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Wie YouTube und SoundCloud Judenhass verbreiten

Plattformen wie YouTube verbreiten harmlos daherkommende Hasspropaganda. (© imago images/ZUMA Wire)
Plattformen wie YouTube verbreiten harmlos daherkommende Hasspropaganda. (© imago images/ZUMA Wire)

Große Online-Plattformen verbreiten ein persisches Hörbuch, das lange banal wirkt, um am Ende antisemitischen Hass zu propagieren.

Wahied Wahdat-Hagh

Der Iran bringt nicht nur gute Filme hervor, es gibt auch gut gemachte Hörbücher Made in Iran. Doch einige von ihnen transportieren überaus problematische Inhalte – sie verbreiten antisemitische Verschwörungstheorien und leugnen den Holocaust.

Eines davon ist „Die Offenbarung von Jesus Christus“, eine Kriminalgeschichte, die in persischer Sprache kursiert. Als Autorin wird eine gewisse Zahra angeführt, ein Vorname, eher ein Pseudonym. Verbreitet wird dieses Machwerk über islamistische Internetseiten, aber auch über populäre Plattformen wie YouTube und SoundCloud. Der YouTube-Kanal, der die Clips mit den Kapiteln des Hörbuchs vertreibt, gehört Aliakbar Raefipoor, einem islamistischen Propagandisten, der eigenen Aussagen zufolge gegen Zionismus, Humanismus und Freimaurerei kämpft.

„Die Offenbarung von Jesus Christus“ ist eine spannend gemachte Geschichte, ein Krimi, wie es unzählige gibt. Das Hörbuch besteht aus zwölf Kapiteln, die jeweils unter zehn Minuten dauern. Schon an den ersten elf Abschnitten könnte man Anstoß nehmen, aber letztlich sind sie recht banal. Kritisch wird es im letzten Kapitel, in dem die Story kippt und Hass verbreitet wird.

Anhand eines Fotos auf der YouTube– bzw. SoundCloud-Ankündigung erkennt man, dass die Geschichte sich irgendwo in den USA abspielt, ein Streifenwagen trägt die Aufschrift „Police 9-11“.

Junge Christen auf Identitätssuche

Im Zentrum des Geschehens stehen ein christlicher Jugendlicher namens Adrian und sein ebenfalls christlicher Freund Jason. Adrian hat viele Fragen an seinen Lehrer. Es sind alt bekannte und viel diskutierte religiöse Fragen, wie die nach dem Sinn der Trinität, also dem Verhältnis von Gott, Christus und dem Heiligen Geist, oder nach dem Zölibat.

Das Hinterfragen dieser Doktrinen, die in der islamischen Theologie bekanntlich anders gesehen werden, ist nicht problematisch, sehr wohl aber die von Anfang an projektive Darstellung: Der Lehrer warnt Adrian, er dürfe das Christentum nicht infrage stellen, sonst würde er von dunklen Mächten getötet werden.

Schon hier bekommt die Geschichte einen fragwürdigen Beigeschmack. Adrian fragt seinen Lehrer, warum man in einer freien Gesellschaft denn Propheten beleidigen, christliche Prinzipien aber nicht infrage stellen dürfe. Welcher Prophet gemeint ist, bleibt noch unklar.

Der Schullehrer schickt den Fragen stellenden Adrian zu einem Pfarrer. Der Kontakt müsse aber heimlich hergestellt werden, denn kritische Fragen in Bezug auf das Christentum dürften nicht laut gestellt werden, sonst würde man getötet. Von wem? Bis zuletzt unklar.

Der erste konsultierte Pfarrer schickt den eifrigen jungen Christen zu einem anderen Geistlichen – und bei diesem Treffen steuert der Krimi auf einen ersten Höhepunkt zu.

Das „Geheimwissen“ über den Islam

Adrian stellt diesem zweiten Pfarrer zunächst dieselben Fragen nach der Trinität und dem Zölibat. Dann geht er einen Schritt weiter: Warum würde man in den Medien so viel über islamische Terroristen lesen und über Steinigungen, über den schiitischen Aschura-Tag und über blutige Selbstgeißelungen?

Während Adrian den Pfarrer fragt, warum denn die Kirchen Prophetenbeleidigungen ertrügen, fallen in der Kirche Schüsse. Die beiden Freunde werden Zeugen, wie Diebe kirchliche Wertgegenstände und das Geld des Pfarrers stehlen und diesen töten. In seinen letzten Atemzügen schafft er es noch, Adrian und Jason zu sagen, dass die Ergebnisse von geheimen Forschungen, die er betrieben hat, in einem Bilderrahmen versteckt sind.

Der Christ Adrian, der bis dahin nur negative Sachen über den Islam gehört hatte, liest in diesen geheimen Forschungsergebnissen nun einige Informationen über Mohammed und Hossain, den Enkel des Propheten, dessen Tod in der Schlacht von Kerbela im Schiismus eine bedeutende Rolle zukommt. Und in den heimlichen Notizen des Pfarrers findet sich auch die Behauptung, dass Mohammad als der erste und der letzte Prophet erschienen sei.

Verwirrt wenden sich die jungen Christen wieder an den Pfarrer, den sie zuerst konsultiert hatten, um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Dieser will sich aber nicht in Gefahr bringen und die „Geheimdokumente“ vernichten, die den Nachweis enthalten sollen, dass der Islam die letzte wahre Religion sei.

Adrian, der bisher in seinem Leben nur Negatives über den Islam gehört hat, macht sich im Internet auf die Suche. Wieder arbeitet der unbekannte Verfasser des Krimis mit einer Verkehrung der Realität: Während in Wahrheit der Iran ein Land ist, in dem Internetseiten blockiert werden und das Regime alle Informationen kontrollieren will, auf die Iraner online zugreifen können, wird in dem Hörbuch unterstellt, dass im Westen Internetseiten zensuriert würden, die Informationen über den Islam und den Imam Hossain enthalten.

Die üblichen Verdächtigen

Der Krimiautor stellt Adrian zunächst als einen fanatischen Christen dar, der nicht weiß, wer Hossain eigentlich sei, aber langsam beginnt, sich für ihn zu begeistern. Und je größer seine Bewunderung für den schiitischen Imam wird, umso weniger kann er mit einer Meinungsfreiheit anfangen, die es zulässt, dass negativ über den Islam geschrieben wird. Im Traum hört Adrian gar die Stimme von Jesus Christus, der ihm zuflüstert, dass Mohammad der letzte Prophet sei. Immer weniger kann der einstige Christ Adrian verstehen, warum die Menschen die Wahrheit über den Islam nicht hören wollen und ist verzweifelt, wenn er hört, dass saudi-arabische Politiker gemeinsam mit Westlern Alkohol trinken würden.

Bis hierhin, bis ins achte Kapitel also, könnte man davon ausgehen, dass es sich bei diesem Hörbuch um eine als Krimi verpackte religiöse Geschichte handelt und nicht mehr. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Im neunten Kapitel werden Adrian und Jason überfallen. Jason landet im Krankenhaus, wo ihm ein muslimischer Arzt das Leben rettet.

Adrian aber nimmt Reißaus und „flieht“ mit einem muslimischen Freund, der ihn dazu überredet hat, in den Iran. Dort, so überzeugt ihn dieser Freund, sei es gar nicht so schlimm wie die westliche Presse und die Exil-Iraner immer behaupten.

Im Iran angekommen, übergibt Adrian die „Geheimdokumente“, die Erkenntnisse des von Unbekannten ermordeten christlichen Pfarrers, einem schiitischen Kleriker in einer Moschee, in der der 12. Imam, der Mahdi, besonders angebetet wird, und in der man auf die Wiederkunft dieser schiitischen Erlöserfigur wartet.

Und jetzt, am Ende der Geschichte, die bis dahin zwar mit Verdrehungen und Verzerrungen arbeitete, insgesamt aber eher plump gestrickt war und banal blieb, kippt das Hörbuch in die Propagierung von Hass-Propaganda. Nachdem Adrian sich mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, wie gut und sicher das Leben der Menschen in der Islamischen Republik in Wahrheit ist, wird er in der Moschee in das „Problem des Zionismus“ eingeweiht. Er lernt, dass das wahre Problem die zionistischen Juden seien, die sogar das Christentum gefälscht hätten. Der Zionismus habe den „Mythos vom Holocaust geschaffen. Das Ganze ist ein Mythos. Ein zeitloser Mythos, der nur aus ihrer Sicht eine Realität ist.“

Judenhass per Online-Plattform

Der unbekannte Autor des iranischen Krimi-Hörbuchs verdreht die islamische Geschichte so, dass der Eindruck erweckt wird, dass die Juden sich erst nach dem Erscheinen des Propheten Mohammed in Mekka und Medina dort angesiedelt hätten, um daran zu arbeiten, das „jüdische Blut“ und die „jüdische Rasse“ über die wahre Religion zu erheben.

Wie sich am Ende herausstellt, besteht die titelgebende „Offenbarung des Jesus Christus“ in der vom Westen unterdrückten Erkenntnis, dass Mohammed der letzte Prophet, der Islam die wahre Religion und der Holocaust eine Erfindung zionistischer Juden sei.

Alles andere als harmlos, werden die Debatten über die Meinungsfreiheit in demokratischen Staaten, über das Recht, sich über Religionen lustig zu machen, den Propheten Mohammed zu beleidigen und den Islam schlechtzumachen, mit der Leugnung des Holocaust in Verbindung gebracht. Heraus kommt eine toxische Propaganda jener Art, wie sie in diesen Tagen gerade wieder vom iranischen Regime, aber unter anderem auch vom türkischen Präsidenten Erdogan verbreitet wird.

In Zeiten, in denen ein Lehrer in Europa öffentlich hingerichtet wird, weil er es gewagt hat, im Unterricht Mohammed-Karikaturen zu zeugen, kann das enorm gefährlich werden: Auch wenn sie in Form von vermeintlich harmlosen Hörbüchern daherkommt, kann derartige Propaganda unter Muslimen Verständnis für Terrorakte schüren.

An YouTube und SoundCloud ist deshalb die Frage zu stellen, ob sie zur Verbreitung solcher nur scheinbar unbedeutenden Hörbücher beitragen wollen, die in Wahrheit aber dazu angetan sind, islamistischen Hass zu fördern und nicht den friedlichen Umgang der Menschen miteinander.

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