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Erdogan kondolieren, wenn in Deutschland Kurden ermordet werden?

Einer der Tatorte in Hanau, an dem u.a. Kurden ermordet wurden. (imago images/Patrick Scheiber)
Einer der Tatorte in Hanau, an dem u.a. Kurden ermordet wurden. (imago images/Patrick Scheiber)

In der Türkei werden Kurden unterdrückt, und das nicht erst seit der Ära Erdogan. Sie ist die falsche Adresse für Beileidsbekundungen für die Toten von Hanau.

Elke Dangeleit, Telepolis

Ferhat Ünvar (22) ist einer der vier ermordeten Kurden. Er war wie auch der Kurde Gökhan Gültekin (37) und zwei weitere Ermordete Mitglied im Hanauer kurdischen Gesellschaftszentrum, in dem sich die demokratischen, oppositionellen Kurden treffen. Ferhat Ünvar wurde in Deutschland geboren und hat die Türkei nie besucht. Serpil Temiz, die Mutter von Ferhat Ünvar ist Mitarbeiterin der oppositionellen türkisch-kurdischen Tageszeitung Yeni Özgür Politika.

Die Angehörigen der Ermordeten treffen sich zum Gedenken und zum Trauern im kurdischen Zentrum, wo sich viele Familien zusammenfinden, die vor der Repressionspolitik der verschiedenen türkischen Regierungen geflohen sind. In den Medien kommen jedoch Vertreter der konservativen Türkischen Gemeinde (TGD) zu Wort oder werden konsultiert – einer Gemeinde, in der die betroffenen Familien nicht zu Hause sind und eher geächtet werden.

Innenminister Seehofer traf sich anlässlich des Anschlags am Freitag mit Vertretern der Türkischen Gemeinde anstatt mit dem kurdischen Gesellschaftszentrum. Also einer der AKP nahestehenden Organisation, die nach wie vor die Existenz der kurdischen Bevölkerung am liebsten unter den Teppich kehren möchte – vor allem, wenn sie nicht auf AKP-Linie ist. (…)

Bekennende Kurden in Deutschland sind zweierlei rassistischen Bedrohungen ausgesetzt: die der deutschen Rechtsextremisten mit faschistischer Gesinnung, die ganz allgemein gegen Migranten zunehmend militant vorgehen, und der Bedrohung der türkischen islamistisch-nationalistischen Organisationen wie die „Grauen Wölfe“, „Milli Görüs“ oder den hiesigen AKP-Organisationen.

Was müssen die Angehörigen fühlen, wenn Angela Merkel ausgerechnet dem Despoten Erdogan ihre Anteilnahme ausspricht, der die Kurden im eigenen Land und in Nordsyrien verfolgen und ermorden lässt und der zum Teil der Grund für ihre Migration nach Deutschland war?

Viele oppositionelle kurdische Familien sind schon in den 1980er und 1990er Jahren nach Deutschland geflohen, um ihre Kinder in Sicherheit aufziehen zu können. Eigentlich hätte in Bezug auf die ermordeten Kurden die Kanzlerin eine Anteilnahme dieser Art nach Ankara schicken müssen: „Ich bedauere, dass wir die Sicherheit der vor Ihrer Regierung geflüchteten Kurden wegen unserer gewaltbereiten deutschen Rassisten nicht gewährleisten konnten…“ (…)

Auch der Versuch, die Opfer in die islamische Ecke zu stellen und die große, besondere Gefahr für Muslime in Deutschland heraufzubeschwören, ist eine Instrumentalisierung dieses Massakers.

In den Medien werden konservative türkische Verbände, Vertreter des verlängerten Armes der türkischen Religionsbehörde Diyanet in den Fokus gerückt, während die oppositionellen kurdischen Organisationen hierzulande kriminalisiert werden. Viele Menschen mit türkischen, kurdischen oder arabischen Wurzeln haben mit dem politischen Islam, der in den Moscheen in Deutschland gepredigt wird, nichts am Hut.

Attentate in Hanau: Fehlende Kultursensibilität bei Medien und Politikern

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