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Biden, Israel und eine überschätzte Vorwahl in Michigan

Wahllokal in Hamtramck, Michigan. Die Kampagne gegen Präsident Bidens Haltung zu Israel hat insgesamt nicht viel bewirkt. (© imago images/ZUMA Wire)
Wahllokal in Hamtramck, Michigan. Die Kampagne gegen Präsident Bidens Haltung zu Israel hat insgesamt nicht viel bewirkt. (© imago images/ZUMA Wire)

Die Kampagne, die den amerikanischen Präsidenten bei den Vorwahlen für seine Haltung zu Israel strafen wollte, kann kaum als erfolgreich bewertet werden.

Von Andrew Bernard

US-Präsident Joe Biden gewann am Dienstagabend die Vorwahlen der Demokraten in Michigan und besiegte damit eine Kampagne der Abgeordneten Rashida Tlaib (selbst eine Abgeordnete der Demokraten aus Michigan) und israelfeindlicher Aktivisten, welche die Wähler dazu aufforderten, aus Protest gegen Bidens Unterstützung Israels ihre Stimme als »nicht festgelegt« (»noncommitted«) abzugeben. Die demokratischen Wähler in Michigan können ihre Stimmzettel bei der Vorwahl als »nicht festgelegt« kennzeichnen und damit Delegierte zum Nationalkonvent der Demokraten entsenden, die nicht auf einen bestimmten Kandidaten festgelegt sind.

Bei einer Auszählung von 99 Prozent der Wahllokale erhielt Biden 81,1 Prozent der Stimmen, während 13,2 Prozent der Wähler ihre Stimme als »nicht festgelegt« markierten. Die Autorin Marianne Williamson und der Abgeordnete Dean Phillips rundeten das Feld ab und erhielten drei bzw. 2,7 Prozent der Stimmen.

Kampagne gegen Biden

Die »nicht festgelegt«-Kampagne zielte darauf ab, die Macht der arabischen, muslimischen und progressiven Wähler in dem wichtigen Swing State zu demonstrieren. Wahlbeobachter erklärten jedoch gegenüber Jewish News Syndicate (JNS), dass die 13,2 Prozent der Stimmen im Vergleich zu den Bemühungen des ehemaligen Präsidenten Barack Obama um seine Wiederwahl im Jahr 2012, als 10,7 Prozent der Wähler in Michigan »nicht festgelegt« waren, möglicherweise das Gegenteil bewirkt haben.

»Nach einer aufwendigen Kampagne haben die ›nicht Festgelegten‹ nur rund zweieinhalb Prozentpunkte mehr bekommen als ohne Kampagne gegen Barack Obama«, sagte Mark Mellman, Präsident der Democratic Majority for Israel und langjähriger politischer Stratege. »Ich würde sagen, das ist für sie ein ziemlich enttäuschendes Ergebnis.«

Die Gruppe »Listen to Michigan«, welche die Kampagne »nicht festgelegt« organisiert hat, sprach am Dienstagabend dennoch von einem moralischen Sieg. »Unsere Bewegung ist heute Abend als Sieger hervorgegangen und hat unsere Erwartungen massiv übertroffen«, schrieb sie. »Zehntausende Demokraten aus Michigan, von denen viele 2020 für Biden gestimmt haben, haben sich wegen des Kriegs in Gaza nicht für seine Wiederwahl engagiert.«

J. Miles Coleman, ein politischer Kartograf an der Universität von Virginia und Mitherausgeber des Newsletters Sabato‘s Crystal Ball am Center for Politics der Universität, sagte gegenüber JNS, er halte die Kampagne für »übertrieben«. Er bemerkte auch eine Verschiebung in der Art und Weise, wie ihre Unterstützer versuchten, die Erwartungen in der Wahlnacht zu gestalten.

»Nach den ersten Ergebnissen sah es so aus, als ob die ›nicht Festgelegten‹ vielleicht 15 bis 20 Prozent der Stimmen erhalten würden«, sagte Coleman. »Als immer mehr Stimmen eintrafen und der Anteil immer weiter sank und schließlich bei 12 oder 13 Prozent lag, änderte sich die Erzählung der Befürworter von ›Seht euch an, wie hoch unser landesweiter Anteil ist‹ zu ›Seht euch an, wie viele ungültige Stimmen wir haben‹. Für mich war das bezeichnend.«

»Listen to Michigan« behauptet, nach den Regeln der Demokratischen Partei Anspruch auf zwei der 117 Delegierten Michigans für den Nationalkongress der Demokraten in Chicago zu haben. Das liege daran, dass »nicht festgelegt« in Michigans 12. und 6. Kongressbezirk etwas mehr als 15 Prozent der Stimmen erhalten hat, so die Gruppe.

Wirklich wegen Israel?

Mellman sagte demgegenüber, es sei unmöglich zu wissen, wie viele dieser Wähler Teil der anti-israelischen Kampagne gegen Joe Biden gewesen sind. »In der arabisch-amerikanischen Gemeinschaft hatte es wahrscheinlich etwas mit Israel und Gaza zu tun«, sagte er. »Aber wie viele Leute sagten einfach, Biden sei zu alt? Wie viele Menschen haben sich von der armenischen Gemeinschaft dazu bewegen lassen, aus Protest gegen Aserbaidschan für ›nicht festgelegt‹ zu stimmen? Und wie viele Menschen protestierten gegen Bidens ihrer Meinung nach unzureichende Bemühungen beim Erlass von Studentenkrediten oder beim Klimawandel? Wir haben nicht die geringste Ahnung, warum sie mit ›nicht festgelegt‹ gestimmt haben.« (…)

Die 101.436 »nicht festgelegt«-Stimmen könnten für Biden-Anhänger besorgniserregend sein, wenn man bedenkt, wie knapp er den Staat 2020 gewonnen und wie knapp Hillary Clinton den Staat 2016 verloren hat. Und obwohl »nicht festgelegt« nur 13,2 Prozent der Stimmen im ganzen Bundesstaat erhielt, waren diese Stimmen in der stark arabisch-amerikanischen Stadt Dearborn in der Mehrheit, was darauf hindeutet, dass die Opposition gegen Israel dort echten Einfluss haben könnte.

Coleman wies jedoch darauf hin, dass die Biden-Wahlkampagne größere Probleme habe als bloß das Ergebnis in Dearborn, Michigan: »Hätte die Stadt Dearborn bei den allgemeinen Wahlen 2020 keine einzige Stimme abgegeben, wäre Bidens Vorsprung auf zweieinhalb Punkte gesunken. Wenn Biden am Ende den Staat Michigan verliert, dann wahrscheinlich wegen seiner allgemeinen Probleme mit weißen Wählern aus der Arbeiterklasse in den ländlichen Gebieten.«

Bidens Kritiker haben behauptet, dass trotz seiner Unterstützung Israels im Krieg gegen die Hamas einige seiner jüngsten Äußerungen und Handlungen gegenüber Israel, einschließlich der Sanktionierung von vier Israelis wegen angeblicher »Siedlergewalt«, ein Versuch waren, Michigan-Wähler auf Kosten Israels zu umwerben. »Bei diesem Erlass geht es um kalte, kalkulierte Politik – schlicht und einfach«, erklärte die Republican Jewish Coalition am 1. Februar zu den Sanktionen. »Joe Biden und sein Team sehen seine Umfragewerte abstürzen.«

Mark Mellman glaubt, dass es für Bidens Unterstützer auch ohne das Ergebnis der Vorwahl in Michigan gute Gründe gibt, sich über den November Sorgen zu machen. »Als Demokrat habe ich in den letzten drei Jahren Bedenken wegen der allgemeinen [Wahl] gehabt«, sagte er. »Jeder, der sich in den letzten drei Jahren keine Sorgen gemacht hat, ist ein Dummkopf.«

(Der Artikel ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)

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