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Erdogan plant, syrische Flüchtlinge in Kurden-Enklave Afrin anzusiedeln

„Während die Zahl der durch die türkische Offensive in Syrien verursachten Verletzten und Toten auf beiden Seiten zunimmt, verfolgt Ankara einen Plan, der weit darüber hinausgeht, der Vorherrschaft der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) ein Ende zu bereiten. Präsident Recep Tayyip Erdogan verweist unermüdlich auf den Plan, ‚die wirklichen Eigentümer des Gebiets’ in Afrin ansiedeln zu wollen. Dabei schweben ihm zwei Gruppen vor: der Freie Syrische Armee (FSA) genannte Zusammenschluss von Milizen, den die Türkischen Streitkräfte (TSK) auf dem Schlachtfeld einsetzen, und die große Zahl syrischer Flüchtlinge in der Türkei.

Als er seine Pläne am 24. Januar bei einem Treffen in seinem Amtssitz erläuterte, erklärte Erdogan: ‚Zunächst werden wir die Terroristen auslöschen und die Gegend dann bewohnbar machen. Für wen? Für 3,5 Millionen Syrer, die bei uns zu Gast sind. Wir können Sie nicht dauerhaft in Zelten unterbringen.’ ‚Die Bevölkerung in Afrin besteht zu 55 Prozent aus Arabern und zu 35 Prozent aus Kurden. Der Rest sind Turkmenen’, so Erdogan. Doch in Wirklichkeit sind die Kurden in Afrin schon lange in der Mehrheit.

Zuverlässige Zahlen gibt es zwar nicht, doch beharren Quellen vor Ort darauf, dass Kurden 70 bis 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen. In der Stadt Afrin und ihrer ländlichen Umgebung bilden die Kurden die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Außerdem gibt es in dem nördlich gelegenen ländlichen Gebiet einige Araber und kleine Gruppen von Turkmenen. In Mabata gibt es kurdische Alewiten, in Kastel Cindo und Ezaze kurdische Jesiden und kleine Gruppen von Armeniern und Tscherkessen. Da Afrin lange Zeit relativ stabil war, wurde es zum Zufluchtsort für Menschen, die aus Raqqa, Manbidsch, Al-Bab und Jarablus vor dem Islamischen Staat flohen.

Behördenvertreter vor Ort erklärten Al-Monitor gegenüber, die Bevölkerung der sieben Städte und 365 Dörfer in Afrin habe einst bei 400.00 gelegen. Durch die Flüchtlinge habe sie sich fast verdoppelt. Es gab also bislang keine Flüchtlinge aus Afrin, sondern der Bezirk hat nur Flüchtlinge aufgenommen. Außer der regierenden Partei gibt es in der Türkei noch weitere Kreise, denen die Idee, mehr Flüchtlinge in Afrin anzusiedeln, gefällt.

Der ehemalige Generalstabschef Ilker Basbug erklärte dem Nachrichtendienst Hurriyet gegenüber: ‚Wenn Afrin von der YPG und der PKK gesäubert wird, können wir dort manche jener Menschen ansiedeln, die in die Türkei geflohen sind.’ Seine Bemerkungen fanden breite Beachtung. Erdogans eklatantes Täuschungsmanöver und sein Wunsch, dort Flüchtlinge anzusiedeln, werfen die verstörende Frage auf, ob es bei seinem Plan in Wirklichkeit darum geht, die demografische Struktur des überwiegend von Kurden bewohnten Gebiets zu ändern. Solche Pläne sind seit der Zeit der Osmanen häufig eingesetzt worden, um gesellschaftliche Unruheherde zu beseitigen.“

(Fehim Tastekin: „Erdogan’s plans for Afrin might not sit well with Syria“)

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