Eine Deutsche sah an der Seite ihres IS-Mannes zu, wie das kleine Kind ihrer jesidischen Sklavin qualvoll starb.
Ronen Steinke, Süddeutsche Zeitung
Es ist eine vergleichsweise stille, unblutige Begebenheit: Ein IS-Mann hatte sich im Irak eine jesidische Frau als Sklavin „gekauft“, gemeinsam mit seiner deutschen Frau, Jennifer W., hat er sie in seinem Haus in der Stadt Falludscha „gehalten“. Alltag im Terrorstaat. Putzen, kochen, Misshandlungen. Als die fünfjährige Tochter dieser Sklavin sich einmal einnässt, fesselt der IS-Mann das Kind zur Strafe in der prallen Mittagssonne. Das Kind weint, leidet in der Hitze, und fleht.
Das Grausame ist, was in diesem Moment alles nicht geschieht. So hat es jetzt das Oberlandesgericht München festgestellt. Der Sklavenhalter, der sich in diesem Moment nicht erbarmt. Seine IS-Frau aus Deutschland, Jennifer W., sozialisiert in Niedersachsen, die in diesem Moment nicht ihren Hintern vom Sofa bekommt und das Handy beiseitelegt, um einzuschreiten. Und die eigene Mutter des fünfjährigen Mädchens, vielfach misshandelt, womöglich psychisch neben sich stehend, die bloß roboterhaft weiter die Wohnung ihres Herren putzt, während draußen ihr Kind einen qualvollen Tod stirbt. (…)
Was könnte symbolträchtiger sein. Das Bild einer gedankenverloren auf dem Handy daddelnden Jennifer aus Lohne im Oldenburger Münsterland, wie sie auf einem Sofa fläzt, zu bequem, um sich zu verhalten wie ein Mensch. Es sind nicht nur Mörder, die einen Völkermord begehen. Es sind auch all jene, die nicht vom Sofa aufstehen, wenn sie es müssten. Selten hat man das so plastisch, ja fast plakativ vor Augen geführt bekommen. Das Oberlandesgericht München hat dafür am Montag ein angemessen strenges Urteil gefunden: Zehn Jahre Haft für Jennifer W., unter anderem wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.
(Aus dem Artikel „Erst die Gleichgültigkeit ermöglicht den Völkermord“, der von der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde.)