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Hamas-Gräueltaten gegen das Abraham-Abkommen

Die Hamas versucht mit ihrem Terror auch das Abraham-Abkommen zu torpedieren
Die Hamas versucht mit ihrem Terror auch das Abraham-Abkommen zu torpedieren (Imago Images / Sipa USA)

Alles, was bisher mit den Abraham-Abkommen an Normalisierung zwischen der arabischen Welt und Israel erreicht wurde, hat die Hamas durch ihren Terrorüberfall auf Israel infrage gestellt.

Gerhard Werner Schlicke

Israel musste seit dem 7. Oktober die verheerendsten Angriffe auf sein Land, die Zivilbevölkerung und seine Grenzsoldaten erleben. Bis heute sind mehr als siebentausend Raketen auf Israel niedergegangen und haben Menschen schwer verletzt oder gar das Leben gekostet, ausgestattet mit iranischem Know-how, finanziert durch Millionenspenden aus den USA, der Europäischen Union, aus Deutschland und insbesondere Katar für »humanitäre Hilfen für Palästina«.

Im Raum steht nicht nur die Frage nach den Versäumnissen der Geheimdienste in den USA und Israel, sondern auch jene nach dem Warum. Die Welt wurde mit diesem Krieg der Hamas gegen Israel genauso überrascht wie einst die USA mit den Geschehnissen von 9/11. 

Das Versagen der amerikanischen Geheimdienste bestünde aus drei Komponenten, wie Pete Hoekstra in einer Analyse feststellte: 

  1. Sie seien politisiert und hätten den Fokus auf ihre Mission, die Amerikaner zu schützen, verloren und sich stattdessen auf Parteipolitik eingelassen. 
  2. Sie konzentrierten sich weithin auf die Sammlung technologischer Informationen und nicht auf die schwierige und riskante Welt der menschlichen Informationsbeschaffung. 
  3. Sie litten unter einem Mangel an Kreativität bei der Antizipation und dem Verständnis der neuen Bedrohungen, die von den israelischen Feinden entwickelt werden. 

Das bisher größte Versagen bestünde nach Heokstra im Ignorieren der Drahtzieher Iran, Katar und Türkei hinter den aktuellen Angriffen der Hamas. »Sollen der Iran, Katar und die Türkei davon abgehalten werden, ihre bösartigen Aktionen zur Destabilisierung der Region fortzusetzen, muss der Preis, den sie zahlen, hoch sein. Hamas, Iran, Katar und die Türkei dürfen nicht vom Haken gelassen werden.« Deshalb empfiehlt Heokstra den USA die baldige Verlegung ihrer militärischen Mittel vom Luftwaffenstützpunkt Al Udeid in Katar in die Vereinigten Arabischen Emirate. 

Unvorstellbar

Die Hamas könnte die Abhängigkeit westlicher Sicherheitsdienste von der technologischen Informationsbeschaffung ausgenutzt haben. Schließlich wisse man, dass Osama bin Laden sich weigerte, elektronische Kommunikation zu nutzen und sich auf Kuriere verließ, um Botschaften zu übermitteln und die technologische Überwachungsmechanismen zu unterlaufen. 

Die nachträglichen geheimdienstlichen Überprüfungen der Verheimlichung der Planung der Hamas-Operation wird all dies zweifellos untersuchen, aber es scheint schon jetzt so, als sei die elektronische Kommunikation über die Planungen des Terrorangriffs begrenzt und hochgradig verschlüsselt gewesen zu sein, wobei die wenigen Personen, die tatsächlich alle Details kannten, sich auf eine Handvoll beschränkten, um die elektronische Kommunikation, die theoretisch abgefangen und abgehört werden könnte, auf ein Minimum zu beschränken.

So wie sich die amerikanischen Geheimdienste vor 9/11 nicht vorstellen konnten, dass Terroristen Flugzeuge entführen, um sie als Raketen zu verwenden, ist es wahrscheinlich, dass die Israelis nie in Betracht gezogen haben, die Hamas könnte einen mehrgleisigen Angriff zu Wasser, zu Land und in der Luft durchführen, einschließlich des Einsatzes von Gleitschirmen. Die Terrororganisation benutzte Low-Tech-Bulldozer und Sprengstoff, um den Grenzzaun zu durchbrechen und anschließend mit Lastwagen, Motorrädern und anderen mit Terroristen und Waffen beladenen Gefährten die Öffnungen zu durchqueren. Die Hamas feuerte Tausende von Raketen ab, in Salven von Hunderten auf einmal, um Israels hochgelobtes Raketenabwehrsystem Iron Dome zu überwältigen. Da sie aus der russischen Invasion in der Ukraine ihre Lehren über den effektiven Einsatz von Drohnen gezogen hatte, setzte sie drohnengestützte Munition ein, um Wachtürme und Überwachungskameras auszuschalten.

Symbolisches Datum

Die Vermutung, dass die Hamas den fünfzigsten Jahrestag des Jom-Kippur-Kriegs zu Anlass nahm, die damals erlittene und bis heute nachwirkende Schmach in einen weltweit beachteten aktuellen Sieg zu verwandeln, liegt nahe, dürfte aber eher Symbolcharakter für die eigenen Reihen von Islamisten aller Couleur haben, für Geldgeber und palästinensische Sympathisanten außerhalb Gazas, vor allem aber in Europa – und bleibt somit an der Oberfläche einer Erklärung. Viel naheliegender ist es, eine tiefergehende Begründung in der Entwicklung zwischen Israel und der arabischen Welt zu suchen. 

Fünf große Kriege hat Israel seit seiner Staatsgründung über sich ergehen lassen müssen, von denen es jeden einzelnen siegreich beenden konnte. Die Ablehnung Israels durch die Arabische Liga, das ewige Nein – paradigmatisch dargestellt in den drei Nein von Khartum – der Araber und Palästinenser seit dem UN-Teilungsplan von November 1947 bis heute, und der massive Einfluss des Irans gegenüber seinen Handlangern im Libanon und in Syrien führten letztlich zur Institutionalisierung und Verfestigung der gegenseitigen Ablehnung. 

Die unablässigen Scharmützel seitens der Hamas, der Hisbollah und des Palästinensischen Dschihads, die fragwürdige parteiische Haltung in der UN-Menschenrechtskommission, all das hat sich über die Jahre hinweg nicht geändert. Die Osloer Abkommen haben sich langfristig als nicht tragfähig gezeigt. Israel hat mit dem Sinai und Gaza zwar Land gegeben, aber nie Frieden erhalten.

Erst das Abraham-Abkommen vom 15. September 2020 und seine vier bilateralen Vereinbarungen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko läutete eine wirkliche Zeitenwende, einen Paradigmenwechsel gegenüber Israel ein. Was bis dahin für unmöglich gehalten wurde, ist heute fast schon Normalität: diplomatische Beziehungen, Korrekturen in den bis dahin anti-israelischen und antisemitischen Schulbüchern in arabischen Ländern, kultureller Austausch, regelmäßiger direkter Flugverkehr, prosperierender Tourismus und vieles mehr. 

Plötzlich brach das bis dahin bestehende Eis zwischen den arabischen Staaten und Israel. Zuletzt machte selbst Saudi-Arabien mit Kronprinz Mohamed bin Salman kleine Schritte auf Israel zu, was letztlich den Palästinensern zugute gekommen wäre. 

Wenige Tage nach dem Überfall der Hamas auf Israel sprach Prinz Turki Al-Faisal von Saudi-Arabien über den Konflikt und machte dessen Potenzial deutlich. Alles, was bisher mit den Abraham-Abkommen an Normalisierung zwischen der arabischen Welt und Israel erreicht wurde, stellt die Hamas jetzt erfolgreich infrage, indem sie Israel zwingt sich zu verteidigen und der Welt »Bilder der Unmenschlichkeit« durch Israels Armee präsentiert, die diese so gern zu glauben scheint.

Da werden die über zweihundert, jetzt als Schutzschild in Gaza fungierenden Geiseln, die bestialischen Morde an Frauen und Kindern ausgeklammert, man scheut selbst davor nicht zurück, ein Krankenhaus in Gaza, das von den eigenen Raketen getroffen wurde, als Schandtat Israels darzustellen, nur um von den eigenen Verbrechen abzulenken. Und die Welt fällt darauf herein, weil sie darauf hereinfallen will. Sollte es die als verlängerter Arm der Islamischen Revolutionsgarden des Irans fungierende libanesische Hisbollah jetzt schaffen, eine zweite Front im Norden Israels zu öffnen, würden noch entschieden dramatischere Bilder eines erbitterten Kriegs um die Welt gehen.

Mit Ausbruch eines solchen Mehrfrontenkriegs würden die Abraham-Abkommen vermutlich nachhaltig beschädigt werden und damit der Status quo von vor 2020 wieder hergestellt, alte Feindschaften neu belebt und letztlich der Iran als der große Sieger hervorgehen. Die Mullahs würden dem Weg zu ihrem Ziel, Israel zu vernichten, einen weiteren Meilenstein hinzufügen. Israel kämpf also mit entschieden mehr als nur mit den Terroristen der Hamas und der Hisbollah, es kämpft tatsächlich erneut um seine Existenz.

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