„Das einzige Spirituosengeschäft in der nordwesttunesischen Küstenstadt Korba sieht nicht besonders verlockend aus: Ein schäbiger Ladeneingang in einem Block, dem noch die Zeichen der Verwüstung durch einen Mob anzusehen sind. ‚Das waren nicht die Islamisten’, merkt mein Führer Ludovic Pochard unbekümmert an, ‚einfach nur Plünderer während der Revolution’. Pochard ist ein liebenswürdiger, aus Bordeaux stammender Önologe. Er leitet den Weinberg und -keller Domaine Kurubis. Letzterer ist ein großes ockerfarbenes, in einer Art Neo-Berber-Stil gehaltenes Bauwerk aus Beton am Stadtrand. Im jüngsten Kapitel der langen Geschichte der Weinproduktion in Tunesien spielt Kurubis eine führende Rolle. Allerdings findet man ihre Produkte nicht in dem Spirituosengeschäft in Korba, dafür sind sie zu gehoben.
Mit Blick auf den Alkohol geht es in Tunesien eigenartig zu. In dem Land wird seit 2000 Jahren Wein produziert. Nach der Unabhängigkeit und der Verstaatlichung, die zur Abwanderung vieler europäischer Fachleute führte, kam es zu einem Einbruch bei der Weinproduktion, doch hat die Reprivatisierung ihr wieder einen Schub gegeben. Momentan ist sie vielversprechend, stagniert aber. Die liegt vor allem an der Krise des Tourismus in der jüngeren Zeit. Die Hälfte der Weinproduktion des Landes wird von Touristen verzehrt. Das Land wird überwiegend von Muslimen bewohnt und ist von daher trocken. Doch ist es auch relativ modern und liberal, und der Alkoholkonsum ist erlaubt. Ja, beim Pro-Kopf-Bierkonsum steht es in der arabischen Welt an der Spitze. Dennoch haftet nach wie vor ein gewisser Makel am Alkoholkonsum und Bars und Restaurants, die Alkohol ausschenken, fallen meist in eine von zwei Kategorien: entweder sind die luxuriös und auf Touristen ausgerichtet, oder sie sind für die Einheimischen da und schäbig und anrüchig. (…)
Wie die übrigen privaten Weinberge, von denen es etwa ein Dutzend gibt, ist auch Kurubis ein Joint Venture und wird gemeinsam von einem tunesischen Grundbesitzer aus einer prominenten einheimischen Familie und einem französischen Investor, dem bereits Weinberge in Armenien und Uruguay gehören, gemeinsam betrieben. (…) Kurubusi beteiligt sich auch an einem neuen Projekt zur Förderung des Weintourismus in Tunesien. Dies ist ein mutiger Verstoß, bedenkt man, dass eben erst die ersten Reisegruppen aus dem Vereinigten Königreich nach einer dreijährigen Pause, in denen das dortige Außenministerium wegen der Terroranschläge im Bardo Museum und dem Badeort Sousse von Reisen nach Tunesien abgeraten hat, mit großer Begeisterung wieder aufgenommen werden. Zudem ist noch kein Jahrzehnt seit dem Arabischen Frühling von 2011 vergangen, in dessen Folge Islamisten die Regierung dominierten und ein Mob aus Eiferern in Sidi Bouzid, dem Geburtsort des Aufstands, die einzige Bar zertrümmerten.“ (Philip Sweeney: „Tunisia’s Wine Indsutry is Making a Comeback“)