Jüdisches Filmfestival Wien: Wo man auf Kritik mit Klagsdrohung reagiert

Als Reaktion auf den gestrigen Bericht über die auf dem Jüdischen Filmfestival Wien gezeigte Dokumentation „A Life for the Revolution“ versucht der Direktor des Festivals, Frédéric-Gérard Kaczek, Druck auf Mena Watch auszuüben. In einem Telefonat mit Mena-Watch-Gründer Erwin Javor drohte Kaczek mit presserechtlichen Schritten, um so die Zurücknahme des Artikels bzw. die Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu erzwingen. Da er allerdings offensichtlich selbst nicht so recht an die Gerichtstauglichkeit seiner Einsprüche glauben dürfte, versuchte der Pressebetreuer des Filmfestivals darüber hinaus, die Autorin Marlene Gallner sowohl über private Nachrichten als auch über unbeteiligte dritte Personen dazu zu bewegen, ihren Artikel zumindest den Vorstellungen des Festivals gemäß zu modifizieren.

Der Ärger über die von Gallner geäußerte Kritik an der unkritischen Eloge auf den Vorsitzenden der britischen Labour Party Jeremy Corbyn ist umso bemerkenswerter, als das Jüdische Filmfestival keineswegs das erste Mal wegen eines Films in die Kritik gerät. So stand etwa 2005 das Selbstmordattentäter-Epos „Paradise Now“ auf dem Programm, in dem der Regisseur Hany Abu-Assad die Ermordung israelischer Zivilisten als Verzweiflungstat rationalisiert und die Opfer des palästinensischen Judenmords schlicht verschweigt. Der Regisseur des Films selbst erklärte damals in einem Interview: „Die Selbstmordanschläge sind eine Folge der Unterdrückung, die zuerst aufhören muss. (…) Ich bin gegen die Tötung von Menschen, und ich will das stoppen. Aber ich verurteile die Selbstmordattentäter nicht. Für mich ist das eine sehr menschliche Reaktion auf eine extreme Situation.“

Angesichts der Einwände, die schon 2005 gegen die Programmauswahl des Jüdischen Filmfestivals – das damals noch unter dem Titel Jüdische Filmwoche firmierte – vorgebracht wurden, sprach der ORF von einer „angespannten Premiere“, die von kritischen Zwischenrufen charakterisiert war und auf der Flugblätter gegen den Film verteilt wurden. Bereits im Vorfeld hatte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) die Festivalleitung scharf kritisiert und „Paradise Now“ in einer Aussendung als „Skandalfilm“ bezeichnet. Das IKG-Vorstandsmitglied Raimund Fastenbauer warf den Programmverantwortlichen vor, „mit Absicht oder Naivität die Anliegen der Gegner Israels und des Judentums“ zu fördern. Sie seien „radikale jüdische Randfiguren, die man sonst in der jüdischen Gemeinde nicht sieht, außer wenn es um ‚Israel-Bashing‘, die Verunglimpfung der israelischen Gesellschaft, geht“, so Fastenbauer weiter.

Kritik an der Filmauswahl seines Festivals kann für Frédéric-Gérard Kaczek also eigentlich nichts sonderlich Neues sein: Dass er versucht, diese mundtot zu machen, zeugt allerdings nicht gerade von Souveränität und Vertrauen in seine Urteilskraft bzw. die seiner Kuratoren und Programmverantwortlichen. Wenn es ihm, wie im eingangs genannten Telefonat behauptet, wirklich darum ginge, auch ‚kontroversielle‘ Filme zu zeigen, um eine Auseinandersetzung über diese zu führen, dann müsste er die Einwände Marlene Gallners gegen die Corbyn-Verherrlichung namens „A Life for the Revolution“ eigentlich begrüßen. Doch in diesem Fall zieht er es vor, mit Klagsdrohungen eine Kontroverse zu verhindern.

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