BDS attackiert New Yorker Bürgermeisterkandidaten Andrew Yang

Andrew Yang wird vom demokratischen Abgeordneten Richie Torres unterstützt
Andrew Yang wird vom demokratischen Abgeordneten Richie Torres (re.) unterstützt (© Imago Images / Pacific Press Agency)

Weil Yang öffentlich auf die antisemitischen Motive und Ziele der Israelboykottbewegung hinwies, inszeniert sich diese mal wieder als verfolgte Unschuld.

Dass die Vertreter der BDS-Kampagne, die den Staat Israel durch einen Boykott von Waren und Menschen zerstören wollen, höchst allergisch auf jegliche Kritik reagieren, ist seit langer Zeit bekannt. Seit einigen Tagen toben sie gegen den New Yorker Bürgermeisterkandidaten Andrew Yang, weil der in einem Zeitungsbeitrag auf die antisemitischen Motive der Kampagne hingewiesen hatte.

Der 46-jährige Rechtsanwalt und Unternehmer Yang, Sohn taiwanesischer Einwanderer, wurde einer breiteren amerikanischen Öffentlichkeit 2019 durch seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten bekannt. Die politische Position, mit der er vor allem in Verbindung gebracht wurde, war die Forderung nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Zudem sprach er sich im parteiinternen Wahlkampf für eine neue Steuer für Internetkonzerne wie Google aus.

Vorbild Lower East Side

Zwar stieg Yang schon sehr früh aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur aus – gleich nach der ersten Vorwahl in Iowa im Februar 2020, bei der er nur ein Prozent der Stimmen erhalten hatte und auf Rang fünf gelandet war, zwei Plätze hinter Joe Biden.

Weil Yang seine Fans aber vor allem bei internetaffinen Jugendlichen in Großstädten hat und im Internet eine Berühmtheit ist (1,9 Millionen Follower auf Twitter), könnte seiner Kandidatur diesmal vielleicht größerer Erfolg beschieden sein.

Letzte Woche wandte sich Yang mit einem Gastbeitrag im traditionsreichen jüdisch-amerikanischen Forward an New Yorks jüdische Gemeinde. Der Forward wurde 1897 von Abraham Cahan als jiddische sozialistische Tageszeitung Forverts gegründet; heutzutage erscheint er als Wochenzeitung in zwei Versionen – Englisch und Jiddisch – und gilt als die wichtigste linksliberale Publikation des amerikanischen Judentums.

Yang beginnt seinen Beitrag mit der Erzählung, wie er kürzlich mit seiner Frau New Yorks Lower East Side besucht habe, wie er das so häufig in jenen 25 Jahren getan habe, die er nun schon Bewohner der Stadt New York sei.

Er habe sich dort mit Geschäftsleuten und deren Kunden getroffen und dabei daran gedacht, wie jüdische Einwanderer das Viertel geprägt hätten: Juden, die „große Hindernisse“ zu überwinden gehabt hätten, um vor der Verfolgung in Europa – „auch, aber nicht nur, vor dem Holocaust“, so Yang – zu fliehen.

Diese Geschichte sei für ihn von großer Bedeutung. Seine Eltern seien aus Taiwan eingewandert, wo sein Vater auf einer Erdnussfarm „mit schmutzigen Fußböden“ aufgewachsen sei.

„Ich bin so stolz, dass sie es hier geschafft haben und dass ich Chancen hatte, die meine Eltern einst für ihre Kinder für unmöglich hielten. Amerikanische Juden haben Familien wie meiner die Möglichkeiten gezeigt, die es hier gibt.“

Darum solle die jüdische Gemeinde New Yorks wissen, so Yang, dass sie in ihm als Bürgermeister einen „verlässlichen Partner“ habe. Antisemitische Angriffe machten in New York 58 Prozent aller angezeigten Hassverbrechen aus, schreibt er. Er wolle, dass die Polizei vor allem dagegen und gegen Schusswaffenkriminalität vorgehe. Dann kommt er auf die Boykottpropaganda zu sprechen:

„Eine Yang-Regierung wird sich gegen die BDS-Bewegung wehren, die allein Israel auf unfaire Weise wirtschaftlich bestrafen will. BDS wurzelt nicht nur im antisemitischen Denken und in einer Geschichte, die auf faschistische Boykotte jüdischer Unternehmen zurückgeht, sondern ist auch ein direkter Angriff auf New Yorks Wirtschaft.

Starke Beziehungen zu Israel sind für eine globale Stadt wie unsere unerlässlich, in der die größte jüdische Population der Welt außerhalb Israels lebt. Unsere Wirtschaft tut sich derzeit schwer, und wir sollten nach Wegen suchen, kleine Unternehmen zurückzubringen, nicht den Handel zu stoppen.”

Aufschrei der Boykotteure

Der Aufschrei der Verfolger, die stets so tun, als wären sie die Verfolgten, ließ nicht lange auf sich warten. Auf Twitter entwickelte sich eine Diskussion. Es begann damit, dass der ehemalige CNN-Kommentator Marc Lamont Hill Andrew Yang vorwarf, die „BDS“-Kampagne zu „verunglimpfen“ und ihre Ziele „völlig falsch darzustellen“. Das sei „inakzeptabel“.

Hill ist ein Freund des rechtsextremen und antisemitischen Chefs der Nation of Islam, Louis Farrakhan („Hitler war ein sehr großartiger Mann“), den er seinen „Bruder“ nennt. 2018 wurde Hill von CNN gefeuert, nachdem er bei einer Veranstaltung im New Yorker UNO-Gebäude seinem Wunsch nach der Zerstörung Israels Ausdruck verliehen hatte, indem er sagte, es müsse alles getan werden, „damit Palästina vom Fluss bis zum Meer frei wird“.

Die Formulierung wird oft von der Hamas und anderen benutzt, die den Staat Israel vernichten wollen. Damit sagen sie aus, dass sie das gesamte ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina für einen arabischen Staat „Palästina“ beanspruchen und es nirgendwo zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer Platz für einen jüdischen Staat geben soll. Das ist auch die immer wieder geäußerte Position von BDS-Führer Omar Barghouti.

Als ein Twitter-Nutzer Hill darauf aufmerksam machte, dass BDS „israelische Wissenschaftler und Künstler zum Schweigen bringen“ wolle (er bezog sich auf den BDS- Aufruf zum akademischen und kulturellen Boykott gegen jüdische Israelis) behauptete Hill frech, das stimme gar nicht:

„Dies ist eine völlige Falschdarstellung, wie schon die oberflächlichste Lektüre von BDS-Statements und allem, was die Bewegung geschrieben hat, zeigt.“

Offenbar vertraute Hill auf die Naivität seiner Leser, die die Lüge nicht bemerken werden. Weiter behauptete er:

„BDS ist eine Bewegung, die Rassismus und Unterdrückung in allen Formen und überall anprangert und bekämpft. Als Bewegung, die aus der palästinensischen Zivilgesellschaft hervorgeht, ist ihre Priorität der gewaltfreie Protest gegen die Bedingungen in Israel und Palästina.“

Zerstörung Israels als Ziel

Wie jeder wissen kann, der die Stellungnahmen der BDS-Führer kennt, geht es BDS um die „Rückkehr der Flüchtlinge“ – also der Kinder, Enkel, Urenkel und Ururenkel der Flüchtlinge des Krieges von 1948 – und damit einhergehend um die Zerstörung Israels. BDS-Führer Omar Barghouti (der in Tel Aviv Philosophie studiert hat) sagt:

„Ich bin komplett und kategorisch gegen Binationalismus, weil er davon ausgeht, dass es gleiche moralische Rechte auf das Land gäbe und wir darum beide nationalen Rechte miteinander versöhnen müssten. Ich bin komplett dagegen.“

Er sagt auch:

„Definitiv widersetzen wir uns einem jüdischen Staat in irgendeinem Teil von Palästina. Kein Palästinenser – ein rationaler Palästinenser, nicht ein Palästinenser, der sich verkauft hat – wird jemals einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren.“

Man könne „das Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge nicht mit einer Zwei-Staaten-Lösung vereinbaren“, so Barghouti: „Eine Rückkehr der Flüchtlinge würde Israels Existenz als jüdischer Staat beenden.“ Wenn die „Flüchtlinge zurückkehren“, sagt Barghouti, „dann hat man keine Zwei-Staaten-Lösung. Dann gibt es Palästina neben Palästina.“

In seinen Vorträgen bezeichnet Bargouti alle jüdischen Israelis als „Unterdrücker“. Zwischen „Unterdrückern“ und „Unterdrückten“ könne es keinen Frieden und keine Koexistenz geben, solange der Staat Israel, der für ihn ein Instrument der „Unterdrückung“ ist, fortbesteht.

Die Zerstörung Israels, die Barghouti als „Dezionisierung“ bezeichnet, werde Platz schaffen für einen Staat, der zum größten Teil aus Arabern bestehe: „69 Prozent der Palästinenser“ seien „Flüchtlinge“ und müssten „heimkehren“, so Barghouti. Als Vorbild für „Dekolonialisierung“ nennt Barghouti Algerien. Das ist bezeichnend: Nach der Unabhängigkeit Algeriens 1963 wurde die algerische Staatsbürgerschaft nur den Kindern muslimischer Eltern gegeben, alle anderen wurden vertrieben, auch 130.000 algerische Juden.

Dass seiner Meinung nach die „Unterdrücker“ – also die jüdischen Israelis – im neuen Staat „Palästina“ leben dürften, nennt Barghouti ein „edelmütiges Angebot“. „Mehr“ könne „niemand verlangen“.

Die Democratic Majority for Israel (DMFI), eine pro-israelische Gruppe in der Demokratischen Partei, reagierte auf Hills Äußerungen mit einem eigenen Tweet:

„Amerikas BDS-Unterstützer sind entweder unwissend über die Positionen der Bewegung oder stellen sie absichtlich falsch dar. BDS ist antisemitisch. Es richtet sich gegen Israels Existenz in welchen Grenzen auch immer. Menschen haben in diesem Land das Recht, antisemitische Ansichten zu äußern, aber sie haben kein Recht darauf, der Titulierung [als Antisemiten; S.F.] zu entgehen.“

Heftige Auseinandersetzungen

Heute spielt sich der Kampf zwischen BDS-Anhängern und -Gegnern fast nur noch im Internet ab. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts aber hatte die Auseinandersetzung um die antiisraelische Boykottkampagne in New York hohe Wellen geschlagen.

BDS-Agitatoren hatten ab 2012 die Park Slope Food Co-Op ins Visier genommen, eine traditionsreiche Einkaufsgenossenschaft im Stadtteil Brooklyn mit 16.300 Mitgliedern. Ermutigt worden waren sie dadurch, dass sie bei einer anderen Genossenschaft, der Olympia Food Co-Op in Washington, kurz zuvor Erfolg gehabt hatten. Dort wurde 2011 ein Boykott israelischer Waren beschlossen.

Nun forderten die Boykotteure, dass auch die Einkaufsgenossenschaft Park Slope in Brooklyn alle israelischen Marken aus dem Sortiment entfernen solle. Das waren damals fünf: Bio-Paprika, Dips und Pesto, der Sodastream-Sprudler sowie koschere Marshmallows.

Im März 2012 kam es zum Showdown. Bei einer Mitgliederversammlung wurde darüber abgestimmt, ob es ein Referendum über einen Boykott israelischer Waren geben solle. Wegen des großen Andrangs – 1.600 Mitglieder nahmen teil, ein Rekord, wie die New York Times bemerkte – war die Sitzung vom üblichen Versammlungsort, einer Reformsynagoge, in die Brooklyn Technical High School verlegt worden.

Nach einer 90-minütigen Debatte wurde abgestimmt. Mit einer Mehrheit von 1.005 zu 653 Stimmen lehnte die Versammlung es ab, eine Mitgliederbefragung über einen Israel-Boykott abzuhalten.

Weil die BDS-Befürworter aber in den folgenden Jahren nicht Ruhe geben wollten, beschloss eine Mitgliederversammlung der Genossenschaft im Januar 2016, dass Boykotte nur noch mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Mitglieder beschlossen werden können. Seither ist Ruhe, die koscheren Marshmallow sind in den Regalen der Park Slope Food Co-Op sicher.

Nichts mit Essen zu tun

Auf dem Höhepunkt des Konflikts im März 2012 hatte sich auch der damalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg geäußert und Stellung gegen die Boykott-Agitatoren bezogen. Auf einer Pressekonferenz in Brooklyn zu diesem Thema befragt, nannte Bloomberg Israel einen „engen finanziellen und politischen Verbündeten“ und stellte die Frage, warum die Genossenschaft eine außenpolitische Debatte führe. „Was dies alles mit dem Verkauf von Lebensmitteln zu tun hat, weiß ich nicht”, so Bloomberg.

Der Bürgermeister sagte, er werde die New Yorker ermutigen, mehr Geschäfte mit Israel zu machen, nicht weniger, und erinnerte daran, dass Israel selbst nach einer Abstimmung bei den Vereinten Nationen, die damals in Flushing, Queens, stattfand, gegründet worden sei.

„Ich denke, es hat nichts mit dem Essen zu tun“, sagte er über den Boykott. „Das Problem ist, dass es Menschen gibt, die wollen, dass Israel auseinandergerissen und jeder massakriert wird, und Amerika wird das nicht zulassen.“

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!