Schon kurz bevor die Wahlkommission die Neuwahlen verkündete, ließ Erdogan erstmals seit acht Jahren zu, dass Kurdenführer Öcalan Besuch von seinen Anwälten bekam. Öcalan sitzt seit 1999 in einem Hochsicherheitstrakt auf der Gefängnisinsel Imrali ein. Schon der einmalige Bruch seiner jahrelangen Totalisolation war eine kleine Sensation. Doch Erdogan setzte noch eines drauf. Er ließ das Besuchsverbot wenig später ganz fallen. (…) Zugleich verkündete Erdogans AKP nun, vor allem in den Bezirken Istanbuls für ihren Kandidaten zu werben, in denen besonders viele Kurden leben. Prompt wurde gemunkelt, dass dies der Beginn eines neuen Friedensprozesses sein könnte. (…)
Erdogans Versuch, die Kurden kurzfristig auf seine Seite zu ziehen, wirkt auch angesichts der jüngsten türkischen Geschichte verzweifelt. Nachdem Erdogan 2015 die Friedensverhandlungen für beendet erklärte, ließ er ganze Städte im Südosten der Türkei zu Trümmerfeldern zusammenschießen. Er ließ etliche prominente Vertreter der legalen Kurdenpartei HDP einsperren, setzte Journalisten und Künstler unter Druck. Diese vier düsteren Jahre geraten nicht in vier Wochen Wahlkampf und durch ein paar Anwaltsbesuche in Vergessenheit.“ (Issio Ehrich: „Erdogan schmeichelt plötzlich den Kurden“)