ihm nach Italien gereist waren, erfuhren von einer »hochrangigen diplomatischen Quelle«, es seien Lapid und Bennett gewesen, welche »die Saudis in die Arme der Iraner getrieben haben«. Niemand bezweifelt, dass dieses Statement aus dem engsten Netanjahu-Kreis, wenn nicht vom Premier selbst kam. 

Darüber hinaus machten weitere Zitate »hochrangiger Regierungsquellen« die Runde, die unaufhörlich darauf verwiesen, dass die Anfänge des Riad-Teheran-Deals in die Bennett-Lapid-Regierungszeit fallen. Die damalige Regierung habe Israels Schwäche offenbar werden lassen und die Saudis veranlasst, sich in Richtung Iran zu orientieren.

Einziger Querläufer war der Likud-Abgeordnete Yuli Edelstein, Vorsitzender des Komitees für Außen- und Verteidigungspolitik. Nachdem er die neue Allianz als »schlecht für Israel und die ganze Welt« bezeichnet hatte, schob er einen Seitenhieb gegen Premier Netanjahu nach: »Es ist an der Zeit, sich hinzusetzen, miteinander zu reden und die Streitigkeiten beizulegen, damit wir uns vereint gegen unsere existenzielle Bedrohung stellen können.«

Den Ball lieber flach halten

Etliche namhafte Kommentatoren merkten umgehend an: Laut ausländischen Angaben fallen die ersten Kontakte zwischen Saudis und Iranern in den April 2021. Damals hatte Israel noch gar keine Bennett-Lapid-Regierung, sondern vielmehr zeichnete sich ab, dass Netanjahu zum vierten Mal in zwei Jahren Schwierigkeiten hatte, eine Koalition zu bilden. Dass die entscheidenden Gesprächsrunden zwischen Riad und Teheran in die Zeit der Veränderungskoalition gefallen seien, runde zwar das schwächelnde Gesamtbild ab, dass Israel wegen seiner Wahl-Dauerschleife abgibt, wäre aber nicht ausschlaggebend.

Die meisten Berichterstatter riefen zwar nicht den legendären US-Außenminister Henry Kissinger in Erinnerung, der bereits in den 1970er Jahren statuierte, Israel habe eigentlich gar keine Außen-, sondern nur eine Innenpolitik. Dennoch kamen alle irgendwie zu dem Schluss, dass man wegen der in Israel gegebenen Konstellation bereits seit mindestens vier Jahren nicht mehr von einer israelischen Außenpolitik sprechen kann. 

Es sei Netanjahus außenpolitische Strategie, die wegen des Deals einen Minuspunkt einheimst, wenngleich klar ist, dass die Annäherung mit vielen anderen Aspekten zusammenhängt, die nichts mit Israel zu tun haben. Alleine die chinesische Interessen und amerikanischen Vernachlässigungen, so meinten einige Kommentatoren, würden offenbaren, dass Israel aufgrund seines geringen Einflusses nicht mithalten kann; daran würden auch die hochtrabendsten Aspirationen jedweder Regierung des jüdischen Staates nichts ändern.

Nicht so heiß gegessen wie gekocht?

Nur wenige israelische Kommentatoren teilten die Ansicht ihres Kollegen Ehud Yaari, eines international anerkannten Nahost-Experten und Buchautor zum israelisch-arabischen Konflikt. Yaari hatte vor nicht allzu langer Zeit bezweifelt, dass die Saudis den Abraham-Abkommen schon bald beitreten werden. 

Nach der Meldung der saudisch-iranischen Annäherung meinte er, solch eine geplante Aufnahme diplomatischer Kontakte müsse nun wirklich nicht zu einem Drama hochstilisiert werden. Zu viele Themen, darunter ideologischer als auch theologischer Natur, würden die beiden Länder weiterhin Distanz zueinander halten lassen. Ein Abkommen sei eine Sache, dessen Implementierung eine ganz andere.

Außerdem gab Yaari zu bedenken: »Andere arabische Staaten haben bereits gezeigt, dass es möglich ist, Botschaften des Iran und Israels in derselben Hauptstadt zu haben.«. Eine gewisse Lockerung der Spannungen mit dem Iran »könnte es den Saudis künftig sogar leichter machen, auf uns zuzugehen«. Er wies auch darauf hin, dass die Saudis vermutlich keine großen Geschäfte mit dem Iran anfangen werden; ganz im Gegensatz zu den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Netanjahus Mega-Aufgabe

Mehrere Beobachter ergingen sich in der Ansicht, Netanjahu stehe nun erst recht vor einer Herausforderung. So zeichne die saudische Annäherung einen Pfad der Diplomatie gegenüber dem Iran im Allgemeinen wie in Sachen Atomprogramm im Besonderen vor; ein Ansatz, den Israel jedoch nach wie vor ausschlägt, der mit dem von China vermittelten Abkommen aber zweifellos an Momentum gewonnen hat.

Auch wurde darauf verwiesen, dass Israels Premier nun eine weitere neue Front hat, um die er sich wird kümmern müssen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die 2020 den Abraham-Abkommen beigetreten waren, gehörten nicht nur zu jenen Staaten des Nahen Ostens, welche die saudisch-iranische Annäherung explizit als Beitrag zur »regionalen Stabilität und Prosperität begrüßten, sondern bereits selbst seit einiger Zeit in Richtung Iran schielen, was in Teheran natürlich bestens ankommt.

Da dieser Golfstaat gerade in diesen Tagen vor vollkommen anderen Hintergrund auf Abstand zu Israel geht – es wachsen die Bedenken wegen Netanjahus rechtsnational-religiöser Koalitionspartner –, wird Netanjahu viele Register ziehen müssen, damit diese Beziehungen keinen Schaden nehmen. 

Israelische Kommentatoren wagten nicht ohne Grund bereits die Aussage: »Das ist ein totaler Kollaps an allen Fronten.« Die VAE froren nämlich bereits den Ankauf von israelischer Sicherheitsausrüstung ein, wie wenige Tage nach dem Riad-Teheran-Abkommen bekannt wurde, ohne dass bislang dazu Detailangaben öffentliche gemacht wurden Dazu hieß es, die VAE hätten das Geschäft solange auf Eis gelegt, bis »Netanjahu seine Regierung in den Griff bekommt«.

Und noch eine zusätzliche Front unter den Abraham-Partnern am Golf tut sich auf: Der Iran verlieh erst vor wenigen Tagen seiner Hoffnung Ausdruck, auch die Beziehungen zu Bahrain zu verbessern. Da der in Manama stationierte israelische Botschafter, Eitan Na’eh, fast zur selben Zeit meinte, es brauche noch viel Zeit, bis Israel ein annähernd so gutes Verhältnis zu Bahrain aufgebaut hat wie zu den VAE, ist klar: In nächster Zeit könnte es eher um die Wahrung als um die Erweiterung der Abraham-Abkommen gehen.

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