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Zinspolitische Kehrtwende in der Türkei

Dem Verfall der türkischen Lira konnte die Wende in der Zinspolitik bisher nicht entgegenwirken. (© imago images/Pacific Press Agency)
Dem Verfall der türkischen Lira konnte die Wende in der Zinspolitik bisher nicht entgegenwirken. (© imago images/Pacific Press Agency)

Der überfällige Kurswechsel in der Zinspolitik der Türkei fiel kleiner aus, als es nötig wäre. Und Erdoğan behält die Zentralbank im Griff.

Die türkische Zentralbank hat am Donnerstag zum ersten Jahr seit mehr als zwei Jahren die Leitzinsen erhöht. Die beinahe Verdoppelung der Zinsen auf nunmehr 15 Prozent soll zur Senkung der Inflation beitragen, die im vergangenen Jahr dramatische Ausmaße annahm und aktuell laut offiziellen Zahlen immer noch bei rund 40 Prozent liegen soll.

Da der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Zinsen für unislamisch hält und darüber hinaus der von kaum einem Wirtschaftsexperten geteilten Überzeugung anhängt, dass niedrige Zinsen der Inflation entgegenwirken würden, statt sie zu befeuern, hat die türkische Zentralbank jahrelang keine effektiven Schritte zur Eindämmung der Inflation und zur Stabilisierung der kollabierenden Währung setzen können.

Dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann, war im Grund jedem Beobachter klar. Bereits im Vorfeld der jüngsten Wahlen in der Türkei hat Erdoğan Gespräche mit dem ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister Mehmet Şimşek über dessen Rückkehr in die Regierung geführt, nach den Wahlsiegen des Präsidenten und seiner AK Partei ist Şimşek tatsächlich wieder ins Wirtschaftsministerium eingezogen.

Mehr »Trendwendchen« als Wende

Auch wenn hohe Erwartungen ihn gesetzt wurden, war unklar, ob Erdoğan dem Minister und der neuen Zentralbankchefin, Hafize Gye Erkan, überhaupt den Spielraum lassen würde, um nötige Reformen in Angriff zu nehmen – und damit in wesentlichen Punkten die Politik zu revidieren, an der Erdoğan lange Jahre festgehalten und damit die Krise massiv verschärft hat, wie Murat Yörük nach der Wahl für Mena-Watch analysiert hat.

Da eine – bislang nur durch Geldspritzen aus arabischen Staaten ausgebliebene –Staatspleite droht, blieb letztlich auch dem Präsidenten keine andere Wahl, als eine Kursänderung in der Zinspolitik zuzulassen, die allerdings, wohl auf Druck Erdoğans, bescheidener ausfiel, als Experten es für nötig halten. Von einem »Trendwendchen«, das kaum mehr sei als »ein erster Tropfen auf einen sehr heißen Stein«, spricht deshalb die Neuen Zürcher Zeitung.

Zumal die Zinserhöhung durch die von der Regierung angekündigten Erhöhungen des Mindestlohns, der Beamtengehälter sowie der Renten, mit denen Erdoğan im Kampf um die Rückeroberung der Metropolen Ankara und Istanbul bei den Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr punkten will, sogleich wieder konterkariert wird. Und kaum einer der internationalen Beobachter glaubt daran, dass nunmehr wirklich Sachverstand und Verlässlichkeit das Zepter in der türkischen Wirtschaftspolitik zurückgewonnen hätten.

Der Verfall der Lira ging jedenfalls vorerst weiter. Ob weiterhin arabische Unterstützungsgelder ins Land fließen werden, ist ungewiss. Und auch nach der Zinsanhebung bleibt es dabei, dass, wie die Presse analysiert, »Erdoğan über die Zinspolitik entscheidet – und nicht die Zentralbank, die ihre Unabhängigkeit in den vergangenen Jahren eingebüßt hat und auch unter ihrer neuen Chefin vom Präsidenten abhängig bleibt.«

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