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Hamas: Strategische Richtungsänderung gegenüber Israel

Hamas präsentiert bei Militärparade gegen Israel gerichtete Raketen
Hamas präsentiert bei Militärparade gegen Israel gerichtete Raketen (Quelle: JNS)

Im Krieg der palästinensischen Terrorgruppen gegen Israel zeichnet sich eine neue Normalität ab, und zwar in Form von Reaktionen bewaffneter Gruppen aus dem Gazastreifen auf Ereignisse im Westjordanland.

Yaakov Lappin

Die bisherigen Reaktionen aus dem Gazastreifen zielen bewusst darauf ab, eine Botschaft zu senden, ohne dabei die von der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad als israelische rote Linien betrachteten Grenzen zu überschreiten, was zu umfassenderen israelischen Vergeltungsmaßnahmen in Gaza führen würde. Das jüngste Beispiel für diesen sich abzeichnenden Trend ereignete sich am Donnerstag, als Terroristen in Gaza eine Rakete abfeuerten, die knapp auf der israelischen Seite der Sicherheitsbarriere explodierte. Stunden später meldeten die israelischen Streitkräfte, ein an der Sicherheitsbarriere zwischen dem Gazastreifen und Israel angebrachter Sprengsatz sei in der Nähe von israelischen Soldaten explodiert. Daraufhin beschossen israelische Panzer einen Militärposten der Hamas im südlichen Gazastreifen.

Diese Ereignisse ereigneten sich nur wenige Stunden nach einer israelischen Antiterror-Operation in Dschenin, bei der der Hamas-Terrorist Abdel Fattah Hussein Kharousha sowie fünf weitere bewaffnete Palästinenser in einem Gefecht mit der israelischen Eliteeinheit zur Terrorismusbekämpfung getötet worden waren. Dieser Einheit stützte sich auf präzise Informationen des Shin Bet und führte ihren Einsatz gegen Kharousha bei Tageslicht aus. Zuvor hatte Kharousha die Brüder Menachem und Yagel Yaakov Yaniv erschossen, als sie am 26. Februar in der Nähe von Huwara in Samaria unterwegs waren.

More of the same oder Eskalation?

Wie eine israelische Verteidigungsquelle schätzt, könnte ein langer Zeitraum bevorstehen, in dem Terroristen Anschläge in der Westbank verüben, israelische Streitkräfte Gegenangriffe durchführen worauf Terrorgruppen aus dem Gazastreifen dann Angriffe starten, die wiederum begrenzte israelische Vergeltungsmaßnahmen nach sich ziehen. Dieses Szenario könnte sich jedoch schnell ändern, wenn aus dem »Nieselregen« der Geschosse ein Raketenhagel wird, der ein israelisches Wohnhaus trifft, oder die Hamas beschließen sollte, die Lage während des bevorstehenden Ramadan zu eskalieren. Bislang scheint sich die Hamas damit zufrieden zu geben, ihr Engagement vom Gazastreifen aus zu signalisieren, ohne jedoch weiter zu gehen.

Die Sicherheitsoperation in Dschenin war ein weiteres starkes israelisches Signal an die Terroristen, dass es für sie keinen sicheren Zufluchtsort und keine sichere Zeit (die Operation wurde am helllichten Tag gestartet) für sie gibt, sagte die Verteidigungsquelle gegenüber Jewish News Syndicate. Die israelischen Streitkräfte griffen das Haus, in dem sich die Terroristen verbarrikadiert hatten und sich zu ergeben weigerten, mit Schulterraketen und anderen Mitteln an und gerieten dabei unter Beschuss.

»Neben anderen Vorfällen wurden bewaffnete Verdächtige beobachtet, die von einem Krankenwagen aus das Feuer auf Soldaten eröffneten, während sie das Fahrzeug als Schutzschild benutzten«, so die IDF. »Außerdem wurden Sprengsätze und Steinblöcke auf die Truppen geworfen, und es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen in der Gegend. Die Behörden reagierten mit Maßnahmen zur Auflösung der Unruhen und mit scharfer Munition. Ein Treffer wurde registriert und während der Aktion stürzten zwei Drohnen ab; Vorfälle, die derzeit untersucht werden. Kharousha erhielt Unterstützung von der Hamas im Westjordanland, die ihm half, sich zu verstecken.

Während der Operation schickte der Shin Bet nach eigenen Angaben zahlreiche Nachrichten an die Einwohner von Dschenin, in denen er sie aufforderte, ihre Kinder nicht auf die Straße zu lassen, um zu verhindern, dass palästinensische Jugendliche bei Feuergefechten Steine auf die israelischen Streitkräfte schleudern bzw. in die Kampfhandlungen verwickelt und dabei getroffen werden.

Die Tatsache, dass es sich bei allen sechs palästinensischen Opfern der Razzia um bewaffnete Kämpfer handelte, scheint zu zeigen, dass diese Bemühungen erfolgreich waren. Anschließend stritten sich palästinensische Terrorgruppen um die Zugehörigkeit von fünf der Bewaffneten, um so zu zeigen, wer in Dschenin, einer Stadt, die zu einem Niemandsland geworden ist und über die die Palästinensische Autonomiebehörde keine Souveränität mehr hat, am stärksten ist. In Nablus nahmen IDF-Soldaten unterdessen zwei von Kharoushas Söhnen fest, die verdächtigt werden, an dem Terroranschlag beteiligt gewesen zu sein.

Verstoß gegen informelle Vereinbarung 

Die Ereignisse rund um diesen Anti-Terroreinsatz scheinen einem ähnlichen Muster zu folgen wie die Ereignisse vom 23. und 24. Februar, als elf Palästinenser bei einem Feuergefecht getötet wurden, das ausbrach, als israelische Streitkräfte eine Antiterror-Razzia in Nablus starteten. Stunden später feuerten Terroristen im Gazastreifen sechs Raketen auf Aschkelon und Sderot ab, woraufhin die israelische Luftwaffe eine Waffenproduktionsstätte der Hamas im Zentrum des Gazastreifens beschoss, was das Ende dieser Eskalationsrunde bedeutete.

»Ein neuer Mechanismus wurde von der Hamas und dem Palästinensischem Islamischen Dschihad eingeführt, um der Hamas in Übereinstimmung mit ihrer Strategie eine flexible Reihe von Optionen für kontrollierte Eskalationen zu geben«, konstatierte Eitan Dangot, Israels ehemaliger Koordinator für Regierungsaktivitäten in den Gebieten (COGAT) und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Miryam-Institut, gegenüber Jewish News Syndicate.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei klar, dass die Hamas keine große Eskalation wolle, die den Gazastreifen in einen neuen Konflikt mit Israel hineinziehen würde. Sehr wohl wolle sie jedoch »das Narrativ stärken«, das sie im Mai 2021 schuf, als sie Raketen auf Jerusalem und Aschdod abfeuerte und sich als »Verteidiger« der Al-Aqsa-Moschee und der palästinensischen Interessen in Judäa und Samaria etablierte und damit einen Konflikt mit Israel auslöste. Dangot zufolge hält die Hamas vorerst an ihrer Strategie fest, Terroranschläge auf Juden im Wetsjordanland zu verüben und daran zu arbeiten, die Herrschaft des 87-jährigen Führers der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas zu schwächen, »während sie den Gazastreifen vor einer unkontrollierbaren Eskalation bewahrt«.

»Wir sehen diesen Mechanismus bei jedem Zwischenfall in Nordsamaria. Indem sie Geschosse aus dem Gazastreifen abfeuert, verschafft sich die Hamas Legitimität [auf der palästinensischen Straße] und verstößt gegen ein informelles Abkommen mit Israel, das Ruhe im Tausch für Ruhe vorsieht«, erklärte er. Dieses Muster hat sich in den letzten Monaten mehrmals wiederholt, während die Hamas zugleich die Vorteile der humanitär-wirtschaftlichen Vereinbarungen genoss, die täglich etwa 17.000 Arbeitern aus dem Gazastreifen die Einreise nach Israel gestatten und »vernünftige Beziehungen zu Ägypten« aufrechterhalten.

»Das ermöglicht es der Hamas, auf Errungenschaften zu verweisen, und sie kann zugleich eskalieren, wenn sie meint, dies während des Ramadans tun zu müssen. Im Gegensatz dazu ist die Palästinensische Autonomiebehörde völlig abhängig von einem Rahmen, der Israel einbezieht, und von vertrauensbildenden Maßnahmen. In der Zwischenzeit setzen die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Kampagne der Massenaufwiegelung fort, die zu dem Terrorismus geführt hat, den wir im vergangenen Jahr erlebt haben«, warnte Dangot.

Israel seinerseits ist daran interessiert, die beiden palästinensischen Teilgebiete Gaza und das Westjordanland getrennt zu halten.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News SyndicateÜbersetzung von Alexander Gruber.)

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