1979: Weichenjahr im Nahen Osten

1979: Weichenjahr im Nahen Osten
Februar 1979: Khomeini kehrt in den Iran zurück

„1979 war ein Schicksalsjahr für den Nahen und Mittleren Osten: Die Iraner stürzten den Schah, Ägypten und Israel schlossen Frieden, die Sowjets marschierten in Afghanistan ein, und in Mekka besetzten Extremisten die Große Moschee. Die Folgen beschäftigen die Region seit 40 Jahren. (…)

Dass im selben Jahr mit der Rückkehr des schiitischen Gottesgelehrten Ayatollah Khomeini aus dem Exil in sein Heimatland am 1. Februar eine dritte, eigenständige Kraft neben dem kapitalistischen und dem sozialistischen Lager in Iran in Erscheinung treten würde, konnten sich bis dato wohl nur wenige vorstellen. Den wichtigsten Gegenspieler des Schahs dachten sich viele Linke zunächst als Befreier und gerechten Anführer der Massen – sie konnten nicht falscher liegen. Der grimmige Khomeini ersetzte das autoritäre Pahlevi-Regime durch eine Diktatur ganz neuen Stils.

Die Islamische Revolution, das zentrale historische Ereignis des Jahres 1979, trug den Glaubenskampf in die Welt; auf diese Herausforderung mussten die USA und die Sowjetunion erst einmal eine Antwort finden. Dabei scheuten sich die Amerikaner und ihre Verbündeten selbst nicht, im Kampf gegen den Kommunismus auf sunnitische Jihadisten zu setzen, die afghanischen Mujahedin und ihre Hilfstruppen aus der arabischen Welt. (…)

Nach dem Ende der Sowjetunion richteten die Jihadisten ihr Augenmerk allerdings auf den ‚dekadenten‘ Westen und die eigenen als unislamisch verstandenen Regime. Ausgerechnet Saudiarabien, das konservativste aller sunnitischen Länder, bekam den Zorn der selbst herangezüchteten Extremisten bereits früh zu spüren, als eine Gruppe oppositioneller Wahhabiten am 20. November 1979 die Große Moschee in Mekka stürmte und diese zwei Wochen lang besetzte. Als Reaktion ging das verunsicherte saudische Königshaus vor seinen religiösen Kritikern in die Knie und half ihnen, den besonders intoleranten Islam wahhabitischer Prägung in alle Welt zu exportieren.

Man liegt also nicht ganz falsch, die Geburtsstunde des modernen militanten Islamismus auf das Jahr 1979 zu datieren: In Iran, wo der Revolutionsführer Khomeini bald Selbstmordkommandos für den Krieg gegen den Irak ausbilden liess und später schiitische Milizen überall im Nahen Osten förderte. Und in Afghanistan, wo die Unterstützung der Mujahedin Gruppen wie den Taliban und al-Kaida den Boden bereitete. Obwohl sich der schiitische und der sunnitische Islamismus stark voneinander unterscheiden, inspirierte Khomeinys Revolution Nachahmer in vielen Ländern der Region. Ägyptens Muslimbruderschaft etwa begrüsste die Vorgänge in Teheran und schöpfte Hoffnung, selber bald den säkularen Staat überwinden zu können. Der Sozialismus und der arabische Nationalismus hatten zu diesem Zeitpunkt als Ideologien schon abgewirtschaftet, die siebziger Jahre standen unter dem Vorzeichen des ‚islamischen Erwachens‘.“ (Daniel Steinvorth: „In der Islamischen Welt war 1979 das Jahr, in dem die Gegenwart begann“)

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