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Erdogan hebt Autonomie der türkischen Staatstheater auf

Erdogan hebt Autonomie der türkischen Staatstheater auf
Büro der türkischen Staatstheater

„Seit fast 70 Jahren hat das staatliche geförderte Theater die berühmtesten Schauspieler und Schauspielerinnen des Landes ausgebildet und der Öffentlichkeit bezahlbare Theater-, Tanz- und Opernvorstellungen geboten. Wenn Politiker in der Vergangenheit versuchten, sich in die Produktionen des Türkischen Staatstheaters einzumischen, um sich über bestimmte Szenen zu beschweren oder zu fordern, dass bestimmte Schriftsteller nicht berücksichtigt werden sollten, konnte die Institution sich wehren und war gegen die Eingriffe rechtlich geschützt. Doch nun erklären Darsteller und ehemalige Direktoren des Theaters, sie fürchteten, zwei diesen Monat, nur Wochen nach der Wiederwahl Präsident Recep Tayyip Erdogans und der Einführung des neuen Präsidialsystems veröffentliche Erlasse des Präsidenten könnten das ändern.

Der erste, am 9. Juli veröffentlichte Erlass hob das Gesetz von 1949 auf, dass die Entscheidungsfreiheit der Staatstheater mit Blick auf ihren Haushalt, die Stückeauswahl und die Eröffnung neuer Theater gewährleistete. Mit dem zweiten Erlass vom 15. Juli wurden neue Regelungen eingeführt, die denen von 1949 relativ ähnlich sind, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Die Staatstheater sind keine autonome Institutionen mehr, sondern unterstehen nun dem Kultur- und Tourismusministerium. Wie die Erlasse sich auswirken werden, lässt sich noch nicht absehen. Die Staatstheater haben Berichte dementiert, denen zufolge die Regierung beabsichtige, sie zu schließen. Die Regierung hat sich zu dem Thema nicht öffentlich geäußert und die gegenwärtigen Beschäftigten der Staatstheater ist es untersagt, sich den Medien gegenüber zu äußern.

Allerdings ist die türkische Künstlerszene besorgt. Lemi Bilgin, Generaldirektor der Staatstheater von 1998 bis 2013, erklärte Middle East Eye gegenüber: ‚Es gab immer Einmischungsversuche von Politikern, doch konnten wir „nein“ sagen. Schließlich versuchten sie immer häufiger, uns zu unterjochen, und erkannten, dass wir rechtlich geschützt waren. Die entscheidende Frage war, ob sie uns würden kontrollieren können. Nun können sie es.‘ Die Sorge ist nun, dass es keine rechtliche Handhabe mehr gibt, um sich gegen [politische Einmischungsversuche] zu wehren. ‚Wir hatten uns mehr Autonomie erhofft, doch nun geht es stattdessen rückwärts‘, erklärte [die Schauspielerin, Regisseurin und ehemalige Generalsekretärin der Staatstheater Aysenil Samlioglu]. ‚Als eine dem Ministerium unterstellte Institution und als Beamte müssen wir nun Anweisungen befolgen. Noch wissen wir nicht, wie diese Anweisungen aussehen werden.‘“ (Ece Goksedef: „New drama: Turkey’s state theatre freedoms curbed under presidential system“)

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