Nach einer massiven Säuberungswelle seit Juli vergangenen Jahres, die auf eine Schwächung der kemalistisch-säkularen Kräfte abzielte, europäisiert Erdogan nun den Konflikt. Hierbei versucht er die türkische EU-Diaspora für sein Verfassungsreferendum zu mobilisieren. Er erlaubt sich dabei sogar – mit Konzentration auf Deutschland und auf die Niederlande, wo die Mehrheit der fünf bis sechs Millionen Türken in Westeuropa lebt – die demokratisch gewählten Regierungen mit zwei Keulen zu traktieren: Er wirft ihnen Islamophobie und ‚Nazi-Praktiken‘ vor. Manche europäischen Kommentatoren fragen, ob Erdogan noch bei Sinnen sei. Sie verstehen nicht, dass es um ein Kalkül und nicht um eine Laune geht. Erdogan betrachtet die angefeindete EU als einen Teil seines Wirkungsradius im Kampf um die von ihm angestrebte Verfassungsreform. Das ist nicht nur ein strategisches Kalkül, sondern reflektiert auch eine Ideologie, die der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Hamburg am 7. März in seiner Propaganda-Rede im türkischen Konsulat offen kundtat. Er sagte: ‚Überall auf der Welt kommen wir mit unseren Volksgenossen zusammen! Türken in Schweden mögen schwedische Staatsbürger sein, aber sie bleiben unsere Volksgenossen! Niemand kann diese Bande mit den Volksgenossen zerschneiden!‘“ (Bassam Tibi: „Erdogans fünfte Kolonne“)