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Hamas baut Präsenz im Libanon aus

Hamas-Führer Ghazi Hamad sprich auf einer Veranstaltung seiner Organisation in der libanesischen Hauptstadt Beirut
Hamas-Führer Ghazi Hamad sprich auf einer Veranstaltung seiner Organisation in der libanesischen Hauptstadt Beirut (Imago Images / ZUMA Wire)

Kürzlich kündigte die Hamas die Gründung eines neuen militärischen Flügels im Libanon an. Dies wirft Fragen zu den Motiven dieses Schrittes sowie zu den Folgen für die libanesische Politik auf.

Die Hamas gründete am 4. Dezember im Libanon die Gruppe Tawafun al-Aqsa Vanguards und rief die in den libanesischen Gebieten lebenden palästinensischen Jugendlichen auf, sich ihr anzuschließen – ein überraschender Schritt, der in Beirut zahlreiche Reaktionen hervorrief. Im Libanon leben rund 250.000 Palästinenser, die meisten von ihnen in Lagern, die bereits seit 1948 existieren, als es im Rahmen des israelischen Unabhängigkeitskriegs zu Fluchtbewegungen in de Region kam. Sie besitzen keine libanesische Staatsbürgerschaft und dürfen ohne Genehmigung nicht arbeiten. 

Die Ankündigung des neuen Hamas-Flügels erfolgte zu einem heiklen politischen Zeitpunkt im Libanon, der seit mehr als dreizehn Monaten unter einem Vakuum im Präsidentenamt leidet. Dieses Vakuum betrifft die Hälfte aller Institutionen, und ist angesichts einer nur geschäftsführenden Regierung schwierig zu füllen. Obendrein sind sich die politischen Parteien derzeit auch noch uneinig über den Mechanismus zur Vermeidung eines drohenden Vakuums in der Position des Armeechefs, da der aktuelle Befehlshaber, General Joseph Aoun, im kommenden Januar pensioniert werden wird.

Die Ankündigung der Hamas stieß denn auch sofort auf breite politische Ablehnung, die neben der offiziellen staatlichen Position ausnahmslos alle Christen sowie einige muslimische politische Kräfte einschloss.

Der Vorsitzender der Freien Patriotischen Bewegung, Gebran Bassil, meinte dazu, seine Organisation lehne »die von der Hamas angekündigte Gründung von Tawafun al-Aqsa Vanguards und den Aufruf an die palästinensische Jugend, sich ihr anzuschließen, ab.« Außerdem betrachte die Freie Patriotische Bewegung jede bewaffnete Aktion von libanesischem Territorium aus als Angriff auf die nationale Souveränität. »Wir erinnern uns daran, was die Libanesen seit den 1990er Jahren vereinbart haben, nämlich dass die Waffen der Palästinenser in den Lagern eingezogen werden müssen.« 

Der Vorsitzender der Partei der libanesischen Streitkräfte, Samir Geagea, kommentierte, es sei klar, »dass die Hamas und andere Organisationen dem Kommando der Hisbollah und ihrer Entscheidung im Libanon unterstehen. Sie können ohne das Wissen und die Zustimmung der Hisbollah keine militärischen Bewegungen unternehmen.«

Welche Auswirkungen? 

In diesem Zusammenhang bemerkte der ehemalige Abgeordnete und Militärexperte Wahba Qatisha, die libanesische Ablehnung des Hamas-Flügels habe »ihn abgetrieben, bevor er geboren wurde«, und auch Ex-Minister Rashid Derbas ist skeptisch: »Der neue Flügel der Hamas birgt viele Risiken für den Libanon und seine nationale Einheit«. Dementsprechend fordert Derbas eine alle Fraktionen überspannende Ablehnung des neuen Flügels der palästinensischen Terrororganisation auf libanesischem Gebiet.

Der Autor Suhaib Johar erklärte in einem Artikel auf der Website der Carnegie-Stiftung, die Hamas sei aus mehreren Gründen an einer Präsenz im Libanon interessiert, unter anderem wegen der Beschränkungen, denen ihre Mitglieder in anderen Ländern der Region ausgesetzt sind, und um das Ziel zu erreichen, »die Schauplätze der Konfrontation mit Israel« zu erweitern: Die Präsenz der Hamas im Libanon sei nicht nur militärisch oder sicherheitspolitisch bestimmt, »sondern nimmt auch politische Formen an«. Deshalb seien die politischen und medialen Einrichtungen der Hamas Schritt für Schritt nach Beirut umgezogen. 

Der Hamas-Bewegung ist es vor Kurzem gelungen, die Islamische Gruppe, den libanesischen Arm der Muslimbruderschaft im Libanon, unter ihre Kontrolle zu bringen, indem sie ihr loyale Personen in die Führungspositionen der libanesischen Gruppe brachte, erläuterte Johar und ergänzte: »Außerdem war der Libanon ein wichtiger Ort für den Dialog, der in den vergangenen Monaten Funktionäre der Hamas und des syrischen Regimes zusammenbrachte. Bei diesen Treffen war die Hisbollah nie weit weg, da sie die Annäherung zwischen den beiden Parteien eingefädelt hat.«

Der ägyptische Autor Hisham Al-Najjar hingegen vertritt den Standpunkt, dass sich die Hamas »angesichts der Ungewissheit über ihr Schicksal und ihre Zukunft im Gazastreifen eine alternative Arena für ihren Einfluss zu sichern versucht.« Al-Najjar bestätigte, dass vor der Ankündigung der Gründung des neuen Flügels eine Abstimmung zwischen der Hisbollah und der Hamas stattgefunden habe: »Es wird erwartet, dass der neue Flügel, der der Hamas im Libanon angegliedert ist, nach den Berechnungen und Interessen der Hisbollah mobilisiert und gelenkt wird.« 

Diese Entwicklungen weckten im Libanon die Befürchtung, dass sich das Bürgerkriegsszenario der 1970er Jahre wiederholen könnte.

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