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Offensive der iranischen Sittenpolizei zur Durchsetzung der Hidschabpflicht

Protest gegen Verschleierungszwang und Gewalt gegen Frauen
Protest gegen Verschleierungszwang und Gewalt gegen Frauen (© Imago Images / SOPA Images)

Online-Videomaterial zeigt, wie Frauen von der Sittenpolizei belästigt und bestraft werden, weil sie gegen die drakonischen Kleidervorschriften des Teheraner Regimes verstoßen haben.

Im Zuge einer neuen Offensive der Sittenpolizei gegen diejenigen, die sich nicht an die strengen Teheraner Kleidervorschriften halten, werden Frauen getasert, sexuell missbraucht und geschlagen. Mehrere im Internet veröffentlichte Videos zeigen, wie Frauen wegen so geringfügiger Vergehen wie dem Tragen eines zu kurzen oder zu bunten Mantels festgenommen und in Polizeifahrzeuge gepfercht werden.

Unter dem Codenamen »Noor« [dt. »Licht«] hat die Islamische Republik ein neue, umfassende Operation gegen alle eingeleitet, die gegen ihre Kleiderregeln für Frauen verstoßen. Iranische Frauen berichteten gegenüber der britischen Tageszeitung The Telegraph von sexuellem Missbrauch und davon, dass ihnen der Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen wie U-Bahn-Stationen, Universitäten und Cafés verweigert worden war, weil sie sich nicht an die Kopftuchvorschriften hielten oder zu enge und figurbetonte Hosen trugen.

Die jüngsten strengen Maßnahmen begannen am 13. April, nur wenige Stunden bevor die Islamische Republik Hunderte von Drohnen und Raketen auf Israel abfeuerte, weswegen viele Iraner vermuten, dass dieser Zeitpunkt gewählt wurde, weil die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit durch den Angriff abgelenkt war.

Erniedrigt und begrapscht

Eine 25-jährige Studentin des Bauingenieurwesens erzählte dem Telegraph, wie sie auf ihrem Nachhauseweg von einer Gruppe von Polizisten in Zivil angesprochen wurde. Sie habe ihr Kopftuch locker um den Hals gehängt getragen, »bereit, es hochzuziehen, wenn ich ihnen begegnete«, aber alles sei zu schnell gegangen, als dass sie hätte reagieren können. Einer der Polizisten habe per Funk einen Polizeiwagen gerufen, um sie abzutransportieren. »Kurz darauf begann er, mich unangemessen zu berühren. Er berührte meine Brüste und sagte mir: ›Ist es nicht das, was du wolltest, indem du dich so zeigst? Dann viel Spaß damit.‹ Das war der schlimmste Moment in meinem Leben.«

Sie habe noch versucht, sich zu wehren, aber ein anderer der Polizisten habe sie von hinten an den Haaren gepackt und auf den Boden geworfen. »Ich fühlte mich hilflos und versuchte zu schreien und um Hilfe zu rufen, aber es war niemand da. Ich stand auf, aber ein anderer packte mich am Hemd und schlug mich erneut zu Boden.« Einige Minuten später kam der angeforderte Kastenwagen, in den sie schreiend hineingezerrt wurde. Vier andere, ebenfalls weinende Mädchen befanden sich bereits in dem Fahrzeug, erinnerte sie sich gegenüber der britischen Zeitung.

Sie wurden zu einer Polizeistation gebracht, wo sie bereits Dutzende anderer Frauen vorfanden. Mit denen sie in einen Raum gesperrt war, im dem sie fünf Stunden lang warten musste. Schließlich wurde ihr Name aufgerufen und ihr wurden Papiere zur Unterschrift vorgelegt. Darin hieß es, dass sie sich nicht mehr ohne Hidschab in der Öffentlichkeit bewegen dürfe und dass sie keine Beschwerde über das Verhalten der Beamten einreichen werde.

Sie sind überall

Im ganzen Land wurden Ende April Woche Hunderte von Frauen auf den Straßen festgenommen und viele weitere vorgeladen und mussten Gewalt über sich ergehen lassen, weil sie gegen die Kleiderordnung verstoßen hatten. Im Internet veröffentlichte Videos zeigen, wie die Sittenpolizei Frauen gewaltsam arretiert. Ein Clip aus Teheran zeigt eine Frau, die von fast einem Dutzend Beamten umringt ist, wobei zwei Frauen ihr ins Gesicht schlagen und zwei Männer sie in ein Fahrzeug drängen. In einem anderen Clip ist eine Frau zu hören, die sagt: »Lassen Sie mich [mein Kopftuch] aufsetzen«, während ein männlicher Beamter sie mit einem Elektroschocker attackiert.

Das Vorgehen der Islamischen Republik wurde auch auf Online-Plattformen ausgeweitet. So hat die Polizei mehrere Frauen verhaftet, die ihre Erfahrungen in den sozialen Medien mitteilten; zusätzlich wurden Dutzende von Instagram-Seiten gesperrt.

Die inhaftierte Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi, die im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten hatte, verurteilte die Offensive der Sittenpolizei. »Heute hat die autoritäre religiöse Regierung, die eher von Verzweiflung als von Stärke getrieben wird, einen totalen Krieg gegen Frauen auf allen Straßen des Landes entfesselt«, sagte Mohammadi in einer Sprachnachricht aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis.

Über zweihundert Studenten der Amirkabir-Universität in Teheran traten im Zusammenhang mit dem Vorgehen des Regimes in den Streik und weigerten sich, am Unterricht teilzunehmen, um gegen neue Vorschriften an den Universitäten zu protestieren. So wurden »getrennte Eingangstüren für Mädchen und Jungen eingerichtet«, erzählte eine Studentin der Teheraner Universität. »Am Eingang für Mädchen gibt es Kameras, um diejenigen zu identifizieren, die keinen Hidschab tragen.« Sie fügte hinzu, dass sie am Samstag trotz ihres Kopftuchs angehalten wurde, weil sie eine zu enge Hose und einen zu kurzen Mantel trug.

»Sie sind überall, egal, wo man hinsieht«, schilderte eine Frau, der in der im Nordosten des Irans liegenden Stadt Mashhad der Zutritt zu einer U-Bahn-Station verweigert worden war. »Sie nutzen diese Zeit, in der die Welt von ihrem Konflikt mit Israel abgelenkt ist, um uns zu schikanieren.« Nachdem sie an der U-Bahn-Station von einer Beamtin angefasst und beschimpft wurde, weil sie kein Kopftuch trug, habe sie sich entschieden, zu Fuß zu gehen. »Ich habe mich geweigert, mir vorschreiben zu lassen, was ich zu tragen habe.«

Sittenpolizei ist voll zurück

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022, die festgenommen worden war, weil sie laut Behörden ihr Kopftuch in einer »unangemessenen« Weise trug, ist im Iran der zunehmende Trend zu beobachten, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit ohne Hidschab zeigen. Aminis Tod löste landesweite Proteste aus. Im Zuge dessen verschwanden die weißen Kastenwagen der Sittenpolizei in einem Ablenkungsmanöver für einige Zeit von den Straßen, doch mittlerweile sind sie wieder voll im Einsatz.

So erklärte der Kommandeur der iranischen Polizei, Ahmadreza Radan, dass die neue Offensive und die Razzien mit »Kraft und Präzision« fortgesetzt würden. Die Behörden »können nichts gegen Israel machen«, sagte eine Studentin, »stattdessen schikanieren sie uns«.

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