Erweiterte Suche

Nothilfe des Jüdischen Nationalfonds: Unterstützung für Terroropfer und zerstörte Gemeinden

Eine mobile Traum-Therapeutin des Jüdischen Nationalfonds bei der Arbeit
Eine mobile Traum-Therapeutin des Jüdischen Nationalfonds bei der Arbeit (Quelle: Eli Levi Productions / KKL-JNF Photo Archive)

Ein Gespräch von Stefan Frank mit der JNF-Hauptdelegierten in Deutschland, Ruth Eitan, über die Hilfe für die Überlebenden des Hamas-Terrors und ihre Tätigkeit für den Jüdischen Nationalfonds.

Der Jüdische Nationalfonds JNF-KKL, 1901 auf Betreiben Theodor Herzls auf dem fünften Zionistenkongress in Basel ins Leben gerufen, ist heute Israels größte, politisch unabhängige Organisation für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Weltweit bekannt geworden vor allem durch die Aufforstung des einstigen Wüstenlands ist sein heutiger Wirkungskreis sehr viel größer. 

Dazu gehört die Soforthilfe für die Opfer des Hamas-Terrors, etwa die finanzielle Unterstützung eines Traumabehandlungszentrums in Sderot. Hier wird Kindern, Jugendlichen und ihren Familien geholfen, Traumata zu lindern. Nach dem 7. Oktober stellte der JNF-KKL Therapeuten für die traumatisierten Opfer bereit und leistete zudem materielle Nothilfe für die verwüsteten Regionen. 

»Ich bin allen unseren Spendern sehr dankbar, die uns in dieser Zeit unterstützen. Ich bin sehr bewegt davon, wie viele Menschen helfen wollen und uns zum Teil auch Briefe und E-Mails schreiben. Das brauchen wir«, sagt Ruth Eitan, seit letztem Jahr Hauptdelegierte des JNF-KKL in Deutschland, im Gespräch mit Mena-Watch.

Die Menschen, die in Israel in der Nähe des Gazastreifens leben, kennt sie sehr gut: »Ich habe sie in den siebzehn Jahren, die ich dort gearbeitet habe und auch danach sehr geliebt. Sie waren meine Freunde, Kollegen, Bekannten und Familie. Obwohl ich in Israel eigentlich in der Nähe von Tel Aviv lebe, war mein Herz immer hier.«

Während dieser Zeit habe sie »viel Schlimmes« erlebt, doch sei das alles »nicht der Rede wert« im Vergleich zu den Grausamkeiten, welche die Menschen am 7. Oktober und danach erlitten haben. »Es sind außergewöhnliche Menschen. Sie haben sich entschieden, dort zu leben, obwohl sie wussten, dass ihr Leben und das ihrer Kinder in Gefahr ist.« Warum blieben sie dennoch? »Sie waren überzeugt davon, dass das, was sie tun, eine große Veränderung bewirken kann. Alle, die ich kannte und die hier wohnen, haben immer von einem guten Zusammenleben mit den Palästinensern geträumt. Sie wollten Frieden mit Gaza.«

Viele Pläne seien dafür geschmiedet worden, doch dann kam der 7. Oktober. »Friedenskämpfer wurden brutal ermordet: Vivian Silver aus Be’eri. Cindy Flash, meine Kollegin vom Sapir Collegem. Ophir Libstein, der Vorsitzende der Regionalverwaltung Sha’ar HaNegev und viele andere. Sie alle wollten, dass wir mit den Palästinensern zusammenleben.«

Das habe die ganze Region gewollt, »obwohl die Menschen dort so sehr gelitten haben unter dem Raketenbeschuss, unter Trauma und Posttrauma«. Trotz alldem habe es keine Demonstrationen gegen die Palästinenser gegeben oder gar Rachegelüste. »Sie haben den Unterschied zwischen der Hamas und der palästinensischen Bevölkerung verstanden. Sie wollten Frieden und Zusammenarbeit. Dafür haben sie sehr, sehr teuer bezahlt.«

Tochter von Holocaustüberlebenden 

Ruth Eitan wurde 1958 in Kirjat Bialik geboren, das 1935 von Juden gegründet worden war, die aus Berlin-Zehlendorf geflüchtet waren. Ihre Eltern sind Holocaust-Überlebende, die 1948 nach Israel kamen. Eitan studierte deutsche Geschichte, in der sie auch promovierte. »Ich wollte meine Ängste Deutschland gegenüber bewältigen«, sagt sie. 

Als sie 1982 zum ersten Mal als Stipendiatin der Universität Haifa an die Universität Mainz kam, habe sie sich vorgenommen, alles zu tun, um junge Deutsche und junge Israelis zusammenzubringen. Das tat sie später, in verschiedenen Funktionen an Universitäten und Organisationen wie dem Deutsch-Israelischen Zukunftsforum. 

Den JNF und seine Arbeit lernte Eitan kennen, als sie Dozentin am Sapir College war, das im Landkreis Shaar HaNegev im Süden Israels, nur wenige Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt, liegt. Das Sapir College besitzt ein Freiluftamphitheater, das Herz des Campus, wo Veranstaltungen stattfinden. Dort gab es jedoch keine Schutzräume, die schnell erreichbar gewesen wären. Ertönt der Alarm, der vor den tödlichen Raketen aus dem Gazastreifen warnt, bleiben nur fünfzehn Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Man darf sich also nur dort aufhalten, wo ein Schutzraum in der Nähe ist. 

»Niemand wollte uns helfen«, erinnert sich Eitan. »Wir waren sehr froh, dass der JNF-KKL sich 2012 entschieden hat, uns zu unterstützen.« Nun gibt es Schutzräume direkt beim Amphitheater. »Wenn wir einen Alarm haben, was sehr oft passiert, können die Studenten in die Schutzräume flüchten.« Durch das Projekt habe sie die »Großzügigkeit und die außergewöhnlichen Spender« des JNF-KKL kennengelernt, erzählt sie. »Ich bin sehr glücklich, dass ich den KKL und seine Ziele und die Menschen in Israel, besonders in der Peripherie, unterstützen kann. Das bereitet mir große Freude.«

Naturschutz und Hilfe für Traumatisierte

Nothilfe des Jüdischen Nationalfonds: Unterstützung für Terroropfer und zerstörte Gemeinden
Ruth Eitan (Quelle: Ruth Eitan)

Der JNF-KKL arbeitet schon lange in den Feldern und Kibbuzim um Gaza. »Unsere Mitarbeiter sind in die Kibbuzim integriert, schützen Wälder und Wasserreservoire. Wir kümmern uns auch schon seit vielen Jahren um die traumatisierte Bevölkerung, insbesondere in Sderot, wo wir das Resilienzzentrum unterstützen.« Das Ziel war es, den Menschen in der Region zu helfen und sie zurück zu einem normalen Leben zu führen. »Deshalb haben wir das Zentrum seit vielen Jahren mit Geldern für Behandlungen unterstützt.« 

Angeboten werden vielfältige Therapien, etwa auch mit Tieren. Zuletzt war der JNF-KKL dabei, das Therapiezentrum um ein Gewächshaus zu vergrößern, damit die traumatisierten Kinder und Jugendlichen neben den Tieren, um die sie sich liebevoll kümmern, auch Pflanzen zum Pflegen und Hegen haben. »Wir haben gehofft, der jungen Generation ein ganz normales Leben in Israel zu ermöglichen. Wir haben auch die Wälder und die Landschaft sehr gepflegt. Der JNF-KKL Deutschland tut viel für die Peripherie Israels.«

Die Arbeit im Traumabehandlungszentrum in Sderot geht trotz der Nähe zum Krieg im Gazastreifen weiter. »Gott sei Dank ist das Zentrum am 7. Oktober nicht zerstört worden«, sagt sie, obwohl es über dem Polizeirevier liegt, das die Terroristen besetzten und zerstörten. »Aber es ist in einer kleinen Gasse, sodass sie es offenbar nicht gesehen haben.« 

Die Therapeuten hätten sehr schnell wieder mit ihrer Arbeit angefangen. »Ihre Teams sind zudem in viele verschiedenen Orten, wo Menschen aus Sderot untergebracht sind, von Eilat bis ins Zentrum des Landes. Die Teams fahren überall hin, durch ganz Israel, und behandeln die Kinder und die Familien.« In den Hotels, in denen Binnenflüchtlinge untergebracht sind, wurden Lernklassen eingerichtet.

Ruth Eitan ist stolz auf ihre Kolleginnen und Kollegen in Deutschland: »Wir haben ein sehr engagiertes Team. Alle sind bereit und machen eine heilige Arbeit.«

In Israel gebe es sehr viele Therapeuten, weil sie leider immer schon benötigt wurden, erklärt sie. »Seit 2001 wird Israel mit Raketen beschossen. Wir haben sehr viele Menschen, die auf solche Situationen vorbereitet sind. Das sind nicht immer Psychologen, sondern teilweise etwa Sozialarbeiter mit einer Spezialausbildung.« Aus ganz Israel seien Psychologen, Sozialarbeiter, Studenten und alle, die mitmachen können, rekrutiert worden. Es gebe auch israelische Psychologen im Ausland, die über Zoom mithelfen. »Man kann sagen, dass sich seit 2001 Israel auf Notfallsituationen vorbereitet, und leider haben die Therapeuten durch den jahrelangen Terror sehr viel Praxis im Umgang mit Traumatisierten gewonnen.«

Der Wiederaufbau 

Ende November wollte der JNF-KKL eine Gala mit den Delegationen aus der ganzen Welt veranstalten, um 75 Jahre Israel zu feiern. Stattdessen kümmerte er sich nun um die Opfer des Pogroms. 

Als erste Organisation hatte der JNF-KKL nach dem 7. Oktober die Landräte der Region angerufen und sich erkundigt, was benötigt wurde. »Am 8. und 9. Oktober hat der JNF-KKL bereits Gelder überwiesen, um dringend benötigte Soforthilfe zu organisieren. Mit dem Geld wurden unter anderem zwei Krankenrettungsfahrzeuge angeschafft. Sie sind groß und können drei Patienten aufnehmen. Jeweils rund 250.000 Euro überwies die Organisation als Soforthilfe an die beiden Landkreise Scha’ar HaNegev und Eshkol, die am 7. Oktober besonders schlimm von den Massakern und Verwüstungen betroffen waren. Dort konnten von dem Geld etwa Generatoren zur Stromerzeugung gekauft werden. 

Die Nothilfe steht derzeit noch im Mittelpunkt. Für sie spendet der JNF. Gleichzeitig bereitete die israelische Regierung in Zusammenarbeit mit den jüdischen nationalen Institutionen die Wiederaufbauphase vor. Ein Management namens Tkuma (deutsch: Wiederaufbauen) wurde ins Leben gerufen. Seine Aufgabe ist es, sich in den nächsten ca. drei Jahren um die Unterbringung der Menschen aus den evakuierten Gemeinden zu kümmern. 

»Ziel ist es, sie in andere Kibbuzim oder Städte umzusiedeln, dabei aber zu versuchen, den ursprünglichen Rahmen zu erhalten, den sie vor dem 7. Oktober als Gemeinschaft hatten«, erklärt Ruth Eitan. »Das ist sehr schwierig, da es unter anderem eine Vielzahl von unterschiedlichen Altersgruppen, Wunschorten und besonderen Bedürfnissen gibt.« So befinden sich etwa junge Familien bereits in den Städten, da die Kinder zur Schule gehen müssen. Manche Menschen fühlen sich zu alt oder zu erschöpft für einen Neuanfang. »Viele müssen sich von dem Massaker erholen. Sie sind traumatisiert, ihre Familien sind zerbrochen. Andere wiederum haben sich noch nicht entschieden, wie es in ihrem Leben weitergehen soll.«

Darüber hinaus gebe es auch Unterschiede, die sich aus der Struktur der Gemeinden ergäben: Die auf eine Betonung von Gemeinschaftseigentum basierenden Kibbuzim sind anders strukturiert als Moschawim, die auf Privatwirtschaft setzen. Auch die Nähe zur Grenze und die Beschaffenheit der Grundstücke ist unterschiedlich. 

Die zerstörten Orte lassen also sich nicht wieder so aufbauen, wie sie einmal waren. »Es ist noch zu früh, um zu entscheiden und zu bestimmen, wie, wann und unter welchen Umständen die sich entwickelnde Gaza-Zone, die in Zukunft ›Tkuma-Zone‹ genannt werden soll, aussehen wird«, sagt Ruth Eitan. Denn über allem liege die Ungewissheit über das Ende des Kriegs, die Zukunft des Gebiets, mögliche zukünftige Sicherheitsprobleme und die neue Realität in der Region.

Hier geht es zur Website des JNF-KKL Deutschland.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!