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Israels Armeechef an Biden: Notfalls wird Israel allein gegen Iran vorgehen

Die Rede von Generalleutnant Aviv Kochavi richtete sich sowohl an Washington als auch an Teheran – aber auch an Jerusalem, denn die Israel Defense Forces brauchen eine massive Budgeterhöhung für ihre Pläne.

Yoav Limor

Die Rede vom Stabschef der Israel Defense Forces (IDF) Generalleutnant Aviv Kochavi auf der jährlichen Konferenz des Institute for National Security Studies am Dienstag wurde zwar auf Hebräisch gehalten, richtete sich aber auch an ein sowohl englisch- als auch farsi-sprachiges Publikum.

In seiner Rede präsentierte Kochavi einen neuen und kompromisslosen Ansatz: Nein zu einem Atomabkommen mit dem Iran – weder in der ursprünglichen noch in einer verbesserten Form. Ja zu Notfallplänen, die es Israel – falls nötig – erlauben würden, anzugreifen.

Diese beiden Botschaften sollten von Washington bis Teheran, von der Biden-Regierung bis zum Büro von Ayatollah Ali Khamenei vernehmbar sein. Der Stabschef wollte beiden Seiten klar machen, dass Israel sich weiterhin dem Marsch des Iran in Richtung Atomwaffen in jeglicher Form widersetzen wird. Israel, so die Botschaft, wäre froh, die Amerikaner an seiner Seite zu haben, ist aber notfalls auch bereit, allein zu handeln und arbeite sogar an Plänen für ein Angriffsszenario.

Auf einer Linie mit Premier

Kochavi liegt damit auf einer Linie mit Premierminister Benjamin Netanjahu, der eine ähnliche Haltung gegenüber dem Iran vertritt.

Joe Biden und hochrangige Mitglieder seiner Administration erinnern sich sicherlich an die Meinungsverschiedenheiten zwischen Netanjahu und Israels Sicherheitsführung (dem damaligen IDF-Stabschef Gabi Ashkenazi und Mossad-Chef Meir Dagan) vor einem Jahrzehnt bezüglich der Möglichkeit eines Angriffs Israels auf die iranischen Atomanlagen. Jetzt sehen sie sich einer geeinten Phalanx gegenüber, zu der zumindest nach außen hin nicht nur Kochavi, sondern auch Mossad-Direktor Yossi Cohen gehört.

Wir können davon ausgehen, dass Kochavi sehr sorgfältig nachgedacht hat, bevor er sich selbst – und damit die IDF – auf einen scheinbar unvermeidlichen Konflikt zwischen Jerusalem und Washington über die iranische Frage einlässt. Wir sollten hoffen, dass seine Äußerungen keinen Schatten auf die Beziehungen zur obersten Eben des amerikanischen Verteidigungsstabs werfen, die auch in Zeiten diplomatischer Auseinandersetzungen immer gepflegt wurden.

Es gibt eine Reihe von israelischen Verteidigungsexperten, die der Meinung sind, dass es besser gewesen wäre, wenn Kochavi das, was er den Amerikanern gesagt hat, hinter verschlossenen Türen gesagt hätte, um einen Konflikt zu vermeiden, besonders zu einem so sensiblen Zeitpunkt.

Diese Meinung vertreten unter anderem Verteidigungsminister Benny Gantz und Außenminister Gabi Ashkenazi sowie viele hochrangige IDF-Offiziere, die der Meinung sind, Israel sollte diskrete Gespräche mit der neuen US-Regierung führen, um zu versuchen, Einfluss auf künftige Vereinbarungen mit dem Iran zu nehmen.

Frage der Taktik

Israel würde es vorziehen, dass die Vereinigten Staaten nicht zum Atomabkommen mit dem Iran zurückkehren, sondern stattdessen die Politik des „maximalen Drucks“ der Trump-Administration beibehalten würden, obwohl sich die Hoffnungen, dass das iranische Regime darunter zusammenbrechen würde, sich nicht bewahrheitet haben und der Iran im vergangenen Jahr sein Atomprogramm intensiviert hat.

Im Zuge dessen hat der Iran fortschrittliche Zentrifugen in seinen Atomanlagen in Natanz und Fordo installiert, eine große Menge an niedrig angereichertem Uran angehäuft und sogar begonnen, Uran auf 20 Prozent anzureichern.

US-Präsident Joe Biden und hochrangige Mitglieder seiner Regierung haben mehrmals deutlich gemacht, dass sie beabsichtigen, zum Atomabkommen von 2015 zurückzukehren, während sie gleichzeitig anerkennen, wie gefährlich der Iran ist und versprechen, ihm nicht zu erlauben, eine Atombombe zu entwickeln.

Die aktuelle Uneinigkeit auf israelischer Seite betrifft die Einschätzung der besten Herangehensweise an die neue US-Administration, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass eine konfrontative Herangehensweise nicht die richtige Taktik sein dürfte, besonders wenn die neue Administration sich hauptsächlich auf innenpolitische Themen konzentriert.

Budgeterhöhung in Zeiten der Krise

Jedoch waren Kochavis Ausführungen auch für ein israelisches Publikum gedacht. Die Herausforderung durch den Iran, die er darstellte – und die operativen Pläne, die sie erfordert – kosten Geld. Eine Menge Geld. Die Vorbereitung darauf, der iranische Bedrohung entgegenzutreten, ist der Grund für die Forderung der IDF nach einer milliardenschweren Budgeterhöhung, die hauptsächlich in Rüstung, Geheimdienst und Training fließen würden.

Netanyahu und Gantz unterstützen den Antrag, sodass es wahrscheinlich ist, dass er angenommen wird, aber in einer Zeit wirtschaftlicher Not und weiterer ökonomischer Turbulenzen, die sich bereits abzeichnen, haben sie die Pflicht, sicherzustellen, dass die IDF das Geld für den beabsichtigten Zweck verwendet und verschwenderische Ausgaben vermeidet – eine Aufgabe, in der sich die IDF nicht immer ausgezeichnet hat.

Yoav Limor ist ein israelischer Journalist und Kolumnist für Israel Hayom. Der Artikel „IDF chief’s message to Biden: If necessary, Israel will act aloneist zuerst beim Jewish News Syndicate erschienen. Übersetzung von Alexander Gruber.

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