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Neuer Generalsekretär bei der tunesischen Ennahda-Bewegung

Von den tunesischen Behörden der geschlossenes Büro der islamischen Ennahda-Bewegung
Von den tunesischen Behörden der geschlossenes Büro der islamischen Ennahda-Bewegung (Imago Images / ZUMA Wire)

Anfang November gab die islamistische Ennahda-Bewegung die Ernennung von Al-Ajami Al-Warimi zum Generalsekretär der Bewegung bekannt. Laut Beobachtern soll damit die Isolation der Bewegung durchbrochen und sie in der tunesischen Politik neu positioniert werden.

In einer Erklärung der islamischen Ennahda-Bewegung in Tunesien heißt es Anfang November, das »Mitglied des Exekutivbüros und Vizepräsident der Bewegung, Al-Ajami Al-Warimi«,sei »einstimmig zum neuen Generalsekretär gewählt« worden.

Der 61-jährige Al-Warimi ist 61 Jahre ist bekannt für seine Tätigkeit in mit der Ennahda verbundenen islamischen Studentenbewegung, die von Ende der 1970er Jahre bis 1991 an tunesischen Universitäten aktiv war. 1991 wurde er während deren Konflikts mit dem ehemaligen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali, dann zu einer prominenten Figur in der mit der Muslimbruderschaft verbundenen Ennahda-Bewegung selbst, was ihm eine sechzehnjährige Inhaftierung einbrachte. Seit 2011 hatte Al-Warimi verschiedene Positionen in der Partei inne und 2014 wurde er als Abgeordneter ins tunesische Repräsentantenhaus gewählt.

Die Wahl Al-Warimis zum Generalsekretär seiner Bewegung erfolgte Monate nach der Inhaftierung von deren Anführer, Rached Ghannouchi, der der Aufwiegelung gegen den Staat beschuldigt wird. Im September verhaftete die Polizei unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen die Staatssicherheit auch Ghannouchis Stellvertreter, Monzer El Ounissi. Seitdem der tunesische Präsident Kais Saied im Juli 2021 den Beschluss fasste, das von der Ennahda kontrollierte Parlament aufzulösen und die Regierung zu entlassen, ist die Bewegung fast vollständig vom politischen Leben ausgeschlossen.

Botschaft an Tunesien …

In den vergangenen zwei Jahren schlug Eannahda einen gemäßigten Tonfall an, der von der Forderung nach Dialog und Verhandlungen geprägt war, um weitere Maßnahmen der Regierung gegen sie zu vermeiden. Der politische Analyst Al-Mundhir Thabet meinte in diesem Zusammenhang, der nun gewählte Ajami Al-Warimi sei »eine der zurückhaltenden Figuren innerhalb der Bewegung. Er stand der Linken nahe und war offen für verschiedene politische Parteien.« Die Wahl Al-Warimis zum Generalsekretär deute auf eine Öffnung der Bewegung gegenüber anderen politische Kräften hin. »Ennahda will damit zum Ausdruck bringen, dass es sie noch gibt, und vielleicht ist dies auch eine Botschaft für Verhandlungen mit den Behörden.«

Thabet meint unter Al-Warimi werde Ennahda einen realistischeren und pragmatischeren Kurs einschlagen. So habe der neue Generalsekretär Tunesien Präsidenten Saied nach den Geschehnisse  vom Juli 2021 nicht direkt angegriffen. »Seine Ernennung an die Spitze der Ennahda-Bewegung ist eine Einladung zum Dialog mit den Behörden und verschiedenen politischen Parteien.«

Der politische Analyst Habib Bouajila ist der Ansicht, dass »die Ernennung Al-Warimis zwar nicht zu einer Änderung der politischen Linie gegenüber der Regierung führen, aber der Ennahda-Bewegung doch ein gewisses Maß an Gelassenheit auch gegenüber den schärfsten Gegnern der Partei an der Macht oder der Opposition verleihen wird«.

Zur Frage, ob die Ernennung eine Offenheit Ennahdas für einen Dialog mit der Regierung widerspiegelt, meint Bouajila, Die Bewegung glaube nicht, dass die staatlichen Autoritäten an einen Dialog mit irgendjemandem dächten. Da sich ja sogar weigern, mit ihr nahestehenden Parteien zu verhandeln. »Ich glaube nicht, dass dies eine Botschaft an die staatlichen Behörden ist, sondern vielmehr eine Botschaft an eigene Basis sowie eine Botschaft an die politische Szenerie im Allgemeinen, dass es nun einen Anführer gibt, der für seine offenen Beziehungen zu allen bekannt ist und auf den jeder setzen kann, der die Krise in Tunesien lösen will.«

… und die Muslimbruderschaft

Der Politikwissenschaftler Al-Jami Al-Qasimi vertritt die Ansicht, die Ernennung von Al-Warimi sei »sowohl als eine Botschaft an die tunesische Politik als auch an die weltweite Organisation der Muslimbruderschaft, dass die Ennahda-Bewegung noch handlungsfähig ist und über funktionierende Institutionen verfügt«. Die Wahl solle die politische Botschaft senden, mit Al-Warimi sei »ein Philosoph und ein ruhiger Mann« an die Spitze der islamischen Bewegung gelangt.

Das sei aber »ein Trick, der niemanden täuschen wird, weder innerhalb noch außerhalb von Ennahda. Es ist ein Versuch, den Zusammenhalt der Bewegung aufrechtzuerhalten, die gerade einen großen Niedergang erlebt.« Al-Qasimi spekulierte, Ennahda könnte sich ihrem Ende nähern »und es nicht unwahrscheinlich ist, dass wir in der nächsten Phase weitere Rücktritte erleben werden, statt dass die internen Reihen von Ennahda geschlossen werden.«

In den vergangenen Monaten war es innerhalb Ennahdas zu zahlreichen Rücktritten gekommen, die nach Ansicht von Beobachtern die Unfähigkeit widerspiegeln, die Krise einzudämmen, die sich aus der wiederholten Verschiebung der 11. Konferenz der Bewegung ergeben haben.

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