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Wiener Festwochen als Bühne für Antisemiten?

Der Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau
Der Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau (© Imago Images / Sabine Gudath)

Der Wiener Festwochen-Intendant Milo Rau verweist gegen den Vorwurf, sein Stargast Annie Ernaux sei Antisemitin, ausgerechnet auf die geplante Rede eine weiteren Israelkritikers.

Der Wiener Gemeinderat beschloss am 20. März einstimmig einen Allparteienantrag, mit dem er sich von dem geplanten Auftritt von Annie Ernaux bei den Wiener Festwochen distanzierte und die Verantwortlichen in der Veranstaltungsprogrammierung aufforderte, diese Entscheidung zu überdenken.

Im Detail verweist der Gemeinderat auf die bereits am 27. Juni 2018 beschlossene Resolution gegen die antisemitische BDS-Bewegung und bezeichnete es als unverständlich, warum gerade bei der größten Kulturveranstaltung Wiens einer Unterstützerin dieser Israelboykott-Initiative eine Plattform geboten werde. Am 27. Februar 2020 war BDS auch vom österreichischen Nationalrat einstimmig als antisemitisch klassifiziert und verurteilt worden.

Im Rahmen der Festwochen kündigte Intendant Milo Rau einen neu eingerichteten »Rat der Republik« an, bei dem Persönlichkeiten wie die französische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und Griechenlands ehemaliger Finanzminister Yanis Varoufakis, der sich geweigert hatte, den Hamas-Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 zu verurteilen, eine Bühne bekommen sollen.

Lange Liste

Ernaux wiederum hat eine lange Geschichte der Beteiligung an antisemitischen Aktionen hinter sich. Erst im Januar unterstützte sie den gegen Deutschland wegen dessen angeblich allzu »proisraelischer« Politik gerichteten Boykott-Aufruf Strike Germany. Wegen des aggressiven Tons wurde diese Proklamation von den Medien ursprünglich für ein Satireprojekt gehalten, da solch plumpe Propaganda eigentlich nicht ernst gemeint sein könnte.

Bereits anlässlich der Nobelpreisverleihung an Ernaux im Jahr 2022 hatte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die Vergabe als »Rückschlag für den weltweiten Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit« bezeichnet. Ein Jahr zuvor unterzeichnete Ernaux einen »Brief gegen Apartheid«, nachdem über viertausend Raketen von Gaza nach Israel abgefeuert wurden und Israel militärisch gegen den Raketenterror vorging. Während die Angriffe von palästinensischer Seite nicht einmal erwähnt wurden, warf der Brief Israel vor, als »kolonisierende Macht« aufzutreten und Palästina zu kolonialisieren.

Im Mai 2019 wiederum setzte Ernaux ihre Unterschrift unter einen Aufruf zum Boykott des Eurovision Song Contests in Tel Aviv. Bereits 2018 hatte sie die Einrichtung einer gemeinsamen Kultursaison zwischen Frankreich und Israel verurteilt.

Ebenso befürwortete Ernaux einen Aufruf zur Freilassung des Terroristen Georges Abdallah, der 1987 in Frankreich zu lebenslanger Haft wegen der Ermordung des stellvertretenden amerikanischen Militärattachés Charles Ray und des israelischen Diplomaten Yaakov Bar-Simantov verurteilt worden war. In dem Aufruf wurden die Ermordeten als Mossad- bzw. CIA-Agenten bezeichnet.

Uneinsichtiger Intendant

In einer ersten Reaktion auf den Gemeinderat bezeichnete Festwochen-Intendant Milo Rau die Charakterisierung von Ernaux als »Antisemitin« als absurd und wies auf die für den 7. Mai geplante Rede des israelischen, regierungskritischen Intellektuellen Omri Boehm hin. Boehm soll unter anderem darüber sprechen, »warum der israelisch-palästinensische Konflikt eine Gefahr für die europäische Identität darstellt«, da es zwischen dem deutschen Verfassungsverständnis hinsichtlich einer Verantwortung für den Holocaust und einer Prägung Frankreichs hinsichtlich seines kolonialen Erbes Gegensätze gebe.

Hierbei tut sich allerdings nicht nur die Frage auf, wie der Verweis auf einen anderen israelkritischen Redner die Antisemitismusvorwürfe gegen Annie Ernaux entkräften soll, sondern auch jene nach der Verantwortung: Wie lange ist Intendant Milo Raus Einladungspolitik für die Wiener Festwochen tragbar?

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