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Drohnen: Hightech und ethische Dilemmata

Die türkische Rüstungsfirma Baykar präsentiert ihre Drohne Bayraktar TB2
Die türkische Rüstungsfirma Baykar präsentiert ihre Drohne Bayraktar TB2 (© Imago Images / Sipa USA)

Schnell, kostengünstig und tödlich haben Drohnen die Kriegsführung seit den frühen 2000er Jahren maßgeblich verändert.

Seit dem Jahr 2001 ist die Drohne für Einsätze zur gezielten Tötung längst zu einer Standardwaffe in Kriegen von Libyen bis zur Ukraine geworden. Die unbemannten Fluggeräte übernehmen Aufklärung, präzise Angriffe und fliegen Kamikaze-Missionen. Der Nahe Osten ist dabei nicht nur Einsatz-, sondern auch Produktionsgebiet.

Kurze Geschichte der Drohnen

Militärs setzen Drohnen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ein, zunächst hauptsächlich zur Aufklärung. In der Zeit nach 9/11 wurden Drohnen zu einer der entscheidenden Waffen. Die USA nutzten sie, um Raketen auf Ziele in Afghanistan und Pakistan abzufeuern, oft im Zusammenhang mit dem globalen Krieg gegen den Terror.

Vom gezielten Töten auf Distanz weitete sich der Einsatz von Drohnen rasch aus. Im libyschen Krieg flogen 2011 zunächst die Rebellen amerikanische Drohnen gegen Gaddafis Bodentruppen. Im darauffolgenden Bürgerkrieg setzte Ost-Libyen unter General Chalifa Haftar chinesische, die von der UN anerkannte Regierung in Tripolis türkische Drohnen ein. Die Medien sprachen vom weltweit ersten Drohnen-Stellvertreterkrieg.

Auch der Islamische Staat (IS), dem Material und Piloten für eine eigene Luftwaffe fehlten, nutzte Drohnen im großen Stil. Im Jahr 2017 waren es sechzig bis hundert Drohnenangriffe pro Monat in ganz Syrien und im Nordirak. Zum Einsatz kamen eine Kombination aus modifizierten kommerziellen Drohnen, zumeist in China hergestellte DJI-Phantom-Quadcopter, und in ihren eigenen Werkstätten hergestellte Modelle.

Längst hat die Militärindustrie auf die neuen Herausforderungen der Drohnenkriege reagiert und ihr Angebot entsprechend angepasst. Die Präsentation von Drohnen und Geräte zur Abwehr derselben nahm viel Raum in den Hallen der internationalen Waffenmesse in Abu Dhabi im Februar 2023 ein.

Exportschlager Drohne

Zu einem der führenden Drohnenhersteller regional und weltweit zählt Israel. Eine Marktstudie von 2023 identifiziert fünfundachtzig zivile Unternehmen, die Drohnentechnologie entwickeln und produzieren. Hinzu kommen vierzehn Unternehmen, die Drohnen für militärische Zwecke herstellen, darunter solche zur Aufklärung und Kamikaze-Drohnen. Im Jahr 2022 exportierte Israel Drohnen in sechsundfünfzig Staaten, darunter arabische Länder wie Marokko.

Aber auch in der Türkei wird innovative Drohnentechnologie entwickelt. Zu den führenden Unternehmen zählt die regierungsnahe Firma Baykar. Das Flaggschiff des Unternehmens, die Drohne Bayraktar TB2, hat sich auf den Schlachtfeldern in der Ukraine, in Libyen, in Berg-Karabach und anderswo bewährt. Mit einem Preis von rund fünf Millionen Dollar kostet sie in der Regel weniger oder ist leistungsfähiger als Konkurrenzmodelle. Die Käufer können es sich daher eher leisten, sie bei riskanteren Missionen einzusetzen, bei denen sie abgeschossen werden könnte. Zu den Kunden türkischer Drohnen gehören Ankaras NATO-Verbündete in Europa, arabische Länder am Golf und in Nordafrika, afrikanische Länder südlich der Sahara und andere.

Der Iran stellt seit fast vier Jahrzehnten eigene Drohnen her. Für Teheran sind sie eine wichtige Alternative zur iranischen Luftwaffe, die wegen der internationalen Sanktionen nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik ist. Der Iran exportiert Drohnen auch an seine Verbündeten in der Region wie die Hisbollah im Libanon, die Huthis im Jemen und schiitische Milizen im Irak.

Auch Moskau macht Geschäfte mit Teheran und setzt iranische Drohnen vom Typ Shahed unter anderem gegen die ukrainische Luftabwehr ein.

Ethische Dilemmata

Laut dem Marktbeobachter DRONEII wird der globale Drohnenmarkt voraussichtlich von rund 26 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf über 54 Milliarden im Jahr 2030 wachsen. Auch der intensive Einsatz von Drohnen im Ukrainekrieg verdeutlicht, dass diese Technologie in der modernen Kriegsführung weiter an Bedeutung gewinnen wird. In der Luft, aber ebenso unter Wasser, wie der Angriff einer ukrainischen Unterwasserdrohne gegen einen russischen Öltanker in der Straße von Kertsch im Sommer 2023 zeigte.

Drohnen verändern auch den Charakter der Kriegsführung. So machen es Aufklärungsdrohnen möglich, jede Truppenbewegung am ukrainischen Kriegsschauplatz in Echtzeit zu verfolgen, was das Verbergen von Truppenansammlungen und Konzentrationen von gepanzerten Fahrzeugen vor dem Feind erschwert. Doch ihr Einsatz bringt auch neue praktische und ethische Dilemmata mit sich. Vor allem im Hinblick auf mögliche autonome Drohneneinsätze, also Einsätze, bei denen der Mensch nicht in die Entscheidung über einen Angriff eingebunden ist. Wer wird die Verantwortung für das Töten übernehmen, wenn Maschinen und nicht Menschen über Leben und Tod entscheiden?

Dass es solche Einsätze vereinzelt bereits gibt, zeigt ein Zwischenfall in Libyen im Jahr 2020, als laut einem UN-Report eine KI-gesteuerte Drohne einen Menschen tötete, und zwar ohne Kontrolle durch einen Operator. Wie Experten für künstliche Intelligenz der New York Times jedoch mitteilten, seien völlig autonome, KI-gesteuerte tödliche Angriffe derzeit noch nicht zu verantworten. Denn selbst die fortschrittlichsten Algorithmen seien noch nicht zuverlässig genug, um ihnen zuzutrauen, autonom Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen. – Noch nicht.

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