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Bagdad: Parlamentssturm als Protest gegen iranische Einmischung

In Bagdad drangen Demonstranten in die Grüne Zone ein, in der auch das Parlament liegt. (© imago images/Xinhua)
In Bagdad drangen Demonstranten in die Grüne Zone ein, in der auch das Parlament liegt. (© imago images/Xinhua)

In Bagdad stürmten Anhänger des Wahlgewinners aus Protest gegen die Nominierung eines pro-iranischen Premiers das Parlament.

Neun Monate nach der Parlamentswahl hat sich die politische Krise im Irak erneut verschärft. Die iranische Einmischung und interne Rivalitäten haben bisher die Bildung einer Regierung verhindert, wodurch dringend notwendige Reformvorhaben zum Erliegen gekommen sind.

Vorgestern Abend stürmten Demonstranten, die dem Schiitenführer Muqtada al-Sadr treu ergeben sind, die Grüne Zone der Regierung im Zentrum Bagdads und den Sitz des irakischen Parlaments, um gegen die Nominierung von Muhammad Shia al-Sudani als neuen Regierungschef durch pro-iranische Parteien zu protestieren.

Monatelanger Stillstand

Mehr als neun Monate nach den Wahlen im vergangenen Oktober können sich die Abgeordneten, die mit der Wahl des Präsidenten und des Premiers befasst sind, immer noch nicht auf Kandidaten für diese beiden Ämter einigen. Mit 290 Tagen ohne Präsidenten und Regierung hat der Irak nun einen neuen Rekord aufgestellt. Der bisherige stammt aus dem Jahr 2010, als der Irak 289 Tage ohne Regierung auskam, bis Nuri al-Maliki eine zweite Amtszeit als Premierminister antrat.

Die scheidende Regierung von Premierminister Mustafa Al-Khadimi führt die Amtsgeschäfte als Übergangsregierung fort. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat die politische Lähmung dazu geführt, dass der Staatshaushalt 2022 nicht verabschiedet wurde, die Ausgaben für wichtige Infrastrukturprojekte gestoppt wurden und die Wirtschaftsreformen ins Stocken geraten sind.

Pro-iranische Kräfte akzeptieren Niederlage nicht

Nach der letzten Wahl im Oktober, bei der sie große Verluste erlitten, haben Vertreter der Allianz pro-iranische Milizen (das sogenannte Coordination Framework) das Wahlergebnis infrage gestellt, um an der Macht zu bleiben. In den letzten Monaten haben diese Parteien alles unternommen, um die von der (nicht irantreuen) Sadristen-Bewegung angeführten Bemühungen zur Bildung einer Regierungsmehrheit sunnitischer und kurdischer Parteien zu behindern.

Sie durchkreuzten die Versuche, eine Parlamentssitzung zur Wahl eines Präsidenten abzuhalten, und störten die Wahl eines Premierministers, was die Sadristen-Bewegung letzten Monat dazu veranlasste, ihre eigenen Vertreter im Parlament zum Rücktritt aufzufordern.

Trotz dieser Rücktritte versucht die Bewegung der Sadristen, eine Machtübernahme durch die Allianz pro-iranischer Milizen und die Wahl eines ihnen genehmen Präsidenten zu verhindern. Zu diesem Zweck organisierte sie Massendemonstrationen, so wie gestern jene in der Grünen Zone.

Kein iran-treuer Regierungschef

Vor einigen Tagen haben die iranhörigen Parteien Muhammad Shia’a Al-Sudani als Kandidat für das Amt des Premierministers präsentiert, doch die sadristische Bewegung und die Tishreen-Kräfte, die für die Protestbewegung des Jahres 2019 stehen, lehnten Al-Sudanis Nominierung ab. Für sie kommt jemand, der den pro-iranischen Parteien angehört, nicht infrage.

Vor dem Hintergrund der eskalierenden politischen Krise sorgten Meldungen für Aufsehen, dass der Befehlshaber der Quds-Truppe der iranischen Revolutionsgarden, General Ismail Qaani, vorgestern in Bagdad eingetroffen sein soll, um sich mit Teheran-treuen politischen Parteien zu treffen.

Dieser Besuch verdeutlicht die Rolle, die der Iran in der politischen Krise im Irak spielt. In einer vor einigen Tagen veröffentlichten Analyse des Rawabet Center für Research and Studies hieß es, Teherans Einmischung ziele klar darauf ab, die Schaffung einer Regierung zu verhindern, die sich dem iranischen Einfluss im Land zu widersetzen versuchen würde.

In der Analyse heißt es:

»Die iranische Besorgnis über das politische Projekt des Dreierbündnisses, das nach den irakischen Parlamentswahlen zwischen der Sadristen-Bewegung (schiitisch), der Demokratischen Partei Kurdistans und der Allianz der Souveränität (sunnitisch) geschlossen wurde, zwang die iranische Führung zum direkten Eingreifen, um dieses Bündnis zu brechen.«

Und auch das Vorhaben des Führers der Sadristen-Bewegung, Muqtada al-Sadr, der die Parlamentswahl gewonnen hat, ein politisches Projekt zur Bekämpfung des iranischen Einflusses im Irak umzusetzen, welches die Entwaffnung der Teheran-treuen Milizen und die Bekämpfung der Korruption umfasst, könne die iranischen Machthaber nicht untätig bleiben lassen.

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