Im Iran sollen 41 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben haben. Auch wenn das stimmen sollte, wäre es nur die halbe Geschichte.
Glaubt man den von regimenahen Medien verbreiteten Zahlen, haben an der Parlamentswahl im Iran am Freitag rund 41 Prozent der Wähler teilgenommen. Das wäre zwar ein größerer Prozentsatz als im Vorhinein vielfach angenommen, aber immer noch die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik.
An der Richtigkeit der offiziellen Zahlen darf allerdings aus mehreren Gründen gezweifelt werden: Das Regime hat im Vorfeld der Wahl einige Schritte unternommen, um einen aus seiner Sicht günstigen Wahlausgang zu organisieren. So wurden etwa die Standards für den Identitätsnachweis bei der Stimmabgabe auf eine Art und Weise gelockert, die eine Mehrfachabgabe von Stimmen massiv erleichterte. Videos und Berichte vom Wahltag nähren den Verdacht, dass der Urnengang selbst von großen Unregelmäßigkeiten geprägt war.
Und wie die oppositionelle Webseite Iran International analysiert, dürfte sich unter den abgegebenen Stimmen eine bislang präzedenzlos hohe Zahl an ungültigen Stimmen befinden. Zahlreiche Menschen seien demnach zwar zur Wahl gegangen, hätten sie aber gewissermaßen mit dem Mittel invalider Stimmen boykottiert.
Indirekte Wahlpflicht
Obwohl es im Iran keine Wahlpflicht gibt, übt das Regime zum Teil massiven Druck auf die Bewohner des Landes aus, sich an Wahlen zu beteiligen. Die Islamische Republik verfolge genau, wer seine Stimme abgibt und wer nicht und übe auf diesem Weg großen sozialen Druck aus. Eine Nichtteilnahme kann insbesondere für Iraner, die im Staatsdienst stehen (wie Lehrer, Universitätsprofessoren oder Beamten), zu nachteiligen Konsequenzen führen:
»Berichten zufolge ist eines der wichtigsten Kriterien für die Verlängerung der Verträge von Regierungsangestellten oder für ihre Beförderung ihr Wahlverhalten, das von den Sicherheits- und Geheimdiensten als Zeichen der Regimetreue gewertet wird.«
Unter diesen Umständen gingen zwar einige Iraner widerwillig zur Wahl, gäben in der Wahlzelle dann aber ungültige Stimmen ab. »Diejenigen, die wählen müssen, um ihren Arbeitsplatz zu behalten, drücken ihre Unzufriedenheit durch ungültige Stimmen aus.«
Glaubt man den Regimeverlautbarungen, musste der Wahlschluss drei Mal nach hinten verlegt werden, um den Ansturm enthusiastischer Wähler bewältigen zu können. Videos und Bilder aus Wahllokalen, die via Social Media verbreitet wurden und auf denen meist gähnende Leere zu sehen war, zeichneten ein ganz anderes Bild vom Wahltag.
Die Gedankenakrobatik, mit der sich das Regime die Wahl schön zu reden versucht, stößt bei dessen Kritikern auf einigen Spott. Der ehemalige Parlamentsabgeordnete Mahmoud Sadeghi etwa schrieb auf X (vormals Twitter): »Bei der letzten Parlamentswahl (2020) sagten sie, dass wegen der Covid-Pandemie nur 42,5 Prozent gewählt hätten; jetzt, wo die Wahlbeteiligung noch geringer ist, tun sie so, als wäre es ein Sieg für sie!«