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Gibt es eine Zukunft für das europäische Judentum?

Israelfeindlicher Aufmarsch in München während des jüngsten Gaza-Krieges. Zunehmender Antisemitismus ist eine der Gefahren für Juden in Europa. (© imago images/ZUMA Wire)
Israelfeindlicher Aufmarsch in München während des jüngsten Gaza-Krieges. Zunehmender Antisemitismus ist eine der Gefahren für Juden in Europa. (© imago images/ZUMA Wire)

Die Demographie spricht Bände: Einst lebten in Europa 90 Prozent der Juden weltweit, heute sind es nur mehr weniger als zehn Prozent.

Dov Maimon, Audiatur Online

Bröckelt der Kontinent, in dem der Großteil des Weltjudentums seine Wurzeln hat – und in dem Konzepte wie Liberalismus, Menschenrechte, Nationalismus und sogar Zionismus geboren wurden – unter uns weg?

Diese Frage ist schwer zu beantworten. Auf der einen Seite sind die jüdischen Gemeinschaften in Westeuropa quicklebendig und gedeihen. Paris ist die Welthauptstadt der jüdischen Gastronomie mit mehr als 250 koscheren Restaurants, von denen einige ausgesprochene Spitzenrestaurants sind. (…) Tausende von Israelis sind in den letzten Jahren nach Berlin umgezogen. Und im Großen und Ganzen ist das Leben im guten alten europäischen Galut, dem „Exil“, derzeit und aus wirtschaftlicher Sicht noch sehr angenehm. (…)

Wenn die europäischen Trends so positiv sind, warum sind wir dann besorgt? Und warum sagen 45 Prozent der jungen europäisch-jüdischen Erwachsenen, dass sie erwägen, den Kontinent zu verlassen, weil sie dort keine Zukunft für ihre Kinder sehen?

Die Entscheidung zur Auswanderung wird sowohl von Push- als auch von Pull-Faktoren angetrieben. Als Herzl Ende des 19. Jahrhunderts Der Judenstaat veröffentlichte, lebten 90 Prozent der Juden der Welt in Europa. Nach dem Holocaust machte das europäische Judentum 35 Prozent der jüdischen Weltbevölkerung aus. Heute leben nur noch 9 Prozent der Juden weltweit – 1,2 Millionen – dort.

Dies ist ein anhaltender Trend. Laut dem Doyen der jüdischen Demographie, Professor Sergio Della Pergola, haben 100’000 französische Juden (20 Prozent der lokalen Gemeinde) Frankreich in den letzten zwei Jahrzehnten verlassen, die Hälfte von ihnen nach Israel, die andere Hälfte in andere Länder.

Die Zukunft des europäischen Judentums ist unklar, weil die Zukunft Europas selbst in Nebel gehüllt ist. Die Gefahr einer Verschlechterung des Zustands des europäischen Judentums liegt nicht an schlecht funktionierenden Gemeinden, sondern vielmehr an globalen Trends, die auch die Juden des Kontinents betreffen.

Drei übergreifende Trends verändern Europa und könnten als Nebeneffekt zum Niedergang der jüdischen Gemeinden führen: wirtschaftlicher und sozialer Verfall, massive Migration aus islamischen Staaten und steigender Antisemitismus. (…)

Sollten die oben genannten Trends jedoch anhalten, ist zu erwarten, dass die jüdische Bevölkerung Europas weiter schrumpfen wird. Eine beträchtliche Anzahl europäischer Juden wird in gastfreundlichere Gefilde auswandern, während andere ihr jüdisches Profil reduzieren und ihr Jüdischsein verbergen werden, um dem Judenhass zu entgehen.

(Aus dem Artikel „Is the future of European Jewry in danger?“, der beim Jewish News Syndicate erschienen ist. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von Audiatur Online veröffentlicht.)

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