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Islamistische Gruppierungen fordern Fatah im Libanon heraus 

Kämpfe zwischen Fatah und Islamisten im Palästinenserlager Ain al-Hilweh im Libanon
Kämpfe zwischen Fatah und Islamisten im Palästinenserlager Ain al-Hilweh im Libanon (© Imago Images / Xinhua)

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist besorgt, dass eine Übernahme von Ain al-Hilweh, dem größten Flüchtlingslager im Libanon, durch extremistische islamistische Elemente einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte. 

Yoni Ben Menachem

Ende Juli brachen nach der Ermordung des hochrangigen Fatah-Offiziers Abu Ashraf al-Aramoushi im in der Nähe der libanesischen Stadt Sidon gelegenen Flüchtlingslager Ain al-Hilweh Kämpfe aus. Bei den Angreifern handelte es sich vermutlich um Mitglieder der mit der Al-Qaida verbundenen islamistischen Gruppierung Jund al-Sham. Al-Aramoushi, ein Kommandeur der palästinensischen nationalen Sicherheitskräfte in Sidon, war am 30. Juli zusammen mit seinen drei Leibwächtern in Ain al-Hilweh ermordet worden.

Die libanesische Armee rief zu einem sofortigen Waffenstillstand auf, der allerdings nur wenige Tage hielt. Gemäß einem Abkommen zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und der libanesischen Regierung ist es den libanesischen Streitkräften untersagt, palästinensische Flüchtlingslager zu betreten. Stattdessen fällt die Aufrechterhaltung der Sicherheit in diesen Lagern in den Zuständigkeitsbereich einer gemeinsamen Sicherheitstruppe der palästinensischen Gruppen.

Im Zuge der nun erneut eskalierten Kämpfe flohen Hunderte Familien aus Ain al-Hilweh aus ihren Häusern. Acht vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) betriebene Schulen, die normalerweise den Obdachlosen als Unterkunft gedient hätten, befinden sich derzeit unter der Kontrolle der islamistischen Kräfte. Gleichzeitig erlaubt das nahe gelegene Sidon keine Umsiedlung der Flüchtlinge. Ein dort von den Vereinten Nationen errichtetes Zeltlager musste aufgelöst werden.

Die die PLO dominierende Fatah-Bewegung von Mahmoud Abbas hat extremistische islamische Gruppen, die mit Al-Qaida und dem Islamischen Staat verbunden und deren Mitglieder aus Syrien in den Libanon geflohen sind, beschuldigt, die Kontrolle über das Lager – das größte im Libanon – an sich reißen zu wollen.

War ein PA-Beamter der Auslöser?

Offizielle Stellen im Libanon behaupten, die neue Gewalt sei nach dem Besuch des Leiters des Geheimdienstes der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Majed Faraj, in Beirut im vergangenen Monat ausgebrochen, bei dem er Gespräche mit hochrangigen Beamten der libanesischen Regierung geführt habe.

Die PA arbeitet aktiv daran, ihre Kontrolle in den libanesischen Flüchtlingslagern zu verstärken, die Übernahmeversuche dschihadistischer islamischer Gruppen und der Hamas zu vereiteln. Zugleich soll eine neue Fatah-Führung etabliert werden, um so die Machtzentren zu neutralisieren, die mit dem in Abu Dhabi im Exil lebenden politischen Rivalen von PA-Präsident Mahmoud Abbas, Mohammed Dahlan, verbunden sind. Libanesischen Quellen zufolge habe PA-Geheimdienstleiter Faraj erhebliche finanzielle Mittel in den Libanon gebracht, um die Unterstützung von Fatah-Aktivisten in den Flüchtlingslagern zu gewinnen. 

Zugleich befürchtet die Palästinensische Autonomiebehörde, dass die mögliche Übernahme von Ain al-Hilweh durch extremistische islamische Elemente einen gefährlichen Präzedenzfall für andere Flüchtlingslager schaffen könnte. Der erneut eskalierte Konflikt wird wahrscheinlich weiterhin fortbestehen, da die Fatah-Bewegung entschlossen ist, die Einnahme dieser wichtigen Machtbasis im Libanon durch islamistische Organisationen zu verhindern.

So war zwar am 3. August ein Waffenstillstand geschlossen worden, doch bereits fünf Tage später wurden die Kämpfe wieder aufgenommen, als die Fatah von Jund al-Scham die Auslieferung der Mörder al-Aramoushis und die Aufgabe ihrer bewaffneten Stellungen in den Schulen verlangten.

Am 9. September nahm der libanesische Interimspremierminister Najib Mikati Kontakt mit PA-Präsident Abbas auf, um mit ihm die jüngsten Entwicklungen in Ain al-Hilwa nach der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zu erörtern.

Dabei betonte Mikati die Vorrangigkeit, alle Militäraktionen einzustellen und mit den libanesischen Sicherheitsdiensten zusammenzuarbeiten, um die bestehenden Spannungen zu beseitigen. »Was hier geschieht, ist der palästinensischen Sache nicht dienlich und stellt eine schwere Beleidigung für den libanesischen Staat im Allgemeinen und für die Stadt Sidon im Besonderen dar, welche die palästinensischen Brüder umarmt. Im Gegenzug müssen sie mit dem libanesischen Staat nach dessen Gesetzen und Vorschriften verfahren, um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten«, sagte er.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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