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Der Nahe Osten ist komplizierter als Friedensstifter es glauben wollen

Der Nahe Osten ist komplizierter als Friedensstifter es glauben wollen„Aus israelischer Sicht kann kein Friedensstifter der Welt die beiden Seiten des Konflikts zusammenbringen, weil es mehr als nur zwei Seiten gibt. (…) Viele Menschen in Israel glauben nicht, dass eine Vereinbarung, die von einem vom Westen unterstützten palästinensischen Führer im Westjordanland unterzeichnet wird, den Konflikt beenden kann. Denn sie würde nicht zu einem Staat, sondern zu einem Machtvakuum führen, das nur darauf wartet, von inner-muslimischem Chaos, durch Stellvertreter des Iran oder durch eine Kombination von beidem gefüllt zu werden. Genau das geschieht überall um uns herum, in Gaza, im Libanon, in Syrien und im Irak. Einer der Albträume Israels ist es, dass die fragile Monarchie in Jordanien genauso enden könnte wie ihre Nachbarn in Syrien und im Irak. Dies würde zur Auflösung des Staates führen und das Land in den Einflussbereich des Iran bringen. Wenn Israel die Kontrolle über das Westjordanland nicht behalten würde, würde das bedeuten, dass iranischen Panzer direkt von Teheran bis zu den Außenbezirken von Tel Aviv fahren könnten. (…)

In einer Sichtweise, die allein Israel und die Palästinenser in den Blick nimmt und alle anderen regionalen Komponenten ausklammert, mag ein israelischer Rückzug aus der Westbank als gute Idee erscheinen – als ein Immobiliengeschäft, wie Präsident Donald Trump es wohl nennen würde –, wenn nicht gar eine moralische Notwendigkeit darstellen. Und wenn im regionalen Umfeld Frieden herrschen würde wie in Nordirland, könnte ein Machtvakuum vielleicht wirklich mit Ruhe gefüllt werden.

Aber jeder, der einen umfassenderen Blick vornimmt, wird sehen, dass der eigentliche Kontext hier ein komplexer, vielschichtiger Krieg oder eine Reihe miteinander verbundener Kriege ist, die diesen Teil der Welt verwüsten. Das Ausmaß dieses Konflikts ist durch die fragmentarische Berichterstattung in den Nachrichten nur schwer zu erkennen, es ist aber leicht zu verstehen, wenn man eine Landkarte zur Hand nimmt und die Länder betrachtet, die Israel umgeben: von Libyen über Syrien und den Irak bis hinein in den Jemen.

Die Bruchlinien haben wenig mit Israel zu tun. Sie verlaufen zwischen Diktatoren und der Bevölkerung, die sie seit Generationen unterdrücken; zwischen Fortschrittlichen und aufs Mittelalter Rückwärtsgewandten; zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Mehrheitsbevölkerungen und Minderheiten. Wenn unser kleiner Sub-Krieg irgendwie gelöst wäre oder Israel gar von heute auf morgen verschwinden würde, wäre der Nahe Osten noch immer dieselbe brisante explosive Region, die sie jetzt schon ist. (…)

Der Abschied von einem verlockenden, weil simplen Narrativ, zugunsten der verwirrenden Realität des Gesamtbildes, ist emotional gesehen äußerst unbefriedigend. Dem Beobachter kommt dadurch die Identifizierung eines eindeutigen Bösewichts oder einer einfachen Lösung abhanden. Er macht jedoch die Ereignisse hier verständlicher und wird westliche Politiker dazu ermutigen, fantastische Visionen zugunsten eines realistischen Verständnisses dessen aufzugeben, was tatsächlich möglich ist. Und das könnte wiederrum zu einigen greifbaren Verbesserungen in einer Welt führen, die weniger Illusionen und mehr kluge Führer durchaus nötig hat.“ (Matti Friedman: „There Is No ‚Israeli-Palestinian Conflict‘”)

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