
„Aus etlichen von den Ermittlern gesammelten Aussagen ergibt sich, dass Männer in Libyen als Form der militärischen und politischen Machtausübung systematisch vergewaltigt werden. In jahrelanger Arbeit, die von einem Journalisten von Le Monde begleitet wurde, hat eine in Tunis ansässige Gruppe erschütternde Opferberichte und Videoaufnahmen gesammelt, in denen zu sehen ist, wie Männer mit verschiedenen Gegenständen anal vergewaltigt werden, darunter Raketen und Besenstiele. In mehreren Fällen erklärten Zeugen, Opfer seien in eine Zelle mit anderen Gefangenen geworfen worden, denen befohlen wurde, sie zu vergewaltigen. Andernfalls würden sie getötet. Die Verbrechen werden in dem gesetzlosen, von Milizen beherrschten Land begangen, um Gegner zu demütigen und auszuschalten. Die Vergewaltigung von Männern ist in arabischen Gesellschaften ein derartiges Tabu, dass die Opfer sich in der Regel zu beschädigt fühlen, um sich dem politischen, militärischen und bürgerlichen Leben wieder anzuschließen. (…)
Im vergangenen Jahr bat die Anklägerin beim Internationalen Gerichtshof (ICC) Fatou Bensouda den UNO-Sicherheitsrat um zusätzliche Mittel und um eine Stärkung und Ausweitung ihrer Befugnisse im Zusammenhang mit ihren Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen in Libyen. Am 15. August erließ der ICC einen internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gegen General Mahmoud Al-Werfalli, einen Verbündeten Khalifa Haftars, der den Osten Libyens jahrelang kontrolliert hat. Im Internet veröffentlichte Videos, die angeblich von Werfalli befehligte standrechtliche Hinrichtungen zeigen, wurden erstmals vom ICC als Beweismittel zugelassen. Dies hat die Ermittler in Tunis ermutigt. Sie wissen nun, dass ihre Videoaussagen vor Gericht zugelassen werden, sollten die Täter, die die systematischen Vergewaltigungen zu verantworten haben, wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden. Sie gehen zudem davon aus, dass weitere Opfer aus den verdeckten Gefängnissen im Osten Libyens aussagen werden.“ (Cécile Allegra: „Revealed: male rape used systematically in Libya as instrument of war“)