Der Iran könnte bereits eine Atombombe besitzen, sagte ein dem Regime nahestehender Abgeordneter am Wochenende inmitten offener Drohungen von Funktionären in Teheran, das Atomprogramm in ein Waffenprogramm umzuwandeln.
Der seit Anfang der 1980er Jahre in verschiedenen Regierungsfunktionen tätige Ahmad Bakhshayesh Ardestani, der heute einen Bezirk in der Nähe der Atomanlage Natanz im Parlament vertritt, sagte gegenüber dem staatlichen Sender Rouydad24, Teheran habe das Risiko eines Angriffs auf Israel im April auf sich genommen, weil der Iran über Atomwaffen verfüge. »Meiner Meinung nach sind wir im Besitz von Atomwaffen, aber wir geben es nicht bekannt. Das bedeutet, dass unsere Politik darin besteht, Atombomben zu besitzen, aber unsere öffentlich deklarierte Politik bewegt sich derzeit im Rahmen des JCPOA«, sagte Ardestani unter Bezug das Atomabkommen von 2015.
Der Grund für die atomare Bewaffnung bestehe darin, dass, »wenn Länder andere konfrontieren, ihre Fähigkeiten kompatibel sein müssen, und die Kompatibilität des Irans mit Amerika und Israel bedeutet, dass der Iran Atomwaffen haben muss. In einem Klima, in dem Russland die Ukraine und Israel den Gazastreifen angegriffen hat und der Iran die ›Achse des Widerstands‹ unterstützt, ist es nur natürlich, dass das Eindämmungssystem verlangt, dass der Iran Atombomben besitzt. Ob der Iran dies jedoch öffentlich erklärt, ist eine andere Frage.«
Iran International, das über die Aussagen des Abgeordneten berichtete, bezeichnete Ardestani als »vertrauenswürdige Figur des Regimes«, unter anderem deshalb, weil der konservative Abgeordnete an den streng inszenierten Parlamentswahlen im März teilnehmen und diese auch gewinnen durfte. Ardestani war ein enger Verbündeter von Mahmoud Ahmadinejad und hat in der Vergangenheit eine vierjährige Amtszeit als Unterstützer des ehemaligen Präsidenten hinter sich.
Überdenken der Nukleardoktrin
Am Donnerstag sagte ein Berater des Obersten Führers Ali Khamenei, die Islamische Republik werde eine Bombe bauen, wenn Israel »ihre Existenz bedroht«. »Wenn das zionistische Regime es wagt, die iranischen Atomanlagen zu beschädigen, wird unser Abschreckungsniveau ein anderes sein. Wir haben nicht beschlossen, eine Atombombe zu bauen, aber wenn die Existenz des Irans bedroht ist, werden wir unsere Nukleardoktrin ändern müssen«, sagte Kamal Kharrazi gegenüber einem lokalen Medienunternehmen.
Der Leiter des Strategischen Rats für Außenbeziehungen fügte hinzu, Teheran habe bereits signalisiert, über die Fähigkeit zum Bau der Bombe zu verfügen. Kharrazis Äußerungen erfolgten nach dem israelischen Vergeltungsschlag gegen den Iran im vergangenen Monat, bei dem Teile des Luftwaffenstützpunkts Schikari in der Nähe von Isfahan zerstört wurden. Der Angriff erfolgte fünf Tage nachdem der Iran einen beispiellosen Angriff mit mehr als dreihundert Drohnen und Raketen auf Israel gestartet hatte, den ersten direkten Angriff auf den jüdischen Staat von iranischem Boden aus.
Bereits einen Tag vor dieser israelischen Reaktion am 19. April drohte die Islamische Republik, ihre offizielle Nukleardoktrin zu überdenken: »Eine Überprüfung unserer Nukleardoktrin und -politik sowie der zuvor kommunizierten Überlegungen ist durchaus möglich«, sagte Generalmajor Ahmad Haghtalab, der für die Sicherung der Atomanlagen zuständige Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur Tasnim, denn Drohungen »gegen die Atomanlagen machen es möglich, die erklärte Politik zu revidieren und davon abzuweichen – unsere Hände sind am Abzug«. Laut Haghtalab hätte die IRGC die Nuklearanlagen des jüdischen Staates auch schon identifiziert.
Der Iran hat stets behauptet, sein Atomprogramm sei rein friedlich, während er seine Urananreicherung weiter ausbaute und auf eine Stufe anhob, die für eine ziviles Atomprogramm keinen Sinn macht. Nach einem Treffen in Teheran in der vergangenen Woche erklärte der Leiter der Internationalen Atomenergie-Organisation Rafael Grossi gegenüber Journalisten, die Zusammenarbeit der Islamischen Republik mit der Organisation sei »völlig unbefriedigend«, und forderte das Land auf, »konkrete« Maßnahmen zu ergreifen, um die Bedenken gegen sein Atomprogramm auszuräumen.