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Eva Menasse hört Stimmen

Eva Menasse hört lauter Stimmen, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. (© imago images/Metodi Popow)
Eva Menasse hört lauter Stimmen, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. (© imago images/Metodi Popow)

Rundum hört Eva Menasse Stimmen, die es nicht gibt, und fordert mit diesen Wahnvorstellungen mehr Differenziertheit ein.

In einem Interview mit der Wiener Wochenzeitung Falter beklagte sich die Schriftstellerin Eva Menasse vergangene Woche über eine zunehmende »Überflutung mit Informationen, Desinformationen, Handlungsanweisungen und Erwartungen«. Und alles müsse so schnell gehen, dass man keine Zeit mehr habe, »über eine Antwort nachzudenken«. »Aufgeregtheit und Aggressivität« würden die Kommunikation bestimmen.

Sich selbst, wie könnte es anders sein, nimmt Menasse von diesem Befund selbstverständlich aus. Sie beansprucht eine »Gelassenheit«, die anderen abgehe. »Zu denken, zu schreiben, zu analysieren bedeutet, es wieder auseinanderzuziehen, zu entfalten, die Fäden wieder sichtbar zu machen.« Undifferenziert, hysterisch, mit Scheuklappen versehen – das sind in Menasses nicht gerade vor Selbstreflexion überbordender Sichtweise immer die anderen.

Dabei hätte sie allen Grund, erst einmal innezuhalten und in den Spiegel zu schauen. Denn das, was sie Falter-Journalistin Tessa Szyszkowitz zu Protokoll gab, nur als in höchstem Maße undifferenziert und hysterisch zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung.

So behauptete Menasse allen Ernstes, in den Debatten in Deutschland käme Kritik an Israel »kaum vor« und verstieg sich zu der Behauptung: »Ich erlebe rundum eine mich wirklich verstörende Kriegshetze. Also dieses: ›Na, dann muss man Gaza halt plattmachen, da kann Israel eben nicht anders.‹« In Deutschland tue man so, als würden alle Palästinenser im Gazastreifen die Hamas unterstützen, »und deswegen haben sie es verdient, mitsamt ihren Frauen und Kindern weggebombt zu werden«.

Nun lese ich berufsbedingt täglich mindestens neun Tageszeitungen, ich verfolge die Fernseh- und Radioberichterstattung und habe mir den Großteil der Fernsehdiskussionen zum Krieg im Gazastreifen angetan, dazu führte ich im privaten Kreis selbstverständlich Gespräche über das Geschehen. Ich muss festhalten: In den mittlerweile fast sieben Wochen seit dem 7. Oktober habe ich buchstäblich noch keinen einzigen Menschen hierzulande in Österreich oder in Deutschland gesehen, der das gesagt hätte, was Menasse »rundum erlebt«.

In nicht einem Artikel wurde behauptet, alle Palästinenser im Gazastreifen gehörten »weggebombt«. In keiner Diskussion wurde verlangt, Gaza samt Frauen und Kindern »plattzumachen«. Auf keiner einzigen Kundgebung in Solidarität mit Israel wurde »Kriegshetze« betrieben. (Auf den vermeintlich pro-palästinensischen Aufmärschen sehr wohl, aber das ist ein anderes Thema.) Wirklich niemand »tut so, als wären alle in Gaza Hamas«.

Ganz im Gegenteil: Auch jene, welche die Notwendigkeit eines militärischen Vorgehens gegen die Hamas betonen, verbinden das stets mit dem Bedauern der zivilen Opfer, die angesichts der in jeglicher Hinsicht verbrecherischen Kriegsführung der Hamas leider unvermeidlich sind. Unzählige Mal ergeht die Forderung an Israel, bei seinen Operationen das humanitäre Völkerrecht zu beachten und die Zivilbevölkerung so weit wie möglich zu schützen.

Die Stimmen, die Menasse »rundum« hört, existieren schlicht nicht – außer in Menasses durch die Wirklichkeit offenbar kaum beeinträchtigter Einbildung. Bei dem Bild, das sie von den aktuellen Debatten in Deutschland zeichnet, handelt es sich nicht um eine Beschreibung der Realität, sondern um ein bedenkliches Produkt ihrer Fantasie. Eine solche mag für das Schreiben von Romanen hilfreich sein, in öffentlichen Debatten über so ernste Themen wie den Krieg gegen die Hamas ist sie aber mehr als entbehrlich – erst recht, wenn sie in der Pose der im Gegensatz zu allen anderen ach so reflektierten, differenzierenden, denkenden und analysierenden Bedenkenträgerin daherkommt.

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