Erweiterte Suche

Werden die USA ihre Truppen aus dem Irak abziehen?

Amerikanischer Checkpoint im Irak 2014. (© imago images/Panthermedia)
Amerikanischer Checkpoint im Irak 2014. (© imago images/Panthermedia)

Ein Rückzug der US-Soldaten aus dem Irak würde als Sieg der Feinde der USA verstanden werden und den Einfluss des Iran verstärken.

Die Vereinigten Staaten und der Irak werden Medienberichten zufolge Verhandlungen über einen Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus dem irakischen Hoheitsgebiet aufnehmen. Das wirft Fragen sowohl über den vermutlich schwierigen Verhandlungsprozess als auch über die Auswirkungen eines amerikanischen Rückzugs auf die fragile Sicherheitslage im Irak auf.

Laut einem am 25. Januar veröffentlichten Bericht der Nachrichtenagentur Reuters haben die Vereinigten Staaten der irakischen Regierung ihre Bereitschaft übermittelt, Gespräche über die Beendigung der Mission der internationalen Koalition im Irak und damit über den Abzug ihrer Streitkräfte aus dem Land aufzunehmen. Wie Reuters unter Berufung auf verschiedene Quellen berichtet, hat die US-Botschafterin im Irak, Alina Romanowski, dem irakischen Außenminister Fouad Hussein ein Statement über den Abzug der Koalitionstruppen und einen Vorschlag zur Einleitung eines Vorgehens zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen zukommen lassen.

Den Quellen zufolge haben die Vereinigten Staaten mit diesem Schritt die Vorbedingung fallen gelassen, dass die vom Iran unterstützten bewaffneten irakischen Gruppierungen zunächst die Angriffe auf die amerikanischen Stützpunkte einstellen müssten, bevor über einen Abzug der Amerikaner gesprochen werden kann. Offenbar seien die USA zum Schluss gekommen, dass diese Angriffe nicht aufhören werden, sondern eher deren stetige Eskalation zu befürchten ist.

Der ins Auge gefasst Verhandlungsprozess würde mit Sicherheit mehrere Monate oder gar Jahre dauern; ein Abzug der amerikanischen Streitkräfte stünde somit nicht unmittelbar bevor, so die Quellen.

Rückzug gefordert

Vor dem Hintergrund von Angriffen auf amerikanische Stützpunkte und amerikanische militärischer Reaktionen gegen Ziele iran-naher Milizen hat die irakische Regierung die Vereinigten Staaten wiederholt aufgefordert, ihre Streitkräfte aus dem irakischen Hoheitsgebiet abzuziehen. Im vergangenen Monat erklärte etwa der irakische Premierminister Muhammad Shia al-Sudani, seine Regierung wünsche einen schnellen und geordneten Abzug der Koalitionstruppen auf dem Verhandlungsweg. Er bezeichnete die Präsenz dieser Streitkräfte angesichts der Spannungen in der Region infolge des Gaza-Kriegs als destabilisierend.

Bereits im letzten Sommer hatte das Pentagon eine Vereinbarung zwischen den USA und dem Irak über die Bildung eines gemeinsamen hohen Militärausschusses angekündigt, in dem der Abzug der Koalitionstruppen erörtern werden sollte. Damals hatte es geheißen, die Gespräche zwischen amerikanischen und irakischen Vertretern im Rahmen von Diskussionen würden sich auf die nächste Phase der von den Vereinigten Staaten angeführten Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) konzentrieren.

Die Vereinigten Staaten haben rund neunhundert Soldaten in Syrien und 2.500 auf irakischem Territorium stationiert. Sie gehören zu den internationalen Koalitionstruppen, die den lokalen Kräften mit Rat und Tat zur Seite stehen, um die Rückkehr des IS zu verhindern, der 2014 die Kontrolle über große Gebiete in den beiden Ländern übernommen hatte, bevor er militärisch zurückgeschlagen und besiegt werden konnte.

Vorteil für den Iran

Zu den Auswirkungen eines eventuellen US-Rückzugs aus dem Irak sagte der amerikanische Politik- und Militäranalyst am Hudson Institute, Richard Weitz: »Niemand weiß, ob die irakische Armee stark genug ist, um der Bedrohung durch den IS oder andere Terrororganisationen nach dem Rückzug der Koalition zu begegnen.« Weitz betonte, dass der Abzug, sollte er denn stattfinden, »den amerikanischen Einfluss und die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Irak und sogar mit der Region Kurdistan schwächen wird«.

Der irakische Militärexperte Ahmed Al-Sharifi meinte, der Irak verfüge »nicht über die technischen Mittel, um die Lücke zu füllen, die im Falle eines Abzugs der Koalitionstruppen oder der amerikanischen Streitkräfte entstehen würde« und wies darauf hin, dass die militärischen Kräfte des Iraks »nicht ausreichen, um Konfrontations- oder Abschreckungsstrategien gegen Organisationen wie den IS umzusetzen und die Sicherheit im Land zu gewährleisten«.

Der irakische Journalist und Menschenrechtsaktivist Haider Al-Basir ist überzeugt, dass sich die amerikanischen Streitkräfte »in naher Zukunft nicht aus dem Irak zurückziehen werden«. Die US-Regierung versuche vielmehr, durch die Verhandlungen mit dem Irak »Zeit zu gewinnen«. Die regionalen Umstände würden einen »Rückzug nicht zulassen, weil der Iran das entstehende Vakuum politisch und militärisch füllen könnte«.

Al-Basir erinnert an den amerikanischen Rückzug aus Afghanistan im Jahr 2021, der als »ein moralischer Sieg gegen Washington und als Motivation für die Feinde des Landes« angesehen wurde. Selbst, wenn die US-Präsenz im Irak auf dem Verhandlungsweg beendet werden sollte, würde ein solcher Rückzug als eine »Niederlage der amerikanischen Armee betrachtet werden«.

Die Anwesenheit der Amerikaner sei ein wichtiges Gegengewicht zum iranischen Einfluss im Land. Sollten sie abziehen, würde das dem Iran neue Spielräume eröffnen, welche die regionale Ordnung gefährden würden.

Wiederholung der Geschichte

Nach der Invasion des Iraks 2003 und der weitgehenden Befriedung des Landes nach Jahren eines blutigen Bürgerkriegs haben die USA schon einmal ihre Truppen aus dem Irak abgezogen. Vereinbart wurde dieser erste Rückzug noch unter Präsident George W. Bush, abgeschlossen Ende 2012 unter dessen Nachfolger, Barack Obama.

Der Abzug der US-Truppen wird allgemein als ein wichtiger Faktor für die folgende Destabilisierung des Iraks durch das Wiedererstarken der islamistischen Terrorgruppe Al-Qaida gesehen, die unter dem Namen Islamischer Staat im Irak und der Levante 2014 beträchtliche Teile des Iraks und Syriens erobern konnte. Der Kampf gegen den IS führte zu einer Rückkehr amerikanischer Truppen in das Land, aus dem sie nur wenige Jahre zuvor abgezogen waren. So gerne viele Iraker einen Abzug der US-Truppen auch sehen würden, die Erinnerungen an das anschließende Blutvergießen sind nicht in Vergessenheit geraten.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!