In der nördlichen Stadt Tripoli kommt es seit Tagen zu Protesten, nachdem der strenge Corona-Lockdown die Wirtschaftskrise des Libanon noch einmal verstärkt hat.
Hanan Hamdan, Al-Monitor
Das Gespenst der Armut geht um im Libanon. Es bedroht die Mehrheit der Libanesen – ob arm oder wohlhabend, die darum kämpfen, ihren Lebensmittelbedarf und ihre Grundbedürfnisse zu decken. Die sich verschlechternden Lebensbedingungen resultieren aus einem vollständigen Corona-Lockdown samt nächtlicher Ausgangssperre, der am 7. Januar begann und bis zum 1. Februar in Kraft bleiben soll (…)
Dieser Ausnahmezustand zog die Schließung aller Einrichtungen, Geschäfte und Lebensmittelläden, die nur für die Lieferung geöffnet sind, nach sich. Dadurch wurden viele Arbeiter arbeitslos, nachdem sich die Lebensbedingungen bereits durch die Wirtschaftskrise, die das Land seit Ende 2019 plagt, verschlechtert hatten.
Die Krise führte zu einem Anstieg der Rohstoffpreise und einem Zusammenbruch der libanesischen Währung, während der Staat Basisgüter wie Weizen, Kraftstoff und Medikamente subventioniert. Zu allem Überfluss kam es am 4. August 2020 zu einer großen Explosion im Hafen von Beirut, die fast 200 Menschen tötete und die Viertel rund um den Hafen zerstörte. All dies führte zu einem Anstieg der Armutsrate im Libanon. (…)
Seit dem 25. Januar geht die Jugend in der nördlichen Stadt Tripoli auf die Straße, um gegen den Lockdown zu protestieren, da die Behörden keinerlei Alternative oder finanzielle Unterstützung angeboten haben. Tausende von Familien in der verarmten Stadt leben seit einem Jahr in extremer Armut.
In den vergangenen Tagen kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den wütenden Demonstranten und Sicherheitskräften, die Tränengas und Gummigeschosse auf die Menschenmengen abfeuerten. Hunderte Menschen wurden verletzt, und am 28. Januar starb ein Demonstrant an seinen Verletzungen.
Die Proteste in Tripoli dehnten sich auch auf andere Gebiete im Libanon aus, darunter Beirut, das Bekaa-Tal und der Süden, wo Demonstranten die Proteste in der nördlichen Stadt unterstützten. (…)
Im Südlibanon liegen die Dinge etwas anders als im Norden. Dort arbeitet das schiitische Duo – die Hisbollah und die Amal-Bewegung – daran, Lebensmittel für arme Familien zu bereitzustellen. Dieselkraftstoff zum Heizen wurde verteilt, zusammen mit etwas Geld und Medikamenten. Dies gilt für einige Dörfer im Bekaa-Tal, in den südlichen Vororten von Beirut und auf dem Berg Libanon. Allerdings gibt es viele Familien, die keiner der beiden Partei angehören und die deswegen keine Hilfe erhalten. Einige von ihnen befinden sich ebenfalls in einer tragischen Situation. (…)
Die Weltbank kündigte am 12. Januar eine Nothilfe in Höhe von 246 Millionen Dollar für den Libanon an – in Form von Finanztransfers und sozialen Diensten für etwa 786.000 Libanesen, die in Armut leben und unter der Wirtschafts- und Gesundheitskrise leiden.
(Aus dem Artikel „Angry Lebanese protest ongoing lockdown amid looming poverty“, der bei Israellycool erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)