Auf der kürzlich abgehaltenen vierteljährlichen Sitzung des Verwaltungsrats der IAEO warnten die USA und ihre europäischen Partner vor der Bedrohung, die von der mangelnden Kooperation des Irans ausgeht.
Unter Diplomaten in den USA und Europa wächst die Befürchtung, dass das weitgehend unkontrollierte iranische Atomprogramm und die durch den Gaza-Konflikt verursachte Destabilisierung die iranischen Fraktionen, welche die Entwicklung von Atomwaffen unterstützen, stärken könnten.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hat in den letzten Tagen bekräftigt, dass sein Land vorerst ein ziviles Atomprogramm verfolgt. Auf der vierteljährlichen Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in der vergangenen Woche warnten die USA und ihre europäischen Partner jedoch eindringlich vor der Bedrohung, die von der mangelnden Kooperation des Irans bei seinem Atomprogramm ausgeht.
IAEO-Direktor Rafael Grossi räumte sogar ein, dass die Aufsichtsbehörde »die Kontinuität ihres Wissens über die Produktion und den Bestand von Zentrifugen, Rotoren, schwerem Wasser und Uranerzkonzentrat« im Iran verloren habe. Der russische Gesandte bei der IAEO, Michail Uljanow, warnte ebenfalls, die Situation sei »voller Gefahren und droht außer Kontrolle zu geraten«, wobei er die Schuld vor allem auf den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen von 2015 schob.
Die Warnungen erfolgten nach dem Erfolg der das Atomabkommen von 2015 zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms ablehnenden Hardliner bei den iranischen Parlamentswahlen Anfang März. Die Wahlen unterlagen zwar strengen Kontrollen seitens des Regimes und waren durch eine äußerst niedrige Wahlbeteiligung gekennzeichnet, aber das Parlament kann dennoch die innenpolitische Debatte mitbestimmen.
Das Gefühl der Dringlichkeit hat nicht nur deshalb zugenommen, weil der Iran Uran auf einem so hohen Niveau nahe dem Level, der als waffenfähig gilt, anreichert, sondern auch, weil in den vergangenen Monaten hochrangige iranische Funktionäre das Bekenntnis Teherans zu einem ausschließlich zivilen Atomprogramm infrage gestellt haben.
Der regionale geopolitische Kontext, nicht zuletzt die Befürchtung, dass sich der Gaza-Konflikt zu einem größeren iranisch-israelischen Krieg ausweiten könnte, spielt ebenfalls eine Rolle als auch die Tatsache, dass das ohnehin de facto auf Eis liegende Atomabkommen von 2015 im Oktober nächsten Jahres offiziell ausläuft.
Der Leiter der Forschungsabteilung zu den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) bei United against Nuclear Iran, Kasra Aarabi, sagte, die Weigerung der US-Regierung unter Präsident Joe Biden, »dem Iran direkte Konsequenzen aufzuerlegen – trotz seiner konsequenten Aggressionsakte seit dem 7. Oktober, darunter ein Stellvertreterangriff des Korps der Islamischen Revolutionsgarden, bei dem drei US-Soldaten in Syrien getötet wurden –, hat das iranische Regime ermutigt und den Obersten Führer Ayatollah Khamenei und die IRGC in dem Glauben bestärkt, dass das Regime die Lage eskalieren kann, ohne mit irgendwelchen Konsequenzen rechnen zu müssen«.
Iranische Blockladehaltung
Der Befehlshaber des US-Zentralkommandos Michael Kurilla warnte am Donnerstag vor dem Ausschuss der amerikanischen Streitkräfte, die Entwicklung des Irans zur Atommacht würde »den Nahen Osten für immer verändern. Der Schlüssel zur Abschreckung liegt darin, dass Teheran begreift, dass dieses Verhalten Konsequenzen haben wird«, sagte Kurilla, der klarstellte, dass die Möglichkeit für eine solche »Abschreckung zeitlich begrenzt ist«.
Überhaupt scheinen die USA die Geduld mit der iranische Blockadehaltung zu verlieren. So erklärte die US-Beauftragte bei der IAEO, Laura Holgate, letzte Woche gegenüber der Atombehörde: »Nach fünf Jahren nur begrenzter Zusammenarbeit in letzter Minute; fünf Jahren, in denen der Iran seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, und fünf Jahren ungelöster Fragen im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Nuklearmaterial an nicht deklarierten Orten im Iran können wir nicht zulassen, dass das derzeitige Verhaltensmuster des Irans weiter anhält.«
Holgate forderte von IAEO-Chef Grossi einen endgültigen und umfassenden Bericht über Irans Umgang mit den ihm auferlegten Vorschriften vor der nächsten Sitzung des Ausschusses im Juni, wenn die E3-Gruppe – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – über die UNO weitere Sanktionen erwägen muss.
Diese E3 waren ebenso unverblümt, als sie in einer Erklärung festhielten, der Iran habe »die Anreicherung von Uran weit über das Niveau hinaus fortgesetzt, wozu er sich im JCPOA [dem Atomabkommen] verpflichtet hat. Der Iran muss jetzt ernsthafte und sinnvolle Schritte unternehmen, die einen echten Willen zur Deeskalation zeigen. Die jüngsten öffentlichen Äußerungen des Irans über seine technischen Fähigkeiten zur Herstellung von Atomwaffen gehen in die entgegengesetzte Richtung.«
Zugleich besteht der Iran darauf, bereit zu sein, über eine Folgeversion des Atomabkommens zu verhandeln, und die Hintergrundgespräche mit dem stellvertretenden Außenminister Ali Bagheri und seinen europäischen Amtskollegen gehen weiter. Gleichzeitig weist Teheran zunehmend auf das halb deklarierte Atomwaffenprogramm Israels hin. Vor Kurzem erklärte etwa der ehemalige Chef der iranischen Atombehörde Ali-Akbar Salhi, sein Land habe alle für eine Atombombe relevanten Schwellenwerte überschritten.
Auf einer Abrüstungskonferenz in Genf im Februar wiederum sagte der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian, Israel sei »die wahre Quelle der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen« in der Region. »Es ist notwendig, das gesamte Nukleararsenal dieses Regimes zu beseitigen und alle seine Nuklearanlagen den Überwachungs- und Verifizierungsmechanismen der Internationalen Atomenergie-Organisation zu unterstellen.«
Aarabi von United against Nuclear Iran, prophezeit, dass »der Rest dieses Jahres extrem unbeständig sein wird, nicht zuletzt, weil innerhalb des Regimes die Stimmung wächst, dass die nächsten zehn Monate die beste Gelegenheit bieten könnten, sich vor einer möglichen neuen Regierung im Weißen Haus in Richtung nuklearer Bewaffnung zu bewegen«.