Während die palästinensischen Flüchtlinge und das ihnen zugeschriebene „Rückkehrrecht“ in aller Munde sind, weiß kaum jemand etwas über das Schicksal der jüdischen Flüchtlinge in der arabischen Welt.
Stephan Grigat, Die Presse
Würde es mit rechten Dingen zugehen, wäre bei jeder Diskussion über den Konflikt Israels mit seinen arabischen Nachbarn nicht nur von jenen etwa 750.000 Palästinensern die Rede, die als Folge des von den Nachbarstaaten Israels vom Zaun gebrochenen Kriegs von 1948 geflohen sind oder vertrieben wurden, sondern stets auch von der Flucht und Vertreibung nahezu aller Juden aus der arabischen Welt.
Doch wer außer einige Spezialisten weiß etwas über die Pogrome im marokkanischen Oujda und Jérada 1948, die in der gerade auf Deutsch erschienenen Studie „Die Juden der arabischen Welt“ des Historikers Georges Bensoussan eine wichtige Rolle spielen? Oder über den Farhud in Bagdad, jenes Pogrom des Jahres 1941, das den Auftakt für das Ende der über zweieinhalbtausend Jahre alten jüdischen Gemeinde im Irak bildete? (…)
Die Zahlen sind erschütternd: Von den über 250.000 marokkanischen Juden sind nur etwa 2000 im Land geblieben. In Tunesien lebten 100.000 Juden, heute sind es 1000. In Ägypten lebten 1948 75.000 und im Irak 135.000 Juden, heute sind es jeweils weniger als 20. Im Jemen waren es etwa 60.000, heute wird ihre Zahl auf 50 geschätzt. Die syrische jüdische Gemeinde wurde von 30.000 auf weniger als 15 dezimiert. In Algerien lebten 1948 140.000 Juden, in Libyen 38.000. In beiden Ländern leben heute überhaupt keine Juden mehr.
Während die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen bis heute aufgrund der Politik der Regierungen in Damaskus, Amman und Beirut mehrheitlich weiterhin in Flüchtlingslagern ein elendes Leben führen, in den arabischen Staaten massiver Diskriminierung ausgesetzt sind und von Antizionisten zum Propagandamittel gegen den jüdischen Staat degradiert werden, wurden die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern in Israel integriert – trotz Schwierigkeiten und trotz aller Vorbehalte der aus Europa stammenden Juden gegenüber jenen aus den arabischen Ländern. Das ist einer der Gründe dafür, dass über die eine Gruppe bis heute auf höchster politischer Ebene regelmäßig diskutiert wird, wohingegen die andere nahezu in Vergessenheit geraten ist.
Der Exodus der Juden aus arabischen Staaten