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Türkei: Empörung über ägyptische Äußerung zur Eroberung Konstantinopels

Erdogan auf einem Festakt anlässich des Jahrestags der osmanischen Eroberung Konstantionopels
Erdogan auf einem Festakt anlässich des Jahrestags der osmanischen Eroberung Konstantionopels (© Imago Images / Seskim Photo)

Das ägyptische Fatwa-Amt Dar al-Ifta al-Misriya, hat einen „Aufruhr“ unter Muslimen verursacht und die türkische Regierung verärgert. Stein des Anstoßes: Es hatte die islamische Eroberung Konstantinopels – historisch zweifellos korrekt – als „Besatzung durch die Osmanen“ bezeichnet.

Das 1895 gegründete Dar al-Ifta ist ein Zentrum für islamische Rechtsfragen (Fatwas). Das Rechtsgutachtergremium, das vom Großmufti von Ägypten geleitet wird, ist neben der al-Azhar-Universität die wichtigste islamische Institution in Ägypten.

Kritik an Erdogans Neo-Osmanentum

Der vermeintliche Skandal, über den der katarische Medienkonzern Al-Jazeera und die Nachrichtenseite Middle East Monitor berichtet haben, steht in einem Zusammenhang mit dem Plan des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee umzuwandeln.

Diesen Plan hatte die Dar al-Ifta kritisch kommentiert und dabei den Begriff „Besatzung“ verwendet. Wegen der empörten Reaktionen darauf habe das Fatwa-Amt die entsprechende Äußerung von seiner Website entfernt und durch eine andere Formulierung ersetzt, heißt es. Laut Al-Jazzera lautete der ursprüngliche Text, der auf der Website der Dar al-Ifta veröffentlicht wurde, so:

„Die Hagia Sophia wurde während der byzantinischen Zeit im Jahr 537 als Kirche erbaut und blieb 916 Jahre lang bestehen, bis die Osmanen 1453 Istanbul [Konstantinopel] besetzten und das Gebäude in eine Moschee verwandelten.“

Als Reaktion auf die Welle der Entrüstung veröffentlichte die Dar al-Ifta später einen Text, in dem sie klarstellt, dass sie die islamische Eroberung keinesfalls missbillige:

„Die Eroberung von Konstantinopel ist eine große islamische Eroberung, die vom Propheten – mögen Gottes Gebete und Friede auf ihm sein – gepredigt wurde, und sie wurde vom großen osmanischen Sufi-Sultan Mohammed al-Fateh durchgeführt.“

Sie bezieht sich auf Sultan Mehmet II, unter dessen Herrschaft die Stadt erobert wurde. Weiter heißt es:

„Aber Erdogan ist nicht Mohammed al-Fateh und hat auch keine Verbindung zu ihm.”

Die Dar al-Ifta habe

„wiederholt mit Dokumenten und Beweisen bestätigt, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Fatwas als Waffe einsetzt, um im Namen der Religion zu Hause eine Tyrannei zu installieren und seine Ambitionen im Ausland im Namen eines beanspruchten Kalifats zu rechtfertigen.“

Höherer Moscheenrate als im Iran

Konstantinopel wurde am 29. Mai 1453 vom osmanischen Heer erobert. Laut dem Augenzeugen Niccolò Barbaro schlachteten die Türken nach der Eroberung „den ganzen Tag über Christen”. Der britische Historiker Philip Mansel schreibt von Tausenden von Morden und Vergewaltigungen und der Versklavung von 30.000 Zivilisten.

Die Hagia Sophia in ihrer jetzigen Form wurde zwischen 532 und 537 unter der persönlichen Aufsicht von Kaiser Justinian I. errichtet. Sie ist eines der größten erhaltenen Beispiele byzantinischer Architektur, reich an Mosaiken und Marmorsäulen und -verkleidungen.

Nach der Eroberung Konstantinopels durch das osmanische Heer wurde die Hagia Sophia wie andere christliche Kirchen zu einer Moschee umgewidmet. Nachdem die türkische Republik das Osmanische Reich beerbt hatte, wurde sie 1934 zu einem Museum. Seit Jahren fordern Islamisten, aus ihr wieder eine Moschee zu machen.

Dabei mangelt es in der Türkei nicht an Moscheen, schrieb der türkische Kolumnist Burak Bekdil vor einigen Jahren.

„Im Gegenteil, fromme Türken genießen den Komfort von mehr Moscheen pro tausend Einwohner als der iranische Scharia-Staat.“

Die Kampagnen für die „Hagia-Sophia-Moschee“ haben nichts mit einem etwaigen Mangel an muslimischen Gebetshäusern in der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei zu tun, so Bekdil weiter.

„Sie spiegeln lediglich eine islamische Kreuzfahrer-Denkweise wider.“

Fromme Türken glaubten anscheinend, dass die Eroberung der Stadt unvollständig sei:

„Wenn die Eroberung abgeschlossen sein soll, müssen alle Spuren des christlichen Erbes beseitigt werden. Es ist dieselbe Denkweise, die die Türken davon überzeugt, dass Jerusalem, das etwa 10 Jahrhunderte vor der Geburt des Islam erbaut wurde, eine heilige islamische Stadt sei.“

Geschichtsklitterung

Präsident Erdogan feiert jedes Jahr den Jahrestag der blutigen Eroberung Konstantinopels. Laut Al-Jazeera nannte der Vorsitzende der türkischen Religionsbehörde die Äußerung der Dar al-Ifta, wonach Konstantinopel von den Osmanen besetzt wurde, „unglücklich und hässlich“.

Erst im Februar dieses Jahres hatte es einen Konflikt zwischen dem ägyptischen Fatwa-Amt und der türkischen Regierung gegeben, nachdem das Fatwa-Amt die Türkei beschuldigt hatte, in ihren Fernsehserien Geschichtsklitterung zu betreiben: Die türkischen Fernsehserien verzerrten historische Fakten und verbreiteten „Fehlinformationen“.

Die Türkei sei eindeutig voreingenommen zugunsten der Muslimbruderschaft und schützt ihre eigenen Interessen. In einer am 3. Februar veröffentlichten Erklärung nannte das Fatwaamt die beliebten türkischen Fernsehserien „Dirilis Ertugrul“ („Wiederauferstehung Ertugrul“) und „Tal der Wölfe“ als Beispiele für die Versuche der Türkei, ihre soft power zu nutzen, „um einen Einflussbereich im Nahen Osten zu schaffen.”

Es bezichtigte zudem den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu versuchen, das Osmanische Reich wiederzubeleben und den arabischen Ländern, die früher von der Türkei regiert wurden, eine türkische Hegemonie auferlegen zu wollen.

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