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Ent-Hamasisierung der palästinensischen Bevölkerung dringend gefordert

Der israelische Schriftsteller und Dramatiker Joshua Sobol fordert Ent-Hamasisierung der palästinensischen Gesellschaft
Der israelische Schriftsteller und Dramatiker Joshua Sobol fordert Ent-Hamasisierung der palästinensischen Gesellschaft (Imago Images / IMAGO / Elmar Gubisch)

Das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober verübte, war eine praktische Umsetzung ihrer Charta und hat nichts mit den Lebensbedingungen der letzten sechzehn Jahre zu tun, seit denen der Gazastreifen unter der totalitären Herrschaft der Hamas steht.

Joshua Sobol

Ich war bis in die Tiefen meiner Seele erschüttert, als ich den Auftakt des grausamen Massakers sah, das mit den Verbrechen der Hamas-Banden begann und von Massen an jubelnden Randalierern und Plünderern fortgesetzt wurde, die sie begleiteten und ihnen folgten, um die Mordorgie, das Abschlachten von Babys, die Vergewaltigung von Frauen, die Enthauptungen und die grausame Misshandlung von Leichen zu vollenden. Der nackte Körper einer jungen Frau, die vergewaltigt und ermordet worden war, wurde nach Gaza gebracht und wie ein Tierkadaver weggeworfen, zur Erregung der Menschenmenge, die sich um sie versammelte und aus der heraus viele sie anspuckten.

Der Jubel der randalierenden Menge in Gaza, die das Massaker feierte, warf die Frage auf, die Martin Buber nach der Kristallnacht aufgeworfen hatte: Gibt es eine öffentliche Schuld, und wenn ja, wie drückt sie sich aus?

Seit den Schrecken des 7. Oktobers hat diese kritische und beunruhigende Frage nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. Die Antwort darauf lautet: Wenn sich eine Gesellschaft oder eine Nation mit einer Ideologie identifiziert, die zum Völkermord aufruft und wenn diese Gesellschaft einen Völkermord feiert, dann trägt sie eine Kollektivschuld, so wie eine Person, die einen Profikiller anheuert und die Ausführung des Mordes mit ihm feiert, dieselbe Schuld für den Mord trägt wie der Mörder, der das Verbrechen begangen hat.

Die verbrecherischen Ereignisse am »Schwarzen Schabbat« haben mich veranlasst, die Charta der Hamas erneut zu lesen. Im ursprünglichen Dokument, bevor es 2017 mit der Prinzipienerklärung einer kosmetischen Behandlung unterzogen wurde, steckt das infizierte Gen, das beim Simchat-Torah-Pogrom wie eine Epidemie ausbrach.

Dabei handelt es sich um Artikel 7 der Charta, in dem der Hass auf die Juden unter anderem dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass die Worte des Hadith über den Krieg der Muslime gegen die Juden am Tag des Jüngsten Gerichts zitiert werden. Dort heißt es, dass während dieses Kriegs »die Steine und die Bäume sagen werden: Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!‹«

Die Hamas-Charta belegt auch jeden Versuch einer Einigung und Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts mit großer Geringschätzung und behauptet, der einzige Weg sei die Anwendung von Gewalt: »Wie die Geschichte unzweifelhaft belegt, ist dies der einzige Weg, Palästina zu befreien. Dies ist eines der Gesetze des Universums und eine der Regeln des Seins. Nichts kann Eisen zerbrechen außer Eisen« (Artikel 34). »Es gibt keine Lösung für das palästinensische Problem außer durch den Dschihad. Was die internationalen Initiativen, Vorschläge und Konferenzen angeht, so sind sie eine Verschwendung von Kraft und Zeit« (Artikel 13).

Was not tut

Kurz gesagt: Das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober verübte, war eine praktische Umsetzung ihrer Charta. Es hat nichts mit den Lebensbedingungen in Gaza in den letzten sechzehn Jahren zu tun, in denen der Gazastreifen unter der totalitären Herrschaft der Hamas stand, die Milliarden von Dollar für die Vorbereitung jenes apokalyptischen Kriegs ausgegeben hat, wie er in der Charta beschrieben wird, die zum Völkermord am jüdischen Volk und zur Zerstörung des Staates Israel aufruft.

Auf Ihre Ihnen jetzt vielleicht auf der Zunge liegenden Frage werde ich ohne zu zögern antworten: Die Charta der Hamas und ihre Umsetzung durch die Vertreter dieser kriminellen Organisation mit ihrer verbrecherischen Ideologie hat meine Auffassung über die Zukunft der Beziehungen zum palästinensischen Volk nicht verändert. Für mich ist klar, dass die Lösung des Konflikts die Anerkennung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Unabhängigkeit und auf die Errichtung eines palästinensischen Staates erfordert, der den Frieden aufrechterhält und in Frieden mit dem Staat Israel lebt.

Aber das entsetzliche Ereignis der teilweisen Umsetzung der Hamas-Charta und die schockierende Schadenfreude, die von Massen von Palästinensern zum Ausdruck gebracht wird, erfordert einen Prozess der Ent-Hamasisierung der palästinensischen Bevölkerung, so wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einen Prozess der Entnazifizierung durchlaufen hat.

Die Solidarität mit der palästinensischen Notlage und der Kampf für die Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates muss nach dem Massaker vom 7. Oktober durch die Reinigung des palästinensischen ideologischen Raums von der abscheulichen Hamas-Charta erfolgen, die zum Völkermord aufruft, indem sie sich auf einen der berüchtigtsten Hadithe stützt, die nach dem Koran die zweitwichtigste Grundlage des halachischen islamischen Rechts darstellen, so wie der israelische ideologische Raum von der Ablehnung der Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen souveränen Staat gereinigt werden muss.

Dies ist meine Schlussfolgerung aus den Ereignissen des schrecklichen Schabbats. Ich lobe und schätze den Transport palästinensischer Patienten aus dem Westjordanland in israelische Krankenhäuser sehr. Meine Tochter Neta transportiert seit Jahren Mitglieder palästinensischer Familien mit chronischen Krankheiten aus Tulkarm zur Behandlung ins Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv. Auch mein Freund Oded Lifshitz, der aus dem zerstörten Kibbuz Nir-Oz entführt wurde, hat früher Kranke aus dem Gazastreifen zur medizinischen Behandlung in israelische Krankenhäuser gebracht. Jetzt wird er von der Hamas als Geisel gehalten.

Joshua Sobol ist ein international anerkannter und vielfach ausgezeichneter israelischer Dramatiker und Schriftsteller. In Welterfolgen wie »Ghetto«, »Weiningers Nacht« oder »iWitness« hat er sich kritisch mit Themen wie jüdischem Selbsthass, der Auseinandersetzung zwischen Linken und Rechten im Ghetto in Vilnius während des Zweiten Weltkriegs oder der Geschichte des Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter auseinandergesetzt. Gemeinsam mit Paulus Manker gestaltete er das Polydrama »Alma – Show Biz ans Ende« über die Künstlermuse Alma Mahler-Werfel. Joshua Sobol ist außerdem einer der bekanntesten Kritiker der israelischen Palästinenser-Politik unter Benjamin Netanjahu und engagierter Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung.

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