Erweiterte Suche

Neue Bürgerkriegsgefahr in Libyen?

Der Präsident des libyschen Präsidialrats Al-Menfi bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Batili
Der Präsident des libyschen Präsidialrats Al-Menfi bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Batili (Imago Images / APAimages)

Zwischen der Drohung eines neuen Bürgerkriegs und dem Versuch, einen Durchbruch in der politischen Krise zu erzielen, befindet sich Libyen in einer schwierigen Lage.

Der UN-Sondergesandte für Libyen, Abdullah Batili, arbeitet an einer neuen Initiative für die Mission der Vereinten Nationen, die arabischen Berichten zufolge bald angekündigt werden soll. Zur Vorbereitung traf Batili unlängst zweimal mit dem im Westen Libyens residierenden Präsidenten des Präsidialrats, Mohamed Al-Menfi, und dessen Stellvertreter, Abdullah Al-Lafi, zusammen, bevor er in den Osten des gespaltenen Landes reiste, um dort den Sprecher des Repräsentantenhauses, Aguila Saleh, und anschließend den Warlord Khalifa Haftar, Befehlshaber der Libysch-nationalen Armee, aufzusuchen.

Der UN-Gesandte konferierte auch mit Führungspersönlichkeiten aus allen Regionen des Landes, welche die verschiedensten Teile der libyschen Gesellschaft repräsentieren. In einer Presseerklärung vom Montagabend erklärte Batili, er habe mit ihnen »die Rolle erörtert, welche die lokalen Führer bei der Förderung der Versöhnung spielen können«. Außerdem habe er sich »für die Einrichtung legitimer Institutionen eingesetzt, die aus freien und fairen Wahlen hervorgegangen sind«.

Nach Angaben der UN-Mission kann der gemeinsame Nenner dieser Treffen mit dem Meinungsaustausch über die politische Lage und Diskussion der Möglichkeit, konkrete Schritte zur Durchführung von Wahlen zu unternehmen sowie der Erörterung der Sicherheitslage zusammengefasst werden.

Die saudische Zeitung Al-Sharq Al-Awsat zitierte einen anonym bleibenden Politiker mit den Worten, Batilis Vorschlag bestehe darin, »einen hochrangigen Lenkungsausschuss einzurichten, der alle libyschen Interessengruppen zusammenbringt, darunter Vertreter politischer Institutionen, die wichtigsten politischen Persönlichkeiten, Stammesführer, Organisationen der Zivilgesellschaft, Sicherheitsparteien, Frauen und Jugendliche«. Dieser Ausschuss solle die Annahme eines rechtlichen Rahmens und einer Roadmap inklusive Zeitplan enthalten, um die Durchführung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im laufenden Jahr voranzutreiben.

Der libysche Wissenschaftler und Jurist Ramadan Al-Tuwaijer äußerte sich zu den Bemühungen des UN-Gesandten und dessen Hoffnung auf einen Durchbruch, indem er feststellte, dieser hänge sowohl vom internationalen Umfeld und insbesondere von den Konflikten um Libyen zwischen den verschiedenen internationalen Parteien ab. »Es ist sehr wichtig, eine Einigung zwischen den libyschen Parteien zu erzielen. Am wichtigsten ist jedoch eine Einigung zwischen den Ländern, die in Libyen intervenieren.«

Höhepunkt des politischen Stillstands

Die Bemühungen des UNO-Gesandten erfolgten vor dem Hintergrund einer großen politischen Sackgasse: Mit dem Scheitern der Gespräche in Kairo zwischen dem Präsidenten des in Tripolis tätigen Staatsrats, Mohamed Takala, und dem Sprecher des international anerkannten Repräsentantenhauses, Aguila Saleh, hatte der politische Stillstand vor Wochen einen neuen Höhepunkt erreicht.

Das Treffen der Vorsitzenden der beiden konkurrierenden Räte in Ägyptens Hauptstadt brachte keine greifbaren Ergebnisse, die zur Abhaltung allgemeiner Wahlen führen könnten. Die beiden Parteien einigten sich jedoch auf kontinuierliche Konsultationen über die Krise, um eine Lösung zu finden, die den Wünschen und Interessen des libyschen Volkes gerecht wird, so eine Erklärung des Medienbüros des Staatsrats.

Der libysche Politologe Faraj Dardour sagte, dass das Treffen zwischen Saleh und Takala »nicht den persönlichen Wünschen der beiden entsprang, eine Lösung für die politische Situation in Libyen zu finden. Vielmehr war es eine Reaktion auf den Druck von außen oder von innen.« Die Kluft zwischen den beiden Parteien sei immer noch so groß, dass es keine Lösung geben könne, um den Wünschen beider gerecht zu werden.

Neues Zusammenkunft 

Abgesehen von den Bemühungen des UN-Gesandten und dem Scheitern des Takala-Saleh-Treffens in Kairo sind im Westen Libyens neue Spannungen und eine Verschärfung der Sicherheitslage zu beobachten. Diese werden von den strukturellen Veränderungen und neuen sicherheitspolitischen Maßnahmen verursacht, die von der Regierung der Nationalen Einheit unter der Führung von Abdel Hamid Al-Dabaiba nach der Verschlechterung der Sicherheitslage in der Stadt Gharyan eingeführt wurden, wobei die Regierung allerdings die dort lebende Minderheit der Amazigh aus den neuen Sicherheitsformationen ausschloss. 

Die libyschen Amazigh reagierten daraufhin mit offener Ablehnung auf die Sicherheitspolitik, da ihre Geduld am Ende sei. In einer Erklärung schrieben Vertreter der Minderheit, »die jüngste Politik der Regierung und ihr Versuch, eine Politik der vollendeten Tatsachen und eine territoriale Hegemonie über die Regionen der Amazigh durchzusetzen, wird zu einem Bürgerkrieg in Libyen führen.« Der Protest der Amazigh macht deutlich, dass die Minderheit ihren Ausschluss aus der Sicherheitsformation in den von ihr bewohnten Gebieten als bewusste politische und sicherheitspolitische Marginalisierung durch die Regierung betrachtet.

Zu den Spannungen zwischen dem Ost- und dem Westteil des Landes, die einen politischen Lösungsweg so schwierig machen, kommen nun also Konflikte zwischen der Regierung der Nationalen Einheit, die den Westen des Landes kontrolliert, und den Amazigh hinzu, was eine weitere Verschärfung der libyschen Krise erwarten lässt.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!