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Russische Öl-Exporte boomen

Differenzen bei Ölförderung: Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit saudischem Amtskollegen Faisal bin Farhan
Differenzen bei Ölförderung: Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit saudischem Amtskollegen Faisal bin Farhan (© Imago Images / ITAR-TASS)

Trotz Sanktionen steigen Russlands Ölexporte. Nicht unbedingt zur Freude Saudi-Arabiens, das durch Förderkürzungen den Ölpreis heben möchte. 

Seit Beginn des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine im Februar 2022 wurde Moskau mit schweren Sanktionen belegt. Diese richten sich nicht zuletzt gegen Russlands wertvollstes Exportgut – Erdöl. Die Einfuhren russischen Öls in die EU sind um neunzig Prozent eingebrochen. 

Um Russlands Einnahmen aus dem Erdölverkauf weiter zu verringern, haben die sieben großen Industrienationen (G7), die EU und Australien eine Koalition gebildet, die im Dezember 2022 eine Preisobergrenze für russisches Öl festsetzte. Dadurch soll Russland gezwungen werden, sein Rohöl unter dem Marktpreis zu verkaufen. Im Februar 2023 wurde dieser Mechanismus auf alle in Russland produzierten Erdölerzeugnisse ausgeweitet.

Drahtseilakt

Die Ölpreisobergrenze verbietet es Unternehmen aus Mitgliedsstaaten der Koalition Transport-, Versicherungs- und Finanzierungsdienstleistungen für russisches Öl und Ölprodukte anzubieten, wenn diese über dem festgelegten Preis gehandelt wurden. Westliche Reedereien können zwar weiterhin mit ihren Schiffen russisches Öl in Drittstaaten wie Indien transportieren, müssen aber mit hohen Strafen rechnen, wenn der Handelspreis des Öls die von der Koalition festgelegte Obergrenze überschreitet.

Das Ziel dieser Regelung ist klar: Die russischen Handelsgewinne sollen reduziert werden, um Moskaus Geldquellen zur Kriegsfinanzierung abzudrehen. Doch Sanktionen wie diese sind ein Drahtseilakt: Wird die Preisobergrenze zu niedrig angesetzt und Russland drosselt seine Produktion, explodieren die Preise am Weltmarkt. Das wiederum würden auch westliche Firmen zu spüren bekommen. Eine zu hohe Obergrenze könnte dem erwünschten Effekt entgegenwirken.

Russlands Ölexporte steigen

Wie der US-Nachrichtensender CNN im April berichtete, haben die russischen Ölexport wieder das Niveau von vor Beginn der Ukraine-Offensive erreicht. Im März brachte das Einnahmen in der Höhe von 11,35 Milliarden Euro.

Russland, der weltweit zweitgrößte Exporteur von Rohöl, fand in China, Indien und auf der Golfhalbinsel dankbare Abnehmer für jenes Öl, das bisher an den Westen geliefert wurde. Saudi-Arabien importierte im Juni ein Rekordvolumen an russischem Öl von 193.000 Barrel pro Tag. Dadurch kann das Königreich den sommerlichen Energiebedarf mit russischen Heizöl decken, ohne die eigene Produktion erhöhen zu müssen.

Doch der rapide Anstieg von russischen Ölexporten unterläuft die Ziele anderer erdölexportierender Länder. Als Reaktion auf die niedrige Ölpreise kündigte Saudi-Arabien Anfang Juli bei der OPEC-Konferenz in Wien an, Produktion und Export von Rohöl weiter reduzieren zu wollen. Anders Russland, das auf der Konferenz zwar ebenfalls Förderkürzungen in Aussicht stellte, tatsächlich aber aufgrund seiner wirtschaftlichen und politischen Situation eine andere Strategie verfolgt: Denn während Saudi-Arabien einen höheren Ölpreis anstrebt, möchte Russland möglichst viel Öl exportieren, um seinen Angriffskrieg auf die Ukraine zu finanzieren.

Bisher hatte Riads Ankündigung jedenfalls wenig Auswirkung auf die internationalen Märkte. Der Preis für das Fass Rohöl schwankt, hat aber nicht den erhofften Preissprung nach oben vollzogen.

Exportsanktionen umgangen 

Aber auch auf anderer Ebene wirken die Sanktion gegen Russland nicht wie erhofft. Europäische Unternehmen und Drittländer umgehen aktiv die Sanktionen und beliefern Russland weiterhin mit sanktionierten Gütern. Das in Norwegen ansässige Risikoberatungsunternehmen Corisk hat dazu unlängst einen Bericht veröffentlicht. Die Analyse von Zolldaten aus zwölf EU-Staaten, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, den USA und Japan zeigt, dass sich die Umgehung von Exportsanktionen gegen Russland im Jahr 2022 auf acht Milliarden Euro belief. 

Wie die Untersuchung zeigt, nutzen europäische Unternehmen Drittländer, um ihre Produkte nach Russland zu verkaufen. Demnach gingen Anfang 2022 die westlichen Ausfuhren sanktionierter Waren nach Russland zwar stark zurück, Exporte in russische Nachbarstaaten schnellten jedoch in die Höhe. Fast die Hälfte dieses »Parallelexports« wird über Kasachstan abgewickelt, gefolgt von Georgien, Armenien und Kirgisistan.

Auch die Exportbeschränkungen von Technologien, die für das Militär wichtig sind – etwa Mikrochips – brachten nicht die erwünschte Wirkung. Russland erhält über Drittländer immer noch Mikroprozessoren und Halbleiter. Einerseits aus Ländern wie dem Iran und China, die Rüstungsgüter liefern. Andererseits werden Chips und weitere Komponenten aus Haushaltswaren wie Kühlschränken oder Waschmaschinen gewonnen, die über Kasachstan, Armenien oder die Türkei in Massen eingekauft werden.

Sanktionen wirken – aber nicht, wie erhofft

Dennoch sind die Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft deutlich spürbar. Aufgrund des westlichen Drucks muss Russland seine Ölprodukte entweder zu jener, von den G7 festgelegten Obergrenze handeln, oder ist gezwungen, seine Fässer an eine begrenzte Anzahl von Kunden zu verkaufen, die dadurch höhere Rabatte aushandeln können. Das bewirkt empfindliche Verluste, zumal Russland etwa 45 Prozent seines Haushalts aus dem Öl- und Gassektor finanziert. 

Trotz steigender Verkaufszahlen liegen die russischen Einnahmen aus dem Erdölhandel daher 43 Prozent unter jenen, die Russland vor den Sanktionen generieren konnte. Im April erklärte die Regierung, dass die sinkenden Energieeinnahmen zu einem Haushaltsdefizit von 2,4 Billionen Rubel (23 Mrd. Euro) in den ersten drei Monaten dieses Jahres beigetragen hätten. 

Die russischen Handelsgewinne aus dem Ölgeschäft sind zwar deutlich gesunken, fließen aber weiterhin ausreichend, um die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten. Russlands Handlungsspielraum ist eingeschränkt, die Produktion der Rüstungsindustrie verlangsamt, den Krieg beenden werden die Sanktionen kurz- und mittelfristig aber nicht.

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