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Anna Thalhammers Feldzug geht in die nächste Runde

Informanten, Spione und Spitzel: Thalhammer glaubt, einem finsteren Skandal auf der Spur zu sein. (© inmago images/Ikon Images)
Informanten, Spione und Spitzel: Thalhammer glaubt, einem finsteren Skandal auf der Spur zu sein. (© inmago images/Ikon Images)

profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer wundert sich, warum ihr Wust aus unbelegten Zusammenhängen und Suggestionen kaum auf Interesse stößt.

profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer scheint die Welt nicht mehr zu verstehen. Seit Monaten wähnt sie sich einer großen Sache auf der Spur zu sein: Einem sinistren Geheimunternehmen, an dem Ex-Politiker, ein »Privat-Geheimdienst«, ein »europäisches Netzwerk«, »fragwürdige Wissenschafter« und »willfährige Helfer« beteiligt seien, um im Dienst der Vereinigten Arabischen Emirate unter dem Vorwand des Kampfes gegen die islamistische Muslimbruderschaft hierzulande Institutionen zu »unterwandern«.

Warum nur interessiert’s kaum jemanden?

Schon im April veröffentlichte sie im profil einen ausführlichen Artikel, in dem sie die aus ihrer Sicht skandalösen Hintergründe der »Operation Luxor« aufdecken wollte, jener Razzia im November 2020 gegen Dutzende mutmaßliche Mitglieder der Muslimbruderschaft, die unter anderem der Finanzierung von Terrorgruppen verdächtigt wurden. Diese Woche wärmte sie gemeinsam mit einem Kollegen Teile dieser Geschichte noch einmal auf, versehen mit weiteren vermeintlich brisanten Informationen über die »höchst irritierenden Umtriebe« (so NEOS-Abgeordnete Stefanie Krisper), die Thalhammer demaskieren möchte.

Ihr Problem dabei: Bislang interessiert sich kaum jemand für die, wie sie überzeugt ist, sensationellen Enthüllungen. »Wieso hat das bis heute keine Konsequenzen?«, fragte sie an einer Stelle, um am Ende des Artikels zu schreiben: »Obwohl das offizielle Österreich davon weiß, hat es offenbar nichts dagegen – anders ist nicht zu erklären, warum das völlig konsequenzenlos bleibt und auch staatliche Stellen nicht auf Distanz gehen.«

Da sich das auch nach Veröffentlichung des jüngsten profil nicht geändert hat, zeigt sich Thalhammer auf X (vormals Twitter) ernüchtert: »Wie erwartet, man versucht es wieder auszusitzen und rührt sich nicht. Ich lerne wieder einmal: in diesem Land ist gar nichts ein Skandal, Gründe für Konsequenzen gibt es eigentlich auch nie.«

Nun ist zweifellos richtig, dass Skandale in Österreich nur sehr selten auch Konsequenzen nach sich ziehen und vieles unter den Teppich gekehrt wird. Doch in diesem Fall dürfte es einen einfachen Grund für die überschaubare Resonanz von Thalhammers Artikeln geben: Die Leserinnen und Leser sind mündig genug, um zu erkennen, wenn ihnen statt stichhaltiger Recherche Geraune und statt Belegen für einen Skandal ein Wulst von bloßen Suggestionen vorgelegt wird.

Skandalisierung von Alltäglichkeiten

Wie schon im April legte Thalhammer auch dieses Mal Verbindungen und angebliche Einflussnahmen nahe, für die es bei näherem Hinsehen keinerlei nachvollziehbare Belege gibt. Sie skandalisiert in der Arbeit von Wissenschaftlern und Journalisten völlig alltägliche Dinge wie das Erstellen sogenannter Akteursanalysen, aus denen sie anrüchige »Steckbriefe« macht, die von »Informanten«, »Spionen« und »fleißigen Spitzeln« produziert würden und die für die betroffenen Personen »potenziell gefährlich« sein könnten, würden sie, so wird suggeriert, an Geheimdienste weitergegeben oder sonstigen finsteren Gesellen ausgehändigt. (In seltener Offenheit gesteht sie an dieser Stelle ein, dass ihr »kein letztgültiger Beweis für die Weitergabe der Akteursanalyse« vorliege – das redundante Wort »letztgültig« soll wohl überdecken, dass Thalhammer nur wieder einmal etwas in den Raum stellte, für das sie keinerlei Beleg hat.)

Und wie einst in der Presse war sie auch dieses Mal darum bemüht, Wissenschaftler in Verruf zu bringen, deren Arbeit zur Muslimbruderschaft und zu islamistischen Akteuren ihr offensichtlich nicht passen. Ihnen, die sich »nicht nur einen guten« Namen gemacht hätten und deren Arbeiten, die sie als »umstrittene populärwissenschaftliche Bücher« bezeichnet, »massiv kritisiert« würden, warf sie vor, sie würden »persönliche Befindlichkeiten mit angeblicher wissenschaftlicher Expertise« vermischen.

Gleich drei Mal im jüngsten Artikel betonte Thalhammer, dass die Politikwissenschaftlerin Nina Scholz und der Historiker Heiko Heinisch im Verfahren gegen die Beschuldigten der »Operation Luxor« vom Gericht in Graz als Gutachter abberufen worden sind. Sie erwähnte nicht, dass dies ausdrücklich nicht aus fachlichen Gründen, sondern wegen eines möglichen Anscheins von Befangenheit geschah und der als Nachfolger eingesetzte Guido Steinberg in seinem Gutachten über die Muslimbruderschaft inhaltlich zu genau denselben Schlüssen gekommen zu sein scheint wie zuvor Scholz und Heinisch.

Um die von ihr ins Visier genommenen Forscher als irgendwie windige Gestalten darzustellen, verschweigt Thalhammer deren Kooperation mit renommierten Wissenschaftlern, wie im Fall von Scholz und Heinisch die Zusammenarbeit mit dem Radikalisierungsforscher Peter R. Neumann vom King’s College in London, mit dem sie im vergangenen Jahr die von Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Studie Lagebild Extremismus und Migration: Fallstudien aus vier österreichischen Migrations-Communitys veröffentlicht haben.

Unwahrheiten

Und wie schon in der Presse streute sich auch dieses Mal die eine oder andere Unwahrheit ein (und damit meine ich nicht die plumpen Fehler, dass etwa der Politikwissenschaftler Lorenzo Vidino kein »italienisch-österreichischer Autor« und Heinisch nicht 56 Jahre alt ist). So zitiert sie den SPÖ-Politiker Omar al-Rawi, der sagt, er habe mehrere Prozesse gegen Leute gewonnen, die ihn als Muslimbruder bezeichnet hätten, und dann beklagt: »Heinisch behauptet es trotz Kenntnis dieser Urteile aber weiterhin.« Beleg dafür? Keiner – würde Heinisch das wirklich tun, hätte al-Rawi ihn längst geklagt.

Über Heinisch behauptete Thalhammer zudem, er »referierte vor Kurzem an der Seite von AfD-Funktionären« – eine blanke Lüge, wie sie selbst mittlerweile eingesehen zu haben scheint. Wohl um zu verhindern, dass erneut wegen einer Falschbehauptung Thalhammers eine Entschädigung an Heinisch gezahlt werden muss, steht in der Onlineversion mittlerweile abgeschwächt, er habe jemandem ein Interview gegeben, der auch AfD-Funktionäre zu Gast habe. Ein nicht ganz unbedeutender Unterschied, wie ich meine.

Weglassen, was stören könnte

Zur Methode Thalhammers gehört, alle Informationen zu unterschlagen, die dem Narrativ widersprechen könnten, das sie den Lesern einzuhämmern versucht. Dass Heinisch etwa profil gegenüber bestritten hat, gemeinsam mit AfD-Funktionären aufgetreten zu sein, ließ sie einfach unter den Tisch fallen. Und das ist nicht das einzige Beispiel für diese Vorgangsweise.

Erneut versuchte sie, Kontakte zu der internationalen Organisation Hedayah, die in Abu Dhabi ihren Sitz hat, als irgendwie anrüchig zu diskreditieren. Was genau daran verwerflich sein soll, führte Thalhammer nicht aus. Und wie schon im April erwähnte sie dabei auch dieses Mal nicht, dass auch die USA, die EU, die Türkei und etliche andere Staaten mit Hedayah zusammenarbeiten.

Beinahe krampfhaft versuchte Thalhammer, das in Wien ansässige Europäische Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP) u.a. wegen seiner Zusammenarbeit mit Hedaya als »Einfallstor für Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate« zu porträtieren.

Sie brachte diesen Vorwurf freilich in Frageform vor – ein beliebtes Mittel für Behauptungen, für die es keine Belege gibt, weil man sich immer darauf herausreden kann, ja »nur gefragt« zu haben.

Inhaltlich hatte Thalhammer gegen das international durchaus anerkannte und beispielsweise beim Global Counter-Terrorism Research Network der Vereinten Nationen akkreditierte EICPT nichts vorzubringen, also erging sie sich in Andeutungen und Anschwärzungen durch vermeintlich anrüchige Verbindungen.

Über die Muslimbruderschaft, gegen die sich die von den VAE organisierte angebliche Verschwörung richten soll, stand in dem langen Artikel übrigens nur ein kurzer Satz: Diese sei »eine islamisch-politische Bewegung, die im Zuge der Demokratiebestrebungen des Arabischen Frühlings vor gut einem Jahrzehnt die autoritären Führer und Monarchen in der Region das Fürchten vor möglichem Machtverlust lehrte«. Wenn sie diese Verharmlosung für das Wesentliche hält, das zur Charakterisierung der Islamisten gesagt werden sollte, braucht man sich nicht zu wundern, warum ihr seriöse Forschung zu dieser Organisation ein Gräuel ist.

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