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Der Nahe Osten in der Tour de France

Mitglieder der »Israel Cycling Academy« trainieren für die Tour de France
Mitglieder der »Israel Cycling Academy« trainieren für die Tour de France (© Imago Images Felix Jason)

Von den 22 Teams der diesjährigen Tour de France tragen drei die Namen von Ländern des Nahen Ostens: Israel, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate. 

Für das »UAE Team Emirates« fährt der slowenische Superstar Tadej Pogačar, der die Tour 2020 und 2021 gewonnen hat. Heuer muss er sich wie im Vorjahr dem Dänen Jonas Vingegaard geschlagen geben. Pogačargewinnt die sechste und die zwanzigste Etappe. Der dritte Etappensieg des Teams geht auf das Konto des Briten Adam Yates, der die erste Etappe für sich entscheiden kann und das Gelbe Trikot erst nach der fünften wieder abgeben muss. Das Team ist seit 2017 in den Vereinigten Arabischen Emiraten registriert, Hauptsponsor ist die Fluggesellschaft Emirates. 

Drei Etappen holt auch »Bahrain Victorious«. Der Spanier Pello Bilbao Lopez, der Niederländer Wout Poels und der Slowene Matej Mohoric tragen sich in die Siegerliste ein. Das Team wurde 2017 von Prinz Nasser gegründet und wird im wesentlichen von staatlichen Sponsoren finanziert, darunter das Bahrain Economic Development Board, die Ölgesellschaft Bapco, das Telekom-Unternehmen Batelco, der Aluminium-Hersteller Alba, die National Bank of Bahrain und die Al Salam Bank.

Für »Israel Premier Tec« gewinnt Michael Woods die neunte Etappe, die er auf den letzten 500 Metern des 13,3 Kilometer langen Schlussanstiegs auf den Puy de Dome für sich entscheidet. Dabei hatte der Amerikaner Matteo Jorgenson lange wie der sichere Sieger ausgesehen: nach einer kilometerlangen Solo-Flucht startet er mit einer Minute Vorsprung auf alle anderen in den letzten Anstieg. Doch der immer stärker werdende Woods lässt Jorgenson 420 Meter vor dem Ziel stehen und holt seinen ersten Sieg bei der Tour. Der Kanadier ist überwältigt: »Ich bin jetzt 36 Jahre alt, werde sogar bald 37. Schon immer habe ich davon geträumt eine Tour-de-France-Etappe zu gewinnen und habe das heute geschafft.«

Israel Premier Tec – Das Team

Den Grundstein für »Israel Premier Tec« legten der israelische Unternehmer Ron Baron und der ehemalige Radrennfahrer Ran Margaliot 2014 mit der »Israel Cycling Academy«. 

Baron ist ein leidenschaftlicher Radfahrer und Sportler und nimmt selbst an Straßenrennen, Triathlons und Ironman-Wettbewerben teil. Hauptberuflich ist er Chef der Livermore Investments Group, einer erfolgreichen Investmentfirma, die er 2007 zusammen mit einem Partner gegründet hatte. Margaliot hatte in seiner aktiven Karriere bei den israelischen Meisterschaften im Straßenrennen Bronze und die Gesamtwertung sowie vier Etappen der Tour of Israel gewonnen. Er war von 2015 bis 2018 Manager des Teams. Die beiden Männer wollten den in Israel unterentwickelten Radsport revolutionieren – für aufstrebende junge Radfahrer gab es damals kaum Möglichkeiten. 

2016 beteiligt sich der milliardenschwere Immobilienmagnat Sylvan Adams an der »Israel Cycling Academy« – ein Glücksfall. Der »Radsportverrückte«, wie ihn der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, bezeichnete, hatte zusammen mit seiner Frau Margaret 2015 Alija gemacht und war von Montreal nach Tel-Aviv gezogen. Adams will aus Tel Aviv das »Amsterdam des Nahen Ostens« machen: mit flächendeckenden Fahrradwegen soll die Stadt einmal genauso fahrradfreundlich werden. Um den Radsport in Israel populär zu machen, trug er die Hälfte der Baukosten des nach ihm benannten Sylvan Adams Velodromes in Tel Aviv, einer Multifunktions-Sporthalle mit Radrennbahn, und finanziert das Adams Institute for Sports Research an der Universität Tel Aviv. 

2019 wird das Team in »Israel Start-Up Nation« umbenannt, nachdem die israelische Nonprofit-Organisation Start-Up Nation Central, die israelische Start-up-Unternehmen unterstützt, als Sponsor eingestiegen ist. Seit 2022 hat es einen kanadischen Verpackungsmaschinenhersteller als Namenssponsor und heißt somit »Israel Premier Tec«. 

Sportliche Highlights

2018 ermöglicht Adams durch seine Beteiligung an den Kosten dafür, dass der Giro d’Italia in Israel gestartet wird. Guy Sagiv absolviert als erster israelischer Fahrer eine Grand Tour. Eine Million Israelis unterstützen ihr Heimteam entlang der Strecke. 

2020 erhält das Team eine UCI WorldTour-Lizenz und steigt damit in die oberste Liga des Radsports auf. Um junge israelische Talente zu fördern, gründen die Investoren zusätzlich ein Nachwuchsteam. Im selben Jahr startet Israel Start-Up Nation das erste Mal bei der Tour de France. 

2021 stößt der viermalige Tour-de-France-Sieger Chris Froome zum israelischen Team. Froome beendet die Tour 2021 auf Platz 133 und kann im Jahr darauf wegen einer Corona-Erkrankung nicht teilnehmen. 2023 gehört er nicht einmal zum Aufgebot für die 110. Frankreich-Rundfahrt. Team-Besitzer Adams zeigt sich not amused. In einem Interview mit Cycling Weekly schimpft er:

»Wir haben Chris als Anführer unseres Tour-de-France-Teams unter Vertrag genommen, und er ist noch nicht einmal hier, da kann man nicht von einem Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen. … Chris ist kein Symbol, er ist kein PR-Instrument, er soll unser Anführer bei der Tour de France sein und er ist nicht einmal hier, also nein, ich kann nicht sagen, dass er sein Geld wert ist, nein.« Froome verdient kolportierte fünf Millionen Euro pro Jahr. 

2022 feiert das Team zwei sehr emotionale Etappensiege bei der Tour de France durch Simon Clarke und Hugo Houle. Clarke hat man bereits am Ende seiner Karriere gewähnt. Houle widmet den Sieg seinem Radsport-begeisterten jüngeren Bruder, der zehn Jahre zuvor von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden ist. Im selben Jahr feiert das Team jeweils einen Etappensieg bei der Tour de Suisse und der Tour de Normandie. Dennoch steigt »Israel Premier Tec« in die zweite Liga ab und wird vom Radsportweltverband UCI nunmehr als Pro Team lizenziert. 

Wie immer sich das Team weiter entwickeln mag: für die Entwicklung des israelischen Radsports hat es jetzt schon einen enormen Impuls gesetzt.

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