Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Justizminister Yariv Levin haben sich laut jüngsten Meldungen darauf geeinigt, das Justizreformprogramm ihrer Regierung für zwölf Monate einzufrieren.
Wie Israel Hayom am Dienstag unter Berufung auf anonyme Koalitionsbeamte berichtet haben, hätten Netanjahu und Levin bereits um die Unterstützung des israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog gebeten, hieß es in dem Artikel. Die beiden Politiker sollen hoffen, eine Formalisierung der Aussetzung werde die regierungsfeindlichen Proteste eindämmen.
Die Likud-Partei dementierte die Berichte allerdings. »Alle Koalitionsspitzen arbeiten gemeinsam an der Verabschiedung sowohl des Wehrpflichtgesetzes als auch der Gesetzesreform« zum Umbau des Justizwesens, schrieb die Regierungspartei in einer Erklärung, die auch von der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum (YTJ) unterzeichnet wurde.
Zuvor hatten israelische Medien am Dienstag berichtet, Netanjahus haredische bzw. ultraorthodoxe Koalitionspartner hätten gefordert, die gesamte Reform »auf unbestimmte Zeit« auszusetzen, um die Verabschiedung eines Gesetzes zu ermöglichen, das den Haredim eine fast vollständige Befreiung vom Wehrdienst gewährt. Verteidigungsminister Yoav Galant soll den Haredi-Politikern, darunter auch dem Vorsitzenden der Shas-Partei, Aryeh Deri, gesagt haben, dass es im derzeitigen politischen Klima unmöglich sei, einen solchen Gesetzentwurf zu verabschieden.
Nach Angaben der ultraorthodoxen Nachrichtenseite Kikar HaShabbat teilten die Parteivorsitzenden von VTJ und der Schas-Partei Netanjahu daraufhin mit, gegen jedes weitere »unilaterale«, d. h. ohne Unterstützung der parlamentarischen Opposition erfolgende Vorgehen in Sachen Justizreform zu stimmen, selbst wenn dies zum Rücktritt Levins als Justizminister führe.
Am 24. Juli stimmten alle 64 Abgeordneten der Regierungskoalition für einen Gesetzesentwurf, der die Anwendung des »Angemessenheit«-Standards durch die Höchstrichter einschränkt. Der beschlossene Zusatzartikel zum Grundgesetz verbietet es den Juristen, Entscheidungen des Kabinetts, der Minister und »anderer gewählter Beamter, wie vom Gesetz festgelegt« unter Berufung auf eine »Unangemessenheit« dieser Entscheidungen aufzuheben.
Schwächung oder Stärkung der Demokratie?
Benjamin Netanjahu hat erklärt, seine Regierung wolle während der vor zwei Wochen begonnenen Sommerpause der Knesset eine Einigung mit der Opposition über den Rest des Justizreformpakets anstreben. In einem kürzlichen Interview mit Fox News bestritt der Premier, dass die Reform die israelische Gewaltenteilung schwäche, wie ihre Gegner behaupten, und erklärte, dass sie in Wirklichkeit »die Demokratie stärke. Wir bringen sie auf den Stand der meisten Demokratien zurück. Dorthin, wo Israel in seinen ersten fünf Jahrzehnten war und wo es jetzt in den kommenden Jahrzehnten sein sollte.«
Im Juli wies Netanjahus Likud-Partei eine Forderung der Opposition zurück, alle Gesetze zur Justizreform bis 2025 einzufrieren. Oppositionsführer Yair Lapid sei zwar bereit, ohne Vorbedingungen mit dem Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zu sprechen, »aber für den Likud stellt er eine Liste von Vorbedingungen für Gespräche auf«, erklärte die Partei damals.
»Solange es keinen Gesetzesstopp gibt, hat es keinen Sinn, über andere Gesetze oder Vereinbarungen zu sprechen, denn es ist klar, dass die Regierung in letzter Minute wieder davonlaufen wird«, sagte wiederum Lapid am 30. Juli vor den Mitgliedern der Knesset.