Die Bestrebungen der beiden Staaten haben Saudi-Arabien und die UAE an die Spitze des Kampfs gegen den Extremismus gebracht. Sollte ihr Erfolg beschieden sein, würde diese Kampagne eine Form des exklusiven sunnitischen Ultrakonservatismus stärken, die sich für absolutistische Regierungsformen einsetzt und damit die Bedingungen fortzuschreiben droht, die weiterem Radikalismus Vorschub leisten könnten. Während Saudi-Arabien und die UAE sich mit Blick auf den sunnitischen Ultrakonservatismus uneins sind, sind sie sich in der Einstufung des politischen Islam als terroristisch einig, weil er eine alternative Weltanschauung und Regierungsform propagiert. Diesen Differenzen zum Trotz berühren die Auswirkungen der Krise am Golf nicht nur den Nahen Osten und Nordafrika, sondern die muslimische Welt insgesamt. Sollten die Saudis Katar bezwingen, würde die Stellung des ultrakonservative Königreichs – das sich bemüht, seine antidemokratischen, die Menschenrechte mit Füßen tretenden Werte nicht zuletzt durch die Instrumentalisierung der moralischen Autorität, die es als Wächter der beiden heiligsten Pilgerstätten des Islam in Mekka und Medina genießt, weltweit durchzusetzen – als praktisch unangefochtene Macht in der muslimischen Welt gefestigt. Es ist nicht ohne Ironie, dass sich infolge der von den Saudis angeführten Kampagne gegen Katar zwei Monarchien gegenseitig bekämpfen, die beide unterschiedlichen Formen des Wahhabismus, also der ultrakonservativen Weltanschauung, auf die sich die herrschende Al Saud-Familie in Saudi-Arabien stützt, anhängen.
Katar wird ebenso wie Saudi-Arabien von einem Alleinherrscher regiert, der die Politik, die Meinungsfreiheit und die Medien sorgfältig kontrolliert. Es scheint daher kaum dazu prädisponiert, sich für größere Offenheit und mehr Pluralismus einzusetzen. Dennoch nehmen die beiden Länder grundverschiedene Positionen ein. Beide gehen zwar davon aus, dass die Aufrechterhaltung einer Form des Islam für ihre nationale Sicherheit und das Überleben ihres Regimes entscheidend ist. Eingezwängt zwischen der iranischen Islamischen Republik und dem islamischen Königreich von Saudi-Arabien – durch beide fühlt es sich potenziell bedroht – hält Katar den politischen Islam, der als stärkste Kraft aus den Aufständen von 2011 hervorging, für die zukunftsträchtige Macht in der im Umbruch begriffenen Region, die gegenwärtig von grausamer Gewalt, Bürgerkriegen, lähmender geopolitischer Konkurrenz und der von den Saudis und den UAE angeführten Konterrevolution zerrissen wird. Saudi-Arabien hat sich unterdessen damit auseinanderzusetzen, dass seine einzigartige vierzigjährige Kampagne in öffentlicher Diplomatie ultrakonservative, oftmals militante, nach innen gerichtete und intolerante Geister rief, die es nun nicht mehr los wird. Es setzt seine Hoffnung daher auf den Madkhalismus, eine ultrakonservative Strömung, die absoluten Gehorsam dem Herrscher gegenüber propagiert. (…) Kurzum, es gibt in dem Konflikt zwischen Saudi-Arabien, den UAE und Katar keine wirklich Guten. Gleichwohl geht es bei diesem gefährlichen Konflikt im Kern darum, welche islamisch-inspirierte Weltanschauung in der muslimischen Welt die vorherrschende wird, und um die Fähigkeit muslimischer Nationen, insbesondere jener, die in der saudischen Umlaufbahn kreisen, ihren Kurs selbst abzustecken.“ (James Dorsey: „Gulf crisis: A battle for the future of the Middle East and the Muslim world“)