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Neuer EU-Flüchtlingsdeal: Diesmal mit dem Libanon

EU plant neuen Flüchtlingsdeal mit dem Libanon
EU plant neuen Flüchtlingsdeal mit dem Libanon (Quelle: Thomas von der Osten-Sacken)

Auch wenn die sogenannten Flüchtlingsdeals mit Mittelmeeranrainerstaaten selbst vom EU-Parlament scharf kritisiert werden, steht schon der nächste an: mit dem Libanon.

Bei einer Debatte über das im vergangenen Jahr mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied abgeschlossenen Flüchtlingsabkommen kommentierte die niederländische Abgeordnete zum Europäischen Parlament Sophie in ‘t Veld: »Diktatoren Geld hinterherzuwerfen ist keine Migrationspolitik.« Damit hat sie in etwa auf den Punkt gebracht, wobei es bei all diesen Vereinbarungen geht: Sie bestehen aus wenig mehr als viel Geld, das Brüssel zahlt, damit – egal, ob dies nun geltendes Recht verletzt oder nicht – südliche oder östliche Mittelmeeranrainer ihre Grenzen für Flüchtlinge aus Drittstaaten dicht machen.

Dies scheint aus Sicht der Europäischen Union umso dringlicher, ist ihr doch gerade mit einem großen Knall ihre Politik mit den subsaharischen Staaten um die Ohren geflogen. Mit denen nämlich hatte man auch schon Abkommen solcher Art ausgehandelt, um so die Migrationsrouten durch die Sahara zu schließen.

Deal mit Niger gekündigt

Das neue, prorussische Regime im Niger hatte erst kürzlich einseitig den entsprechenden Deal aufgekündigt und ein Gesetz außer Kraft gesetzt hat, das die Schlepperei von Migranten in dem westafrikanischen Staat verboten hatte

»Die Bestimmung war 2015 unter maßgeblichem Einfluss der EU zustande gekommen und sah bis zu dreißigjährige Haftstrafen für Menschen vor, die aus der Beförderung, Unterbringung oder Anstellung von Migranten ein Geschäft machten. Als Belohnung‹ für die Verabschiedung des ›Loi 36‹ ließ die EU der nigrischen Regierung Hunderte Millionen von Euro zukommen. Unter anderem finanzierte Brüssel auch die Patrouillen, mit denen die Einhaltung der neuen Bestimmungen kontrolliert wurde.«

Einer der Gründe für den Putsch in Niger vom August 2023 war wohl auch dieses Gesetz, denn das Militär hatte zuvor bestens am Weitertransport von Flüchtlingen verdient und wollte seine alte Einnahmequelle wiederMit Migranten verdienen inzwischen nicht nur mafiöse Organisationen, sondern auch allerhand staatliche und parastaatliche Akteure Millionen an Dollar.

Nächstes anstehende Abkommen

Da inzwischen nicht nur die Zahl der Menschen steigt, die auf dem Seeweg aus dem Libanon, der de facto als Failed State zu bezeichnen ist, fliehen, sondern auch vermehrt Syrer versuchen, die Türkei, die ihre Grenze dicht gemacht hat, zu umgehen, steht nun also der nächste Deal an. Und zwar mit dem Libanon, einem Land, das de facto keine funktionsfähige Regierung hat und aus dem systematisch syrische Flüchtlinge zurück in ihr unsicheres Herkunftsland abgeschoben werden.

Wie es um die Lebensbedingungen von Syrern im Libanon beschaffen ist, beschreibt dieses Hintergrundpapier des Arab Centers in Washington:

»Neunzig Prozent der Syrer im Libanon leben unterhalb der Armutsgrenze. Im Libanon gibt es etwa 3.100 private Lager, in denen vor allem im Winter katastrophale Bedingungen herrschen. Die Syrer dort sind Vertreibungen, Schikanen und Brandstiftungen ausgesetzt. Dreiundachtzig Prozent der Flüchtlinge haben keinen legalen Aufenthaltsstatus, und für viele von ihnen ist es aufgrund des komplizierten Verfahrens schwierig, einen solchen zu erhalten, vor allem, wenn eine Person illegal ins Land eingereist ist.

Internationale Rechtsorganisationen sind der Ansicht, dass die libanesischen Gesetze darauf abzielen, den Flüchtlingen das Leben zu erschweren, damit sie freiwillig nach Syrien zurückkehren, was als Verstoß gegen die Rechte von schutzbedürftigen und ausgegrenzten Menschen angesehen wird. Der Allgemeine Sicherheitsdienst des Libanons zwingt illegale Flüchtlinge zur Ausreise oder übergibt sie an die syrischen Behörden. Diejenigen, die aufgegriffen werden, dürfen nach dem ersten Verstoß ein Jahr lang nicht wieder in den Libanon einreisen, nach dem zweiten fünf Jahre und nach dem dritten zehn Jahre nicht.«

So viele Flüchtlinge wie noch nie auf Zypern

Das alles hindert die EU unter maßgeblicher Federführung von Ursula von der Leyen nicht, nun einen Kontrakt mit der libanesischen Regierung abzuschließen. Dies geschieht auch, weil in Zypern inzwischen so viele Flüchtlinge ankommen, dass der Inselstaat inzwischen erklärt, diese nicht mehr versorgen zu können:

»Seit Jahresbeginn sind auf Zypern mehr als viertausend Migranten und Flüchtlinge angekommen. Im ersten Quartal 2023 waren es dagegen nur achtundsiebzig Menschen. Damit werden in der Inselrepublik, gemessen an der Einwohnerzahl, im EU-Vergleich bei Weitem die meisten Asylanträge gestellt. Zum Vergleich: Viertausend Neuankünfte seit Januar entsprächen der Ankunft von rund 340.000 Menschen in Deutschland im selben Zeitraum.

Die Aufnahme- und Registrierlager auf Zypern sind überfüllt. Angesichts dieser Situation hatte die Regierung am 14. April die Bearbeitung von Asylanträgen von Menschen aus Syrien auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Syrer, die auf Zypern ankommen, müssen so lange in den Registrierlagern bleiben.«

Der Artikel ist zuerst erschienen bei JungleBlog.

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